A49 in Hessen: Ausbau schafft neues Risiko
Nach der Rodung des Dannenröder Walds für die A49 in Hessen befürchten Aktivist:innen Wasserverschmutzung bei Extremwetter.
Die jüngsten Hochwasserkatastrophen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben mit Niederschlagsmengen von bis zu 150 Litern pro Quadratmeter für massive Zerstörungen gesorgt und die Diskussion über an Extremwetter angepasste Infrastruktur belebt. Rund 500 bis 650 Millionen Euro wird der Wiederaufbau der zerstörten Straßen, Brücken und Schienen sowie der Kanalisation nach Angaben des Verkehrsministeriums (BMVI) voraussichtlich kosten.
„Die jüngsten Starkregenfälle in Deutschland zeigen: Der Ausbau der A49 durch ein Wasserschutzgebiet ist unverantwortlich“ so die Gruppe. Es sei „dringend geboten“, die Trasse umzuplanen. 2020 protestierten Aktivist:innen im Dannenröder Forst wochenlang gegen das Projekt. Inzwischen ist dort gerodet.
Die Sorge gilt dem Wasserschutz
Die Sorge der Umweltschützer:innen gilt vor allem dem Wasserschutz: Bei starken Regenfällen oder gar Hochwasser würden Schadstoffe wie Öl oder Reifenabrieb ins Grundwasser gelangen, argumentieren sie. Auch die geplanten Regenrückhaltebecken, in denen das abfließende Wasser zunächst gereinigt werden soll, reichten nicht. Schon die Rohre seien nicht auf Niederschlagsmengen wie in NRW und Rheinland-Pfalz ausgelegt, sagt Kirsten Prößdorf von Parents for Future. „Dazu liegen die Ableitungen in einem potenziellen Überschwemmungsgebiet.“
Der geplante Autobahnabschnitt verläuft durch das Trinkwasserschutzgebiet Gleental, das eine halbe Million Menschen im Rhein-Main-Gebiet mit Trinkwasser versorgt. Zuletzt kam es hier im März 2020 zu Überschwemmungen. Da habe allerdings der nun größtenteils gerodete Dannenröder Forst Schlimmeres verhindern können, so die Gruppe.
Holger Schüttrumpf, RWTH Aachen
Holger Schüttrumpf, Direktor des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der RWTH Aachen, hält es nicht grundsätzlich für problematisch, Autobahnen in Gebieten mit potenziellem Hochwasser zu bauen. Allerdings müssten im Einzelfall die konkreten Wasserläufe ganz genau betrachtet werden. Der Einsatz von Regenrückhaltebecken zur Vermeidung von Umweltverschmutzung sei durchaus üblich. „Es ist aber wichtig, bei der Planung von Autobahnen das Thema Hochwasser zu berücksichtigen“, sagt Schüttrumpf.
Das BMVI schreibt auf Anfrage: „Bei Neuplanungen werden Überschwemmungsgebiete stets berücksichtigt. Dabei gilt es grundsätzlich, sofern nicht zwingend notwendig, diese Gebiete zu meiden.“ Für die A49 gilt dies aber wohl nicht mehr.
Pläne seien nicht an aktuelle Entwicklungen angepasst
Mit dem Planfeststellungsverfahren wurde 2006 begonnen, besiegelt hatte das Vorhaben der damalige hessische Verkehrsminister Dieter Pasch (FDP) 2012 – rechtswidrig, wie das Bundesverwaltungsgericht urteilte. Für eine Prüfung der Vereinbarkeit mit deutschen und europäischen Wasservorgaben hätte das Verkehrsministerium die Öffentlichkeit einbeziehen müssen. Eine Klage des Umweltverbands BUND gegen den Bau wurde dennoch abgewiesen, ebenso ein Antrag der Grünen im September 2020 im Bundestag.
Genau darin besteht die Kritik der Umweltschützer:innen: Die Pläne für den Ausbau A49 seien veraltet und nicht an die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen angepasst. Expert:innen sind sich weitestgehend einig, dass Extremwetterereignisse wie Starkregen und Hochwasser durch die zunehmende Klimaerwärmung immer häufiger werden.
Das BMVI wolle weiterbauen, sagt eine Sprecherin: „Die Planung und der Bau der A49 erfolgen auf Basis aktuell gültiger Regelwerke. Das Risiko aus dem Überlaufen der zur Autobahn gehörenden Regenrückhaltebecken wird als gering bewertet.“
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