+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Baerbock äußert sich zurückhaltend
Verteidigungsminister Pistorius will weitere Berichte zu den Explosionen an Nord-Stream-Pipelines abwarten. Die Ukraine will damit nichts zu tun haben.
Baerbock: „Nicht voreilig Schlüsse ziehen“
Außenministerin Annalena Baerbock hat sich zurückhaltend angesichts von Medienberichten über mögliche Urheber der Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 geäußert. „Natürlich verfolgen wir alle Berichte und auch alle Erkenntnisse, die es von unterschiedlichen Akteuren gibt, ganz, ganz intensiv“, sagte die Grünen-Politikerin am Mittwoch bei ihrem Besuch in der Kurden-Hauptstadt Erbil auf eine entsprechende Journalistenfrage. Zunächst müssten aber die zuständigen Behörden ihre Ermittlungen zu Ende führen. Dies sei nötig, damit „wir dann von Seite der Regierung aufgrund dieser Erkenntnisse dann auch Beurteilungen treffen können und nicht voreilig aus Berichten heraus Schlüsse für uns ziehen“.
Die Bundesregierung habe immer wieder deutlich gemacht, dass der Generalbundesanwalt in Karlsruhe für die Ermittlungen zuständig sei. Dieser ermittelt seit Anfang Oktober 2022. „Er hat damit auch die Hoheit über das Verfahren und nicht die Regierung, aufgrund unseres Verständnisses von Rechtsstaatlichkeit“, sagte Baerbock. Sie verwies auf Untersuchungen in Schweden und Dänemark unter Federführung der dortigen Behörden. Natürlich gebe es einen Austausch unter allen ermittelnden Behörden. Die Ministerin erinnerte daran, dass Schweden, Dänemark und Deutschland vor wenigen Tagen den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen darüber informiert haben, dass die Untersuchungen noch laufen und man noch keine Erkenntnisse melden könne.
Im Zusammenhang mit den Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 von Ende September 2022 führen die Spuren laut Recherchen von ARD, SWR und der Zeit in Richtung Ukraine. Unter Berufung auf geheimdienstliche Hinweise hieß es, eine „pro-ukrainische Gruppe“ könnte verantwortlich sein. (dpa)
Pipeline-Lecks: Pistorius will abwarten
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius lehnt eine Stellungnahme zu jüngsten Medienberichten über die Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines ab. Er habe die Recherche-Ergebnisse mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, sagt der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. Es gelte aber abzuwarten, was sich davon wirklich bestätige. Schließlich könne es sich genauso gut um eine „False-Flag-Aktion“ handeln, um pro-ukrainischen Gruppierungen etwas in die Schuhe zu schieben. „Die Wahrscheinlichkeit für das eine wie für das andere ist gleichermaßen hoch“, erklärt Pistorius. „Es hilft uns nicht, auf der Grundlage von solchen Recherchen, die bestimmt mühsam und akribisch gemacht worden sind, jetzt darüber nachzudenken, welche Auswirkungen das auf unsere Unterstützung für die Ukraine hätte.“ (rtr)
Roth fordert mehr Aufklärung
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth, spricht sich nach den jüngsten Medienberichten über die Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines für mehr Aufklärung aus. „Ich hoffe, dass man jetzt auch noch Licht hinter das Dunkel bringen kann, vor allem auch bei der Frage, wer ist denn der eigentliche Auftraggeber“, sagt der SPD-Politiker auf RTL/ntv laut einer Mitteilung der Sender. Man müsse die weiteren Ermittlungen, unter anderem des Generalbundesanwalts, abwarten. Er nehme aber zur Kenntnis, dass die Regierungen in Kiew und Washington eine Beteiligung ausgeschlossen hätten. Er habe keine Lust mehr, sich entsprechende Verschwörungstheorien anzuhören. „Das wird ja auch ganz bewusst von russischer Seite angeheizt.“ (rtr)
Verdächtiges Schiff untersucht
Bei ihren Ermittlungen zu den Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 hat die Bundesanwaltschaft im Januar ein verdächtiges Schiff durchsuchen lassen. Es bestehe der Verdacht, dass es zum Transport von Sprengsätzen verwendet worden sein könnte, die am 26. September 2022 an den Pipelines explodiert waren, teilte eine Sprecherin der Karlsruher Behörde am Mittwoch auf Anfrage mit.
