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Abgehörtes Taurus-GesprächPistorius hält Schaden für klein

Der Verteidigungsminister beschwichtigt in Sachen Taurus-Leak. Die Ukraine hat erneut ein russisches Schiff im Schwarzen Meer versenkt.

Versenkt: brennendes Patrouillenboot Russlands auf dem Schwarzen Meer (veröffentlicht am 5.3.2024) Foto: Ministry of Defence of Ukraine via reuters

Berlin taz | Eines der modernsten Schiffe der russischen Marine ist im Schwarzen Meer von der Ukrai­ne versenkt worden. Russische Militärblogger bestätigten am Dienstag ukrainische Berichte, wonach die „Sergei Kotow“, eines von vier großen Patrouillenschiffen der russischen Schwarzmeerflotte, in der Nacht von zwei Drohnen getroffen wurde und unterging. Der ukrainische Militärgeheimdienst teilte mit, Spezialeinheiten hätten Schiffsdrohnen des Typs „Magura V5“ eingesetzt, um die 95 Meter lange Korvette vor dem Krim-Hafen Fedosia in der Straße von Kertsch zu zerstören. Sieben Besatzungsmitglieder seien getötet und 52 evakuiert worden, außerdem sei ein Hubschrauber an Bord gewesen.

Der Ukraine gelingt es immer wieder, Schiffe der russischen Flotte zu versenken. Die „Sergei Kotow“ wurde erst 2018 in Betrieb genommen und gehört zu einer neuen Generation von Korvetten, mit deren Bau die russische Kriegsmarine direkt nach der Besetzung der Krim-Halbinsel im Februar 2014 begonnen hatte. Sechs solcher Schiffe waren geplant, vier wurden bis 2022 fertiggestellt. Eines ist bereits beschädigt, nun wurde mit der „Sergei Kotow“ ein zweites versenkt.

Der Angriff war ukrainischen Berichten zufolge Teil einer Drohnenattacke, die mehrere Stunden andauerte. Die russisch gebaute Kertsch-Brücke zwischen Russland und der Krim musste mehrere Stunden lang geschlossen werden, der Schiffsverkehr kam zum Erliegen. Die Kertsch-Brücke ist der wichtigste Nachschubweg für die russischen Besatzungstruppen auf der Krim und in der Südukraine; ihr Schutz ist zentrale Aufgabe der russischen Patrouillenschiffe. Den Verkehr darauf zu beeinträchtigen oder die Brücke dauerhaft unbrauchbar zu machen gilt als ein zentrales taktisches Kriegsziel der Ukraine. Erfolgreiche Drohnenattacken in diesem Gebiet sind nach Experteneinschätzung nur durch die Nutzung von Nato-Aufklärungsdaten durch die Ukraine möglich.

Eine Rückkehr zur Wehrpflicht?

Flankierend dazu könnten vor allem schlagkräftige, panzerbrechende Raketen mit hoher Reichweite diese Versorgungswege zerstören. Große Hoffnung liegt auf dem deutschen Marschflugkörper vom Typ Taurus, den Kanzler Olaf Scholz allerdings nicht an die Ukraine liefern will, da er eine Beteiligung deutscher Soldaten etwa für Steuerungsaufgaben ausschließen will. Brisant wurde die Debatte, als vergangenen Freitag der Mitschnitt eines Schaltgesprächs ranghoher Bundeswehrangehöriger bekannt wurde. Abgehört von russischen Diensten und veröffentlicht bei RT.

Verteidigungsminister Boris Pistorius sprach am Dienstag nun von einem „individuellen Anwendungsfehler“. Disziplinarische Vorermittlungen gegen alle an dem Gespräch beteiligten Personen seien eingeleitet worden. Vermutungen, dass sich ein russischer Spion eingewählt haben könnte, wies er jedoch zurück. Es sei in Singapur zu einem Datenabfluss gekommen. Das Ganze sei zwar ein „schwerer Fehler“, Deutschland werde sich aber durch den „hybriden Angriff“ aus Russland nicht „aufscheuchen lassen“.

Pistorius, Kanzler Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock beteuern zudem, dass das Vertrauen in Deutschland bei internationalen Partnern trotz des Vorfalls ungebrochen ist. Diplomatische Schadensbegrenzung liegt nun aber vor allem bei Baerbock. Am Dienstag traf sie ihren französischen Amtskollegen Stéphane Séjourné in Paris, am Donnerstag wird der britische Außenminister David Cameron in Berlin erwartet.

Für Pistorius kommen Abhöraffäre und Taurus-Debatte auch zur Unzeit, ist er doch in anderer Mission unterwegs. Er will die Debatte über eine Wiederauflage einer Wehrpflicht in Deutschland voranbringen und lässt derzeit verschiedene Ideen prüfen. Wann ein Ergebnis vorliegt, ließ Pistorius offen. Derzeit tourt er durch Schweden, Norwegen und Finnland, um sich unter anderem auch zu Modellen gegen Personalmangel bei der Armee zu informieren. Ein neuer Wehrdienst ist eines davon.

