+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Raketenangriff auf Odessa
Fünf Menschen starben beim Beschuss der Hafenstadt. Altkanzler Schröder will weiter vermitteln. Und der UN-Generalsekretär wird nach Kiew und Moskau reisen.
Fünf Tote bei Angriff auf Odessa
Bei einem russischen Raketenangriff auf die Hafenstadt Odessa sind nach ukrainischen Regierungsangaben mindestens fünf Menschen getötet worden. Unter den Toten sei ein drei Monate altes Baby, berichtete Andrij Jermak, Stabschef von Präsident Wolodymyr Selenskyj, am Samstag. Zuvor meldete Anton Geraschtschenko, ein Berater des ukrainischen Innenministers, dass die russische Armee mindestens sechs Marschflugkörper auf Odessa abgefeuert habe. Truppen der Ukraine hätten einige der Lenkflugkörper abschießen können, doch mindestens eines sei gelandet und explodiert, schrieb er auf Telegram. Bewohner hätten in verschiedenen Gebieten Explosionen gehört. „Wohngebäude wurden getroffen“. (ap)
Altkanzler Schröder will weiter im Krieg vermitteln
Altkanzler Gerhard Schröder hat sich erneut zur Vermittlung im Ukraine-Krieg bereiterklärt. „Ich habe immer deutsche Interessen vertreten. Ich tue, was ich kann. Wenigstens eine Seite vertraut mir“, sagte der frühere SPD-Chef und heutige Lobbyist für russische Energie-Unternehmen der New York Times. Man müsse nun so schnell wie möglich zu einer Friedenslösung kommen. „Ich denke, dieser Krieg war ein Fehler, und das habe ich auch immer gesagt.“
Schröder war im März nach Moskau gereist, um mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu sprechen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war über die Reise nach eigenen Angaben nicht informiert. Zu den Details des Gesprächs mit Putin äußerte sich der 78-Jährige Schröder in dem Interview nicht und verriet nur so viel: „Was ich Ihnen sagen kann ist, dass Putin daran interessiert ist, den Krieg zu beenden. Aber das ist nicht so leicht. Da gibt es ein paar Punkte, die geklärt werden müssen.“ (dpa)
Russischsprachige demonstrieren in Riga gegen Krieg
Bei einer Protestaktion in Lettland haben am Samstag mehrere Hundert Menschen in der Hauptstadt Riga gegen den russischen Angriff auf die Ukraine protestiert. Unter dem Motto „Russische Stimme gegen den Krieg“ versammelten sich Angehörige der großen russischsprachigen Minderheit in dem baltischen EU- und Nato-Land am Freiheitsdenkmal in der Innenstadt. Die Demonstranten hielten Plakate hoch, schwenkten ukrainische Fahnen und forderten ein sofortiges Ende des Krieges.
Mit dem Protest sollte nach Angaben der Organisatoren gezeigt werden, dass Russischsprachige in Lettland weder Russlands Angriff auf die Ukraine noch die russische Staatsführung unterstützen. Lettland mit seinen 1,9 Millionen Einwohnern grenzt an Russland und dessen Verbündeten Belarus. In dem baltischen EU- und Nato-Staat lebt eine starke russischsprachige Minderheit. (dpa)
Guterres wird Putin und Selesnkyj treffen
UN-Generalsekretär Antonio Guterres wird am Donnerstag mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Außenminister Dmytro Kuleba zusammentreffen. Er hoffe, darüber zu sprechen, was getan werden könnte, um der Ukraine so bald wie möglich Frieden zu bringen, teilte Guterres stellvertretende Sprecherin Eri Kaneko am Freitag in New York (Ortszeit) mit. Zuvor wird Guterres am Dienstag nach Moskau reisen. Dort sind Gespräche mit Präsident Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow geplant. (rtr)
Heftige Kämpfe in der Ostukraine
Die russischen Streitkräfte setzen nach ukrainischen Angaben ihre Offensive im Osten der Ukraine fort. Dabei versuchten sie, die volle Kontrolle über die Separatisten-Regionen Donezk und Luhansk zu erlangen und eine Landverbindung zu der 2014 annektierten Halbinsel Krim herzustellen, teilt der ukrainische Generalstab in einem morgendlichen Lagebericht mit. Zudem gebe es eine Teilblockade der Millionenstadt Charkiw im Nordosten des Landes durch die russischen Truppen.