Die Auswertung der sichergestellten Spuren und Gegenstände dauere an. „Die Identität der Täter und deren Tatmotive sind Gegenstand der laufenden Ermittlungen“, hieß es weiter. „Belastbare Aussagen hierzu, insbesondere zur Frage einer staatlichen Steuerung, können derzeit nicht getroffen werden.“
ARD, SWR und die Zeit hatten am Dienstagabend über neue Erkenntnisse der Ermittler berichtet. Dort hieß es unter Berufung auf geheimdienstliche Hinweise, eine pro-ukrainische Gruppe könnte für die Explosionen verantwortlich sein. Beweise dafür, wer diese in Auftrag gegeben habe, seien bislang aber nicht gefunden worden.
Nach diesen Berichten wurde die fragliche Jacht von einer Firma mit Sitz in Polen angemietet, welche „offenbar zwei Ukrainern gehört“. Ein sechsköpfiges Team, bestehend aus einem Kapitän, zwei Tauchern, zwei Tauchassistenten und einer Ärztin, habe den Sprengstoff damit zu den Tatorten gebracht. Welche Nationalitäten diese Leute hätten, sei unklar. Sie hätten offenbar gefälschte Pässe verwendet.
Laut Bundesanwaltschaft fand die Durchsuchung vom 18. bis 20. Januar „im Zusammenhang mit einer verdächtigen Schiffsanmietung“ statt. Im Rahmen der weiteren Ermittlungen werde sämtlichen Hinweisen zur Aufklärung des Sachverhalts nachgegangen. Ein Tatverdacht gegen Mitarbeiter des deutschen Unternehmens, welches das Schiff vermietet habe, bestehe nicht. Weitere Auskünfte könnten derzeit nicht erteilt werden.
Ende September waren nach Explosionen nahe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm insgesamt vier Lecks an den beiden Pipelines von Russland nach Deutschland entdeckt worden. Die schwedischen Sicherheitsbehörden hatten im November festgestellt, dass es sich um schwere Sabotage gehandelt habe – ohne jedoch einen Schuldigen zu benennen. (dpa)
Russland beklagt Ausschluss bei Pipeline-Ermittlungen
Russland verlangt von Staaten der an den Nord- Stream-Pipelines beteiligten Unternehmen, auf schnelle und transparente Untersuchungen der Explosionen zu dringen. Russland dürfe sich weiterhin nicht an den Ermittlungen beteiligen, sagt Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Erst vor einigen Tagen habe Russland entsprechende Mitteilungen Dänemarks und Schwedens erhalten. „Das ist nicht nur seltsam. Das riecht nach einem gigantischen Verbrechen.“ Eigner der in der Schweiz ansässigen Betreibergesellschaft von Nord Stream 1, der Nord Stream AG, sind neben dem russischen Staatskonzern Gazprom unter anderem Wintershall DEA und E.ON aus Deutschland.
Russland wertet die Medienberichte zu den Sabotage-Untersuchungen an den Nord-Stream-Pipelines als Versuch, von den wahren Drahtziehern abzulenken. „Es ist einfach ein Mittel, um den Verdacht von denjenigen in offiziellen Regierungspositionen, die die Angriffe in der Ostsee angeordnet und koordiniert haben, auf irgendwelche abstrakten Personen zu lenken“, erklärt die russische Botschaft in den Vereinigten Staaten auf der Nachrichtenplattform Telegram. „Wir können und wollen nicht an die Unparteilichkeit der Schlussfolgerungen der US-Geheimdienste glauben.“ (rtr)
Ukraine: „Haben nichts mit dem Vorfall in der Ostsee zu tun“
Die Ukraine hat Berichte über eine mögliche Beteiligung an der Sprengung der Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee im September zurückgewiesen. Die Ukraine habe „nichts mit dem Vorfall in der Ostsee zu tun und hat keine Informationen über ‚pro-ukrainische Sabotagegruppen‘“, schrieb der ukrainische Präsidentenberater Michailo Podoljak am Dienstag im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Die New York Times (NYT) hatte am Dienstag berichtet, dass nach Erkenntnissen der US-Regierung eine pro-ukrainische Gruppe hinter dem Sprengstoffanschlag stecke. Verantwortlich seien vermutlich ukrainische oder russische Staatsbürger, sagten demnach mehrere anonyme US-Regierungsvertreter unter Berufung auf neue Geheimdienstinformationen. Hinweise auf eine Verwicklung des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski oder seines engen Umfelds gebe es nicht.
