Abgehörtes Taurus-Gespräch: Pistorius hält Schaden für klein
Der Verteidigungsminister beschwichtigt in Sachen Taurus-Leak. Die Ukraine hat erneut ein russisches Schiff im Schwarzen Meer versenkt.
Der Ukraine gelingt es immer wieder, Schiffe der russischen Flotte zu versenken. Die „Sergei Kotow“ wurde erst 2018 in Betrieb genommen und gehört zu einer neuen Generation von Korvetten, mit deren Bau die russische Kriegsmarine direkt nach der Besetzung der Krim-Halbinsel im Februar 2014 begonnen hatte. Sechs solcher Schiffe waren geplant, vier wurden bis 2022 fertiggestellt. Eines ist bereits beschädigt, nun wurde mit der „Sergei Kotow“ ein zweites versenkt.
Der Angriff war ukrainischen Berichten zufolge Teil einer Drohnenattacke, die mehrere Stunden andauerte. Die russisch gebaute Kertsch-Brücke zwischen Russland und der Krim musste mehrere Stunden lang geschlossen werden, der Schiffsverkehr kam zum Erliegen. Die Kertsch-Brücke ist der wichtigste Nachschubweg für die russischen Besatzungstruppen auf der Krim und in der Südukraine; ihr Schutz ist zentrale Aufgabe der russischen Patrouillenschiffe. Den Verkehr darauf zu beeinträchtigen oder die Brücke dauerhaft unbrauchbar zu machen gilt als ein zentrales taktisches Kriegsziel der Ukraine. Erfolgreiche Drohnenattacken in diesem Gebiet sind nach Experteneinschätzung nur durch die Nutzung von Nato-Aufklärungsdaten durch die Ukraine möglich.
Eine Rückkehr zur Wehrpflicht?
Flankierend dazu könnten vor allem schlagkräftige, panzerbrechende Raketen mit hoher Reichweite diese Versorgungswege zerstören. Große Hoffnung liegt auf dem deutschen Marschflugkörper vom Typ Taurus, den Kanzler Olaf Scholz allerdings nicht an die Ukraine liefern will, da er eine Beteiligung deutscher Soldaten etwa für Steuerungsaufgaben ausschließen will. Brisant wurde die Debatte, als vergangenen Freitag der Mitschnitt eines Schaltgesprächs ranghoher Bundeswehrangehöriger bekannt wurde. Abgehört von russischen Diensten und veröffentlicht bei RT.
Verteidigungsminister Boris Pistorius sprach am Dienstag nun von einem „individuellen Anwendungsfehler“. Disziplinarische Vorermittlungen gegen alle an dem Gespräch beteiligten Personen seien eingeleitet worden. Vermutungen, dass sich ein russischer Spion eingewählt haben könnte, wies er jedoch zurück. Es sei in Singapur zu einem Datenabfluss gekommen. Das Ganze sei zwar ein „schwerer Fehler“, Deutschland werde sich aber durch den „hybriden Angriff“ aus Russland nicht „aufscheuchen lassen“.
Pistorius, Kanzler Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock beteuern zudem, dass das Vertrauen in Deutschland bei internationalen Partnern trotz des Vorfalls ungebrochen ist. Diplomatische Schadensbegrenzung liegt nun aber vor allem bei Baerbock. Am Dienstag traf sie ihren französischen Amtskollegen Stéphane Séjourné in Paris, am Donnerstag wird der britische Außenminister David Cameron in Berlin erwartet.
Für Pistorius kommen Abhöraffäre und Taurus-Debatte auch zur Unzeit, ist er doch in anderer Mission unterwegs. Er will die Debatte über eine Wiederauflage einer Wehrpflicht in Deutschland voranbringen und lässt derzeit verschiedene Ideen prüfen. Wann ein Ergebnis vorliegt, ließ Pistorius offen. Derzeit tourt er durch Schweden, Norwegen und Finnland, um sich unter anderem auch zu Modellen gegen Personalmangel bei der Armee zu informieren. Ein neuer Wehrdienst ist eines davon.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?