Insbesondere alle ukrainisch kontrollierten Städte in der Region Luhansk liegen nach Angaben der dortigen Behörden unter ständigem Beschuss der russischen Streitkräfte. Der Beschuss nehme zudem weiter zu, sagt Regionalgouverneur, Serhij Haidai im Fernsehen. Die ukrainischen Streitkräfte hätten sich aus einigen Ortschaften zurückgezogen, um sich neu zu formieren. Dies sei aber keine entscheidender Rückschlag. Russland bestreitet, zivile Gebiete anzugreifen.
Den russischen Streitkräften sind laut britischen Angaben in den vergangenen 24 Stunden jedoch trotz ihrer verstärkten Angriffe keine größeren Geländegewinne gelungen. Ukrainische Gegenangriffe behinderten weiterhin ein russisches Vorrücken, teilt das britische Verteidigungsministerium aus dem täglichen Lagebericht des Militärgeheimdienstes mit. Zudem sei die südostukrainische Hafenstadt Mariupol anders als von der Führung in Moskau behauptet noch nicht völlig unter russischer Kontrolle. Es gebe dort weiterhin schwere Kämpfe, wodurch auch ein russisches Vorrücken in der Donbass-Region in der Ost-Ukraine erschwert werde. Zudem sei die ukrainische Abwehr gegen Russlands Luft- und Seestreitkräfte in beiden Gebieten weiter sehr stark, hieß es in der Erklärung auf Twitter. Reuters konnte den Bericht nicht sofort verifizieren.
Auch nach ukrainischen Angaben haben die russischen Streitkräfte ihre Angriffe gegen das Gelände des Asov-Stahlwerks in Mariupol wieder aufgenommen. Sie griffen das Werksgelände aus der Luft an und versuchten, die von ukrainischen Kräften kontrollierten Anlagen zu stürmen, sagt Olexij Arestowytsch, einer der Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, im Fernsehen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Donnerstag erklärt, eine Erstürmung des Stahlwerk solle vorerst aufgegeben und stattdessen eine Blockade eingerichtet werden. (rtr)
Erneuter Versuch von Evakuierungen aus Mariupol gescheitert
Ein neuer Versuch zur Evakuierung von Zivilisten aus der südukrainischen Hafenstadt Mariupol ist nach Angaben eines Vertreters der Stadtverwaltung von den russischen Truppen durchkreuzt worden. 200 Einwohner hätten sich am Samstag versammelt, um aus der seit Wochen heftig umkämpften Stadt weggebracht zu werden, doch hätten russische Soldaten die Menge „auseinandergetrieben“, teilte Vize-Bürgermeister Petro Andriuschtschenko im Onlinedienst Telegram mit.
Einige dieser Einwohner seien gezwungen worden, Busse zu besteigen, die sie in eine von den Russen kontrollierte Zone bringen sollte, fügte er hinzu.
