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300. Mahnwache für Hamburger GedenkortEin Märchenschloss am einstigen Ort der Folter

Kommentar von Petra Schellen

Das Stuttgarter Hotel Silber, einst NS-Hauptquartier, ist heute Gedenkort. Hamburgs Stadthaus hingegen soll etwas werden, was es nie war.

Lukrative Immobilie: Hamburgs Stadthaus, die ehemalige Gestapo-Zentrale Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

M anchmal muss man sich stur stellen. Bockig sein, sich weder blenden noch sonst wie ruhigstellen lassen, wenn es der historische Anstand gebietet: Zum 300. Mal erscheint die Hamburger Initiative Gedenk­ort Stadthaus heute zur Freitags-Mahnwache.

Ungebeugt wie jene, für die sie stehen, fordern sie vor der einstigen Gestapo-Zentrale einen Gedenkort für NS-Widerstandskämpfer, die dort verhört, gefoltert, in den Suizid getrieben wurden. Denn das Stadthaus – jetzt ein Luxus-Areal mit Hotels und Gastronomie – war zentraler Ort des NS-Terrors für Hamburg und Norddeutschland.

Hier saßen nicht nur etliche SchreibtischtäterInnen, die Deportationen und Razzien vorbereiteten. Hier fanden auch die „verschärften Verhöre“ statt, von denen Hörstationen mit Zeitzeugenberichten im „Seufzergang“ zeugen. Er ist trüb und kahl; der einzige echte Gedenk­ort in diesem Gebäudekomplex; die Arrestzellen von damals existieren nicht mehr.

Spuren beseitigt

Auch alle anderen Spuren wurden beseitigt. Erst 1981 brachten MitarbeiterInnen der dort residierenden Baubehörde eine Gedenktafel an. Im Übrigen legte die Stadt das Augenmerk auf den Geldwert der Gründerzeit-Immobilie. Ohne viel Federlesen verkaufte der Senat das Ensemble 2009 an den Investor Quantum Immobilien AG. Inzwischen gehören die Gebäude der Stadthöfe KG, an der die Ärzteversorgungen Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt beteiligt sind.

An der Kritik änderte die Blut-Spur im Bürgersteig nichts

Die neue Eignerin sicherte zu, einen 750 Quadratmeter großen Gedenkort zu betreiben, aber übrig bleiben 70 Quadratmeter in einem „Dreiklang“ aus Café, Buchhandlung und Mini-Ausstellung zur Rolle der Polizei im NS-Staat. Die Stadt war zufrieden, hatte sich der Verantwortung entledigt und das Gedenken privatisiert.

Seit 2018 Mahnwachen

Pünktlich zur Eröffnung 2018 begannen die Mahnwachen der Gedenkort-Initiative. Denn der Ort war zu klein, und das Thema Widerstand fehlte. An dieser Kritik änderte die vom Senat initiierte Kunst-Installation „Stigma“ nichts, eine symbolische „Blut“-Spur aus rotem Granulat im Bürgersteig.

Bald ging die Buchhändlerin insolvent. Die Stadt gelobte Besserung, setzte die Hamburger Gedenkstätten-Stiftung als Betreiberin ein, entfernte Café und Buchladen und eröffnete 2020 neu. Aber der Platz, den sich Büro, Seminarraum, Ausstellung und Veranstaltungsfläche teilen, reicht trotzdem nicht. Zudem ist der Ort latent bedroht. Denn auf Wunsch der Eigentümer konnte die Stadt lediglich einen Nutzungsvertrag für 20 Jahre abschließen, mit „unbefristeter Option auf Verlängerung“.

Chance vertan

Die Stadt ließ sich das gefallen und vertat abermals die Chance, die zugesagten 750 Quadratmeter Ausstellungsfläche einzufordern. Dabei stehe die „Wagenhalle“ nebenan seit Längerem leer, sagt Stadthaus-Aktivistin Cornelia Kerth. Sie ist nicht gegen den für die 1930er-Jahre geplanten Widerstands-Gedenk­ort im abgelegenen Fuhlsbüttel, auf den der Senat stets verweist. „Aber wir brauchen auch einen Ort im Zentrum.“

Die Mahnwache

Mahnwache der Initiative Gedenkort Stadthaus: jeden Freitag von 17 bis 18 Uhr an der Stadthausbrücke / Ecke Neuer Wall, Hamburg

Anderswo ist man weiter: Das Stuttgarter Hotel Silber, einst NS-Hauptquartier und gleichfalls attraktive Immobilie, ist heute Gedenkort. Hamburgs Stadthaus dagegen soll werden, was es nie war: ein Märchenschloss für die Reichen und Schönen. Aus diesem Milieu kamen die meisten WiderständlerInnen definitiv nicht.

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Redakteurin
Seit 2000 Redakteurin der taz am Standort Hamburg. Schwerpunkte: Kultur und -politik, Drittes Reich, Judentum, Religion allgemein.
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1 Kommentar

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  • Gedenkkultur ala CDU, Vertragsgestaltung ala CDU. Ob die SPD es allerdings besser gemacht hätte, daran sind Zweifel erlaubt. Es war ein CDU-Senat der die Immobilie verkloppt hat.