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14 Kommentare

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  • Im Grunde ist es für uns ja positiv, dass ein paar Leute in Russland dumm genug waren, das Gespräch zu veröffentlichen. Natürlich versucht jeder Geheimdienst, solche Konversationen abzuhören. Die meisten sind natürlich nicht so doof, die ganze Welt daran teilhaben zu lassen, sondern behalten für sich, wann sie wen wie bespitzelt haben.

  • Das abgehörte Taurus-Gespräch dreht sich allgemein um das Ziel, den Krieg zwischen der Ukraine und Russland langsam aber stetig immer weiter zu eskalieren, was schon rein logisch das Interesse mit einschließt, den Krieg NICHT (etwa durch Diplomatie) zu beenden.

    Zwar lehnt Scholz derzeit die Taurus-Lieferung ab, weil es sich momentan nicht verkaufen lässt, aber ein Großteil der deutschen Militärs sowie der Grünen und auch der SPD-Minister Pistorius sind offenbar dafür, den Marschkörper zu schicken.

    Wenn die Kriegseskalation und die militärische Überlegenheit der Ukraine aufgrund der westlichen Waffenlieferungen zu groß geworden ist, wird die russische Staats- und Militärführung abwägen, welche Handlung das größere und welche das kleinere Risiko für sie selbst beinhaltet.

    Was dann passiert, lässt sich schwer sagen. Von der Kapitulation über den Rückzug aus dem Donezk und der Krim bis hin zum Einsatz bisher vermiedener militärischer Methoden ist wohl alles denkbar bzw. möglich.

    Um Letzteres zu vermeiden, geht ein Scholz vorsichtig vor, was aber nicht heißt, dass er im Widerspruch zu den Zielen der USA, GBs oder Frankreichs oder zu de Grünen und der CDU/CSU stehen würde. Dies ist keineswegs der Fall.

    • @Uns Uwe:

      "Das abgehörte Taurus-Gespräch dreht sich allgemein um das Ziel, den Krieg zwischen der Ukraine und Russland langsam aber stetig immer weiter zu eskalieren..."



      Fast richtig.



      Es dreht sich allgemein darum, wie mit einem aufgedreht-eskalierenden Aggressor umzugehen sein könnte.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Wurde die Überschrift gerig-fügig geändert?

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @95820 (Profil gelöscht):

      "gering".. Sry.

  • Ja wie? “Abgehörtes Taurus-Gespräch



    : Pistorius hält Schaden für klein“

    Paßt doch zum ex-le Petit OB OS Pistorius! Woll. => Remember



    Vor Pistorius der breitbeinige (Wahrheit)



    “ Marketing der besonderen Art



    :



    Willkommen im Weltstädtchen



    17. Mai 2010, 21:46 Uhr



    Die Stadt Osnabrück hat ein Imageproblem. Dem will sie mit einer Verniedlichungskampagne entgegen treten - und wirbt nun mit dem Petersdömchen und dem Hexenkesselchen. Ein Anruf bei Oberbürgermeisterchen Boris Pistorius.



    www.sueddeutsche.d...taedtchen-1.670221



    Der Breitbeinmann



    taz.de/Die-Wahrheit/!5931427/

    kurz - Ja Ja die Jungs aus OS! Woll



    “…und leise knirscht das Holzgewinde -



    Im 💨!“



    ps Olaf I. is auch gebürtig OS - in HH nur



    Quidsche!

    • @Lowandorder:

      Däh&Zisch - Mailtütenfrisch schlenzt ein

      “Im Osten nichts Neues.“ - Was würde Erich Maria Remarque dazu sagen?







      Erich Maria Remarque – Wikipedia







      kurz - “ sicherlich keine Kandidaten für



      den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis durch die Stadt Osnabrück

  • Vielleicht sollte die Bundeswehr diese Abhöraffäre als "Schuss vor den Bug" einstufen und das Thema geschützte Kommunikation endlich ernst nehmen.



    Ich weiß Neuland und so. Aber es wäre vielleicht mal an der Zeit erst den Verstand und dann die Webcam einzuschalten.

  • Bei dw.com steht



    "Doch eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ist nicht einfach. Zum Beispiel müsste wohl gesetzlich geregelt sein, dass auch Frauen in die Pflicht mit einbezogen werden müssten. Ebenso ist die Erfassung nichtdeutscher Staatsbürger im Gespräch.



