15 Jahre Lebenspartnerschaft: Nur „Ehe“ darf es nicht heißen
Vor 15 Jahren wurde die Eingetragene Lebenspartnerschaft eingeführt. Doch von einer „Ehe für alle“ sind wir noch weit entfernt.
D as Wort hat immer noch einen monströs bürokratischen Klang: „Eingetragene Lebenspartnerschaft“. Ein Institut im Personenstandsrecht, das es bis zum November 2000 nicht gab.
Die rot-grüne Koalition, unter entschlossener Federführung des Grünen Volker Beck und mit der Sozialdemokratin Margot von Renesse gegen SozialdemokratInnen wie Hertha Däubler-Gmelin oder Otto Schily, setzte durch, was heute landläufig vor allem diesen Namen hat: Homo-Ehe.
Es wird irgendwann Aufgabe von HistorikerInnen sein, den Prozess der Gesetzgebung und der mit ihr geführten Debatten präzise, bis in die letzte schmutzige Ecke zu rekonstruieren. Es ist aber heute schon kein Geheimnis, dass die parlamentarische Diskussion um die Eingetragene Lebenspartnerschaft insgesamt ein Ausbund an Abfälligkeit war, vor und vor allem hinter den Kulissen.
Die Briefe und Mails, die damals die grüne Bundestagsfraktion erreichten, sind mit der Vokabel hasserfüllt nur unzulänglich beschrieben. Wer damals in der Unionsfraktion auch nur andeutungsweise mit dem Projekt der rechtlichen Gleichstellung Homosexueller sympathisierte, riskierte, zum Aussätzigen zu werden.
Haben oder nicht haben
Das Gesetz hat in der schwulen und lesbischen Community enorme Resonanz gefunden. Nach dem Mikrozensus aus dem Jahre 2011 gibt es hierzulande 34.000 Eingetragene Lebenspartnerschaften, gut 40 Prozent von Frauen.
Zerschellt sind freilich Glaubensformeln in der queeren Wissenschaftscommunity, wonach Nichtheterosexuelle gar keine Ehe wollten, weil sie ihnen nicht artgerecht seien. Solch Essenzialismus, der in Homosexuellen nur das Andere erkennt, hat sich in der Realität als verfehlt erwiesen. Auf ein Recht, auch in feministischer Hinsicht eine alte Weisheit, kann man nur verzichten, wenn man’s hat.
So war das auch vor etwa 100 Jahren, als es um das Wahlrecht für Frauen ging: Die Argumente gegen die Abstimmungsfähigkeit für Frauen waren ungefähr die gleichen wie die gegen Homosexuelle in puncto Ehe. Es gibt leider keine wissenschaftlichen Mühen, den Einfluss der Homo-Ehe als Recht auf die immer noch durch die NS-Zeit traumatisierten homosexuellen Männer und Frauen zu ermessen.
Viele BürgerrechtlerInnen aus der queeren Szene gehen davon aus, dass die Eingetragene Lebenspartnerschaft die Präsenz von Lesben und Schwulen in der Öffentlichkeit und in ihren Familien stabilisiert: Das Recht auf eine standesamtliche Trauung hat das Homosexuelle schlechthin lebensweltlich entdramatisiert.
Eine Frage der Selbstachtung
Aber was heißt schon Heirat? Zwar benutzen die meisten, die eine Eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sind, schon aus Gründen der Selbstachtung dieses Wort – und eben nicht das eher für berufliche Kanzleiverhältnisse geeignete „Partnerschaft“ –, aber das ist eben der Stand des politischen Kompromisses an dieser Front hierzulande: Wer beim Standesamt gleichgeschlechtlich eingetragen werden möchte, hat faktisch, bis auf die Frage der Adoption, die gleichen Rechte und Pflichten wie heterosexuelle Menschen.
Nur Ehe darf es nicht heißen, auf diese Differenz kommt es dem Gros der Heterosexuellen, den Konservativen vor allem, an. Zwischen 2001 und heute musste noch der geringste rechtliche Unterschied zur Hetero-Ehe vor hohen Gerichten beklagt werden – und meist war es das Karlsruher Bundesverfassungsgericht, das der Union Beine machte. Doch der Unterschied soll wenigstens vom Namen her bleiben, damit die Illusion des heterosexuellen Privilegs erhalten bleiben kann.
Dabei wäre es doch so einfach, es reicht ein Blick in die USA, nach Skandinavien, nach Spanien, Portugal oder Irland: Es gibt nur eine Ehe. Zwei Leute heiraten, gleich in welcher geschlechtlichen Kombination. Der Supreme Court sprach sein Urteil im Sommer vorigen Jahres, das erzkatholische Irland entschied sich für die Öffnung der Ehe in einem Plebiszit zur gleichen Zeit.
Deutschland hinkt diesem Schritt der vollständigen Säkularisierung des Eherechts hinterher, und das mit christlich-grundierter Absicht. Die Argumente aus der Union – aus der AfD ohnehin, die will in puncto Geschlechterdemokratie die Uhren lieber gleich sechzig Jahre zurückstellen – sind immer die gleichen: Die Ehe sei biblisch für zwei Personen gleichen Geschlechts nicht begründbar. (Unfug, nebenbei: In der Bibel steht zur Ehe gar nichts.) Hauptsächlich geht es darum, das heterosexuelle Privileg zu retten. Nur zwei Menschen verschiedener Geschlechter sollen die höchsten bürgerlichen Personenstandsweihen erhalten können – Homosexuelle dürfen nach diesem Verständnis im Rang ersichtlich Entwerteter sich verpartnern.
Auf die Gesindeplätze verwiesen
So tickt das christliche Milieu eben, und auch viele in sozialdemokratischen Umwelten: In der heterosexuellen Mehrheit mit vollem Bewusstsein, Homosexuellen nicht die gleichen Rechte zuteil kommen zu lassen, ihnen höchstens auf den Gesindeplätzen des bürgerlichen Lebens Platz zu erteilen. Verfassungsrechtlich wäre es möglich, so formulierte es Karlsruhe schon vor genau 15 Jahren: Wenn der Gesetzgeber es will, kann die Ehe im Sinne des Artikel 6 des Grundgesetzes vollständig Homosexuelle integrieren.
Wie gesagt: Er muss es nur wollen. Anders als die herrschende Staatsrechtslehre bis 2000 fußt ein modernes Verständnis vom Grundgesetz nicht auf der nur moralischen Annahme, eine Ehe müsse aus Mann und Frau bestehen. Bevölkerungspolitik – also eine Ehe zwecks Kinderproduktion – ist verfassungsrechtlich ohnehin nicht begründbar.
Tatsächlich muss eine Ehe als Verantwortung zweier Menschen auf längere Frist mit Schutz vor Erbnachstellern elterlicher oder geschwisterlicher Art verstanden werden. Eine Ehe hat die Liebe zum Kern, nicht notwendig die Produktion von Kindern. So gesehen muss die strikt heteronormative Konstruktion – das Eheprivileg nur für Heteros – getilgt werden. Noch ist man dies nicht gewohnt. Aber wer kundtut, heiraten zu wollen, müsste sich stets auf diese Frage einstellen: „Prima, Glückwunsch. Mann oder Frau?“
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