Am Morgen hatte die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk einen neuen Evakuierungsversuch für die eingekesselten Zivilisten aus Mariupol angekündigt. Nach ihren Angaben sollten „Frauen, Kinder und Senioren“ nach Saporischschja in Sicherheit gebracht werden. Bereits in der Vergangenheit waren jedoch mehrere Versuche, Fluchtkorridore für Einwohner aus Mariupol zu öffnen, gescheitert. (afp)
Russisches Militär meldet Abschuss von ukrainischem Kampfjet
Das russische Militär hat nach eigenen Angaben einen ukrainischen Su-25-Kampfjet im Region Charkiw abgeschossen. Zudem hätten die Streitkräfte drei ukrainische MI-8-Hubschrauber auf einem Flugplatz in dem Gebiet im Nordosten der Ukraine zerstört, teilt das russische Verteidigungsministerium mit. Von der Ukraine lag dazu zunächst keine Stellungnahme vor. (rtr)
Russland beschuldigt USA einer Provokation mit ABC-Waffen
Die russische Führung beschuldigt die USA einer geplanten Provokation, um Russland den Einsatz von Massenvernichtungswaffen in der Ukraine unterzuschieben. „Die Inszenierung eines Einsatzes von Massenvernichtungswaffen dient dazu, Russland der Nutzung verbotener Waffen zu bezichtigen, um anschließend das sogenannte „syrische Szenario“ zu verwirklichen, bei dem der betreffende Staat wirtschaftlich und politisch isoliert und zudem aus internationalen Organisationen, wie dem UN-Sicherheitsrat ausgeschlossen wird“, sagte der Chef der ABC-Schutztruppen, Igor Kirillow am Samstag. (dpa)
20 Länder nehmen an Ukraine-Konferenz teil
Mehr als 20 Länder haben nach US-Angaben bislang ihre Teilnahme an der Ukraine-Konferenz zugesagt, die am kommenden Dienstag auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein geplant ist. Rund 40 Staaten seien eingeladen worden, teilte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, am Freitag im Pentagon mit. Welche Länder genau schon zugesagt haben, erwähnte er nicht. Auch Nicht-Nato-Staaten seien darunter. Das Treffen finde nicht unter dem Dach des Bündnisses statt.
Zu der Konferenz auf dem Stützpunkt in Rheinland-Pfalz hat US-Verteidigungsminister Lloyd Austin eingeladen. Ein Ziel der Beratungen seien die dauerhafte Sicherheit und Souveränität der Ukraine, hatte Kirby zuvor gesagt. Es solle daher um den Verteidigungsbedarf der Ukraine auch über den aktuellen russischen Angriffskrieg hinaus gehen.
Dass so kurzfristig bereits mehr als 20 Länder zugesagt hätten, sei ein starkes Zeichen für die Bedeutung, die die USA und diese Staaten den Verteidigungsbedürfnissen der Ukraine einräumten, betonte Kirby am Freitag. Es stünden auch noch Antworten eingeladener Länder aus. Die US-Regierung hatte diese Woche neue Militärhilfe in Höhe von 800 Millionen US-Dollar für die Ukraine angekündigt. (dpa)
50 Prozent der Deutschen gegen Lieferung schwerer Waffen
50 Prozent der Deutschen sind laut einer INSA-Umfrage gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine, 43 Prozent sind dafür. Dies berichtet die Bild laut einem Vorabbericht. 55 Prozent der SPD-Wähler sprachen sich demnach gegen, 41 Prozent für die Lieferung aus. Bei den Unionswählern stimmten dagegen 55 Prozent für die Lieferung schwerer Waffen,40 Prozent dagegen. 72 Prozent der Grünen-Wähler sprachen sich laut Umfrage für die Lieferung aus, 25 Prozent dagegen. Befragt wurden laut Bild 1001 Personen. (rtr)
Gerhart Baum: Streit um schwere Waffen ist Gefahr für Ampel
Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum sieht angesichts des Streits über die Lieferung von schweren Waffen in die Ukraine eine Gefahr für die deutsche Regierungskoalition. „Die Lage für die Ampel ist sehr gefährlich, sollte sie für die wichtigen Entscheidungen der nächsten Zeit keine Mehrheit finden,“sagt der 89-jährige FDP-Politiker der Rheinischen Post laut einem Vorabbericht. Wie schon beim Bruch der sozialliberalen Koalition 1982 liege in der Luft, dass die Sozialdemokraten ihren Kanzler im Stich ließen. Die FDP müsse jetzt warnen. „Sie muss außenpolitisch in dieser fundamentalen Krise, in dieser Zeitwende, die alles verändert, denen in der SPD, die wieder zu wackeln beginnen, die Grenzen aufzeigen.“ (rtr)
Sozialverband warnt vor einem vollständigen Energieembargo
In der Diskussion um ein vollständiges Energieembargo gegen Russland werden in Deutschland die warnenden Stimmen immer lauter. Wegen absehbarer Folgen für die Menschen in der Bundesrepublik lehnt auch der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, ein Embargo ab. „Das Risiko dramatischer Folgen für unseren Arbeitsmarkt sollten wir nicht eingehen. Wir können erst aus der Energieversorgung von Russland aussteigen, wenn wir ausschließen können, dass es hier zu großen Verwerfungen führt“, sagte Bauer der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Angesichts der hohen Inflation warnte Bauer schon jetzt vor dramatischen Folgen für ärmere Menschen in Deutschland durch den Krieg in der Ukraine. „Es sind nicht nur die Energiepreise, die unglaublich steigen, sondern auch die Mieten und die Nahrungsmittelpreise. Wenn das so weitergeht, wird die ärmere Bevölkerung, bei der es gar nicht um Wohlstandsverlust geht, weil sie ohnehin kaum über die Runden kommt, über die Maßen leiden.“ Dies könne die Politik nicht dulden.
Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Martin Wansleben, spricht sich gegen einen Energieboykott aus. Ein Gasembargo wäre angesichts der enormen Abhängigkeit von russischen Energielieferungen eine „ziemliche Katastrophe“ wenn man bedenke, dass Gas zur Produktion in der Chemie-, Stahl- und Pharmaziebranche gebraucht werde, sagte er dem Deutschlandfunk. Zwar müsse man alles tun, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu überwinden, aber es sei auch eine „Frage der moralischen Dimension, dass wir uns aktionsfähig halten“. (dpa)
Medwedew: Europa kommt nur 6 Monate ohne russisches Gas aus
Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew verwies in der Nacht zum Samstag via Telegram darauf, dass nach aktuellen Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) Europa höchstens sechs Monate ohne russisches Gas auskomme. „Aber ernsthaft, sie werden keine Woche überleben“, schrieb er und reagierte auf eine Leitlinie der EU-Kommission zu Zahlungen für russisches Gas. Man schätze die „Konsequenz und Prinzipientreue der europäischen Partner“, schrieb Medwedew und fügte einen lachenden Smiley und ein Clown-Emoji hinzu. (dpa)
Republik Moldau besorgt über russische Äußerungen
Das Außenministerium der Republik Moldau hat den russischen Botschafter einbestellt. Man wolle seine „tiefe Besorgnis“ über die Äußerungen eines hochrangigen Militärkommandeurs zum Ausdruck zu bringen, teilt das Außenministerium auf seiner Internetseite mit. Der Vize-Kommandeur des zentralen Militärbezirks Russlands hatte in den russischen Medien gesagt,in Moldau werde die russischsprachige Bevölkerung unterdrückt. Diese Aussagen seien unbegründet, erklärt das Außenministerium. „Moldawien ist ein neutraler Staat, und dieser Grundsatz muss von allen internationalen Akteuren, einschließlich der Russischen Föderation, respektiert werden.“ (rtr)
Selenskyj: Russland will auch andere Länder erobern
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnt, die jüngsten Erklärungen des russischen Militärs zeigten, dass der Einmarsch Russlands in die Ukraine nur der Anfang sei. Danach wollten sie andere Länder erobern. „Alle Völker, die wie wir an den Sieg des Lebens über den Tod glauben, müssen mit uns kämpfen. Sie müssen uns helfen, denn wir sind die Ersten in der Reihe. Und wer wird der Nächste sein?“ Selenskyj reagiert damit auf ein Zitat des Vize-Kommandeurs des zentralen Militärbezirks Russlands, Rustam Minnekayew, in russischen Medien. Demnach will Russland die vollständige Kontrolle über den Donbass im Osten der Ukraine und über deren Süden übernehmen und ein Tor zu Transnistrien öffnen. Transnistrien ist eine abtrünnige Region im Osten der Republik Moldau. (rtr)
Satellitenbilder zeigen mutmaßlich weiteres Massengrab
Neue Satellitenbilder nahe der belagerten ukrainischen Hafenstadt Mariupol zeigen dem Betreiber Maxar zufolge mehrere lange Gräben, die wahrscheinlich als Massengräber dienen. Die Gräben befänden sich auf einem Feld neben einem existierenden Friedhof in der Ortschaft Manush, auf dem erst kürzlich mehr als 200 neue Gräber entdeckt worden seien, teilte das US-Unternehmen mit. (rtr)
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