Zeitgleich lieferten Recherchen deutscher Medien einem Bericht der Zeit zufolge Erkenntnisse zur Vorbereitung des Sprengstoffanschlags. Wie die Zeit am Dienstag auf ihrer Website berichtete, hatten gemeinsame Recherchen mit dem ARD-Hauptstadtstudio, dem ARD-Politikmagazin „Kontraste“ und dem SWR ergeben, dass deutsche Ermittlungsbehörden weitgehend rekonstruiert hätten, wie und wann der Sprengstoffanschlag auf die Pipelines Nord Stream 1 und 2 vorbereitet wurde.
Die Explosionen hatten im September in den Wirtschaftszonen Schwedens und Dänemarks in der Ostsee mehrere Lecks in die Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 gerissen, die für den Transport von russischem Gas nach Deutschland gebaut worden waren. Die Pipelines waren zum Zeitpunkt der Explosionen nicht in Betrieb, enthielten aber Gas. Nach Angaben Schwedens wurden Sprengstoffreste nachgewiesen.
Als Drahtzieher der mutmaßlichen Sabotage wurde unter anderem Russland selbst verdächtigt. Die russische Regierung wies dies entschieden zurück und zeigte mit dem Finger auf Washington. Die US-Regierung hatte den Bau von Nord Stream 2 als geopolitisches Druckmittel des Kremls verurteilt. (afp)
Anhaltende Angriffe in Region Bachmut
Das ukrainische Militär berichtet von anhaltenden Angriffen Russlands in der Region Bachmut. Allein bei dem Dorf Orichowo-Wassiliwka rund 20 Kilometer nordwestlich von Bachmut habe es am Vortag mehr als 30 erfolglose Angriffe gegeben, teilt der Generalstab der ukrainischen Armee mit. Gebiete rund um zehn Siedlungen an der Front bei Bachmut seien unter Beschuss genommen worden. „Trotz gravierender Verluste (…) setzt der Feind den Sturm auf Bachmut fort.“ (rtr)
Söldner-Gruppe erklärt Teil Bachmuts für erobert
Der Gründer der Söldner-Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, erklärt, seine Truppen hätten den östlichen Teil der hart umkämpften Stadt Bachmut erobert. „Alles östlich des Bachmutka-Flusses ist vollständig unter der Kontrolle von Wagner.“ Der Bericht konnte unabhängig nicht bestätigt werden. In der Vergangenheit hatten sich ähnliche Äußerungen Prigoschins zum Kampfgeschehen mitunter als voreilig erwiesen. (rtr)
Bericht über neue Militärdoktrin in Belarus
Belarus arbeitet russischen Agenturberichten zufolge wegen der „Eskalation der globalen politischen Spannungen“ an einer neuen Militärdoktrin. Darin soll „im Kontext der Eskalation der globalen geopolitischen Spannungen“ die Umsetzung von Maßnahmen angeordnet werden, „die darauf abzielen, die Unabhängigkeit, die territoriale Integrität, die Souveränität und die verfassungsmäßige Ordnung vor äußeren und inneren Bedrohungen zu schützen“, berichtet die Agentur Tass unter Berufung auf eine entsprechende Anordnung durch den belarussischen Sicherheitsrat. Weitere Einzelheiten über den Inhalt des neuen militärischen Leitfadens wurden zunächst nicht bekannt. (rtr)
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