ARD-Megaserie „Das Netz“: Ein Universum bauen
Die internationale Serie „Das Netz“ ist ein Gegenprogramm zur Fußball-WM in Katar. Aber sie ist auch ein Gegenprogramm zum herkömmlichen Fernsehen
Weltphänomen Profifußball – wo fängt man da bloß an zu erzählen? Vielleicht bei der Fankultur? Dem deutschen Vereinswesen? Nein, doch lieber bei den internationalen Funktionären? Der katarischen Regierung? Bei hoffnungsvollen jungen Talenten in ärmeren Ländern? Bei der Sportmedizin? In Wembley? In der Alten Försterei?
Die Macher*innen der internationalen Mega-Serienreihe „Das Netz“ antworten: Ja – und noch mehr! Warum sich entscheiden, wenn man alles haben kann? „Das Netz“, unter anderem produziert von der ARD-Tochter Degeto, startet am Donnerstag sozusagen als Gegenprogramm zur Männer-Fußball-WM in Katar. Eine Serie über die Hoffnungen, Enttäuschungen und fiesen Machenschaften im Fußball. Wobei „Das Netz“ mehr als eine Serie ist. Es ist – ein „Netz“. Und damit eine neue Erzählform im sonst immer noch ziemlich linearen Fernsehen.
Ein Fußball-Talentscout (Itay Tiran) verbrennt auf mysteriöse Weise in seinem Auto, direkt vor dem Berliner Stadion „Alte Försterei“. Seine Freundin, die Anwältin Lea Brandstätter (Birgit Minichmayr), kann nur entsetzt zuschauen. Am nächsten Tag durchwühlen unsympathische Herren in Anzügen ihr Büro auf der Suche nach etwas. Brandstätter weiß: Ihr verstorbener Freund wurde von jemandem gejagt. Und er stand in Kontakt mit dem Präsidenten des Weltfußballverbands. Als Brandstätter versucht, der Sache auf den Grund zu gehen, gerät sie in ein – Achtung – „Netz“ aus Fußballpolitik, Korruption und Menschenhandel. Unterstützung bekommt sie ausgerechnet von Sidekick Marcel (Max von der Groeben) aus der Ultra-Szene.
Lea, die Idealistin, steht dabei dem Endgegner Jean Leco gegenüber, Präsident des Weltfußballverbands, der hier WFA heißt. Berechnend, korrupt, machtgeil – und dabei äußerst ruhig und charismatisch gespielt von Raymond Thiry.
Nur ein erzählerischer Ableger
„Das Netz“ war von der ARD lange angekündigt, und zwar als „Reihe von internationalen, aber erzählerisch miteinander verflochtenen Serien“. Hier wird’s kompliziert. Die Geschichte um Lea Brandstätter ist nämlich nur ein erzählerischer Ableger von „Das Netz“. Sie startet unter „Das Netz – Spiel am Abgrund“ am Donnerstagabend im Ersten. Ein weiterer Ableger mit dem Titel „Das Netz – Prometheus“ kommt aus Österreich und folgt übernächste Woche.
„Das Netz – Spiel am Abgrund“, Folgen 1–4 ab 20.15 Uhr, ARD. Alle Folgen von „Spiel am Abgrund“ und „Prometheus“ schon jetzt in der Mediathek.
Darin gerät ein Sportmediziner (Tobias Moretti) in eine Art eugenischen Forschungskult, der den Sport-Übermenschen erschaffen will. Ableger drei „Das Netz – Power Play“ kommt aus Italien, folgen sollen weitere „Netz“-Serien aus Portugal, Südamerika und Skandinavien. Am besten ist wohl, man verfolgt das Ganze in der ARD-Mediathek, anstatt sich die diversen Sendetermine zu notieren.
Die Erzählstränge von „Das Netz“ sollen sich immer wieder an bestimmten Punkten berühren, Figuren und Themen wiederkehren. Das Projekt ist gewaltig, allein für den ersten Ableger, „Spiel am Abgrund“ kooperierte ARD-Degeto mit Sommerhaus Serien, Beta Film, Hugofilm, SRF und Red Bull Media House, das zum Konzern des eben verstorbenen österreichischen Milliardärs Dietrich Mateschitz gehört. Förderung kam von der MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg, Medienboard Berlin-Brandenburg, German Motion Picture Fund und Zürcher Filmstiftung.
Dreidimensionale Erzählform
Längst hat die Serie sich als gleichberechtigte Erzählform neben dem Spielfilm etabliert. Das hat die Möglichkeiten des filmisches Erzählens ungemein erweitert. Allerdings ist die Serie immer noch linear. Sie erzählt von A nach B, in der Regel von Anfang bis Ende. Zweidimensional. Sich davon zu lösen und in „Netz“-Form zu erzählen, ist der nächste Schritt.
Erfolgreich ist damit bereits das Marvel-Universum, dessen Filme, Serien, Comics und Graphic Novels immer wieder links und rechts wie Ableger voneinander absprießen. „Das Netz“ versucht etwas Ähnliches: ein Universum zu bauen, um das komplexe Thema Fußball herum, in dem sich die Figuren theoretisch immer wieder neu in Bewegung setzen lassen.
Die Machart und Optik bleibt dabei ein wenig behäbig, erinnert an deutsche Schauplatzkrimis. Viele Szenen ziehen sich, Plotpunkte werden übererklärt und mehrfach wiederholt. Die Schlägertypen sehen gerne besonders kapuzig-schlägertypig aus, die korrupten Bosse ganz besonders krawattig-korruptig. Aber als Format des dreidimensionalen Erzählens ist der ARD ein anregender Aufschlag gelungen. Zumal er thematisch genau zur richtigen Zeit kommt.
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