    Unter anderem das sogenannte "schwedische Modell" wird gerade von deutschen Verteidigungsexperten genauer studiert. Schweden mustert jeden Bürger von 16 bis 70 Jahren und teilt die Erfassten - je nach Bedarf und Fähigkeiten - allen möglichen zivilen und militärischen Aufgaben zu. Sehr wenige sind wirklich im aktiven Dienst. Das System hat den Vorteil, dass..."



    /



    Geht der Zirkus wieder los,



    Die Unruhe wird sein groß,



    Denn die Wehrgerechtigkeit



    Ist nicht eine Kleinigkeit,



    Probleme gibt es wie diese:



    BW braucht doch "Expertise".



    /



    2010 bei deutschlandfunk.de



    !ebenfalls zu Schweden



    "Die Wehrpflicht ist nicht mehr das, was sie einmal war. Gerade noch jeder Zehnte eines Jahrgangs macht die Grundausbildung. Wir setzen künftig auf Berufssoldaten, die gemeinsam mit unseren Partnern zu allen denkbaren Einsätzen fähig sind. Auf diese Weise finden wir von Beginn an die richtigen Soldaten. Die sich bewusst für diesen Beruf entschieden haben.“



    /



    Wader, Wecker, Mey werden bald wieder Auftrieb bekommen:



    youtu.be/1q-Ga3myT...i=B3pO39OMkgRVAO4E

  • Die Russen begreifen langsam das ein Sieg und die Annektion der Ukraine keinen Vorteil bringt.

    • @Tino Winkler:

      Die große Frage ist wie viele Menschenleben ist der Führung im Kreml etwas anderes wert: ihr eigenes Ego und Ansehen.



      Wie viele Millionen Menschen, egal welcher Nationaltät, ist man dort bereit dafür zu opfern?

    • @Tino Winkler:

      Die Frage auf die halt keiner eine Antwort hat ist wieviel Putin davon mitbekommt. Die Leute um ihn herum haben ihn schonmal mit den Informationen versorgt die er haben wollte. Ist nicht gesagt das sie das nicht wieder machen. Die Schiffe die jetzt versenkt wurden in den letzten Monaten das kann man dem Chef auch verschweigen. Klar so etwas großes was wichtig ist bei Paraden wie die Moskwa das hält man nicht geheim. Aber so kleinere Schiffe das kriegt man schon geheimgehalten. Jedoch rückt mit jedem zerstören Schiff ein Angriff auf die Brücke näher. Wenn Russland nicht mehr genügend Schiffe hat die Brücke zu schützen wird die Ukraine die selbige mit Drohnen angreifen und zerstören. Dann hat Russland ein Problem. Ohne die Brücke kann die Krim nicht ausreichend versorgt werden. Auch die Versorgung der Truppen nördlich der Krim wird dann sehr schwierig. Versorgungsschiffe hat Russland schon einige verloren. Es müsste seine gesamte Marine einsetzen um eine Versorgung via Seeroute sicherzustellen die würde dann gnadenlos angegriffen, Luftversorgung müsste man auch machen aber die würde dann von ukrainischen F-16s angegriffen. Es würde unglaublich viele Ressourcen fressen.

  • Es gibt ja, auch in der kommune, eine Menge Menschen, die mittlerweile für militärische Lösungen plädieren.



    Das sollten aber scheinbar "immer die Anderen" in die Hand nehmen.



    Denn genauso gibt es den Standpunkt, dass es sich beim Wehrdienst um einen "Zwangsdienst", oder gar "Zwangsarbeit" handelt.



    Diesen Standpunkt teilen sich Olivgrüne mit der FDP, mit der sie ja eigentlich nichts zu tun haben wollen.



    Laut FDP ist die derzeitige Bedrohungslage nicht ausreichend für einen solchen Schritt.



    Das sehe ich anders.



    Schweden ist bereits vor 7 Jahren zur Wehrpflicht zurück gekehrt.



    Wann war die Bedrohungslage, seit Ende des kalten Krieges, größer als jetzt?



    Natürlich sollte der "Ersatzdienst" ganz regulär als Zivildienst oder Klimadienst möglich sein.



    Gemeinsames Arbeiten kann Gräben überwinden.



    Das wäre auch aktive Arbeit gegen Rassismus, denn eine Zusammenarbeit mit Menschen mit Migrationshintergrund wäre normal.



    Gerade im Lebensabschnitt der Heranwachsenden werden Weichen gestellt und ein Dienst an der Gesellschaft veränderte nicht nur diese, sondern auch die jungen Menschen.



    Ich habe meine Zivildienstzeit als prägende Erinnerung behalten und weiß, dass der damalige Spruch " ohne Zivis ist Deutschland am Ende" im Pflegebereich Wirklichkeit geworden ist.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „ [....] So verlor der durch sein Streben



    Zuerst den Halt und dann sein Leben,



    An dem er ganz besonders hing -



    Der Blechschaden war nur gering."



    (aus „Ritter Gips" von Heinz Erhardt)