AKK, Maas und Spahn zu Fall Nawalny: Spielball Nord Stream 2
Spitzenpolitiker*innen überlegen laut, wie man Russland zu Aufklärung im Fall Nawalny bewegen kann. Mehr und mehr im Fokus: die Gaspipeline Nord Stream 2.
Maas hatte zuvor der Bild am Sonntag gesagt: „Ich hoffe nicht, dass die Russen uns zwingen, unsere Haltung zu Nord Stream 2 zu ändern.“ In der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ sagte der Minister, es gebe weiter gute Gründe für die Pipeline. Er verwies erneut auf 100 Unternehmen, die an dem Projekt beteiligt seien, die Hälfte davon aus Deutschland. Er betonte aber zugleich, er halte es für falsch, „von vornherein auszuschließen, dass das, was zurzeit stattfindet, überhaupt irgendwelche Auswirkungen auf dieses Projekt haben könnte“.
Auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zeigte sich am Sonntag offen für Sanktionen gegen Russland bei der Gaspipeline Nord Stream 2. „Ich habe immer gesagt, dass Nord Stream 2 für mich kein Herzensprojekt ist“, sagte die CDU-Chefin zu Reuters. „Für mich war dabei immer klar, dass die berechtigten Sicherheitsinteressen der mittelosteuropäischen Staaten und der Ukraine berücksichtigt werden müssen.“
Die Bundesregierung hat Russland zwar mit harten Worten zur Aufklärung der Vergiftung Nawalnys aufgefordert, eine Verknüpfung des Falls mit dem deutsch-russischen Gasprojekt bislang aber vermieden. Russland bestreitet, in die Vergiftung des Oppositionellen verwickelt zu sein.
Einigkeit nur bei der Uneinigkeit
Maas forderte Russland erneut auf, zur Aufklärung beizutragen. Er wies in der ARD Vorwürfe aus Russland, die deutsche Seite würde Ermittlungen bremsen, als „weitere Nebelkerze“ zurück und betonte, man habe bereits dem russischen Botschafter gesagt, dass man einem Rechtshilfeersuchen Russland zustimmen werde.
Die Ostsee-Pipeline ist fast fertig und soll Erdgas von Russland nach Deutschland bringen. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hat deutliche Vorbehalte gegen einen Stopp des Projekts. Er sagte in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“, zwar müssten wirksame Sanktionen diskutiert werden. Diese müssten aber zielgerichtet sein. Nord Stream 2 sei zu 90 Prozent fertig und diene den eigenen Versorgungsoptionen. Sanktionen müssten vorrangig auf andere Bereiche zielen, etwa auf den Handel oder auf Persönlichkeiten, „die in diesem Regime tätig sind“. Im Tagesspiegel (Montag) verwies er zudem darauf, dass Deutschland sich mit Nord Stream 2 eine Alternative zu US-Frackinggas offenhalte.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warnte vor einer übereilten Reaktion auf die Vergiftung Nawalnys. Konkrete Schritte würden vor allem davon abhängigen, „ob die russische Regierung die bisher vorliegenden Erkenntnisse aufklären und strafrechtlich verfolgen will“, sagte Mützenich den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag).
Klar für einen Baustopp hatte sich bereits Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt ausgesprochen. „Die Bundesregierung muss jetzt einen Weg aufzeigen, wie Nord Stream 2 beendet werden kann“, sagte sie dem Tagesspiegel.
In der CDU gehen die Positionen hingegen auseinander. Norbert Röttgen fordert einen Stopp des Pipelineprojekts. Mit Putin müsse man in einer Sprache sprechen, die er verstehe. „Die Sprache, die er versteht, ist die Sprache des Geldes, des Gases und der Macht. Und Nord Stream ist alles zusammen“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag in der ARD-Sendung „Anne Will“.
Dagegen trat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer Forderungen nach einem Baustopp von Nord Stream 2 entschieden entgegen. „Das ist ein völlig falscher Schritt“, sagte der CDU-Politiker im ARD-“Bericht aus Berlin“. Kretschmer verwies darauf, dass selbst im Kalten Krieg die Rohstofflieferungen weitergingen.
Die Linke-Außenexpertin Sevim Dagdelen warnte bei „Anne Will“, mit einem Stopp des Projekts würde sich Deutschland „ins eigene Knie“ schießen. Auch wäre dies eine direkte Wahlkampfhilfe für US-Präsident Donald Trump, der Nord Stream 2 unbedingt verhindern will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht