+++ Nachrichten im Nahostkrieg +++: Militärdienst für Haredim

Israels Justiz stellt die Netanjahu-Regierung vor eine Zerreißprobe. Außenministerin Baerbock besucht Ramallah und reist weiter nach Libanon.

Orthodoxe Juden protesieren

Protest vor dem Gericht: gegen die Wehrpflicht für Orthodoxe Foto: Saeed Qaq/imago

Israels höchstes Gericht: Wehrpflicht gilt auch für Ultraorthodoxe

Auch ultraorthodoxe Männer müssen zum Wehrdienst in der israelischen Armee verpflichtet werden. Dies entschied Israels höchstes Gericht am Dienstag einstimmig. Das Urteil gilt als herber Rückschlag für die rechtsreligiöse Regierung des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.

Die neun Richter in Jerusalem stimmten zwei Petitionen zu, die eine sofortige Einberufung wehrpflichtiger ultraorthodoxer Männer gefordert hatten. „Auf dem Höhepunkt eines harten Krieges ist die Belastung durch eine ungleiche Verteilung der Bürde größer denn je, und erfordert eine Lösung“, hieß es in der Urteilsbegründung. Es gebe keine juristische Grundlage, um Ultraorthodoxe von der Wehrpflicht zu befreien.

Das Thema Wehrpflicht war zuletzt immer mehr zu einer Zerreißprobe für Netanjahus Regierung geworden, die auch über den weiteren Kurs im Gaza-Krieg streitet. Beobachter sehen die Stabilität der Koalition durch den Streit über die Wehrpflicht deswegen gefährdet, weil sie sich auch auf strengreligiöse Partner stützt, die eine Einberufung junger Männer aus ihrer Gemeinschaft strikt ablehnen. Am Streit um ein Gesetz, das schrittweise mehr strengreligiöse Männer zum Dienst an der Waffe verpflichten sollte, war bereits 2018 die Regierungskoalition zerbrochen.

Jahrzehntelang galten Ausnahmen für ultraorthodoxe Männer bei der Wehrpflicht in Israel. Diese waren aber vor drei Monaten ausgelaufen. Netanjahus Regierung gelang es jedoch nicht, ein Gesetz zu verabschieden, das die Erleichterungen zementieren sollte.

Daraufhin ordnete höchste Gericht eine Streichung der staatlichen Subventionen für ultraorthodoxe Männer im wehrpflichtigen Alter, die in Religionsschulen studieren. Die Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara entschied Ende März zudem, das Militär sei verpflichtet, auch die bisher weitgehend befreiten Religionsstudenten einzuziehen. Nach Angaben des Gerichts handelt es sich um 63.000 Männer. (dpa)

Baerbock pocht in Ramallah auf Refrom der PA

Außenministerin Annalena Baerbock setzt mit einem Gespräch mit dem Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mohammed Mustafa, in Ramallah ihre zweitägigen Krisengespräche im Nahen Osten fort. Bei der Unterredung am Dienstagmorgen dürfte es auch um die Reformbemühungen der PA gehen. Die Autonomiebehörde könnte aus Sicht der Grünen-Politikerin in einer Nachkriegsordnung im Gazastreifen eine wichtige Rolle spielen.

Auf der Herzlija-Sicherheitskonferenz in der Küstenmetropole Tel Aviv hatte Baerbock am Montagabend erklärt, wenn man wolle, dass die PA irgendwann die Rolle der legitimen Regierungsbehörde in Gaza übernehme, müsse diese in der Lage sein, dies zu gewährleisten – auch mit Polizei- und Sicherheitskräften. Die Ministerin fordert schon länger eine Reform der Autonomiebehörde. Sie warnte aber: „In der gegenwärtigen Situation ist es gefährlich und kontraproduktiv, etablierte PA-Strukturen zu zerstören und zu destabilisieren.“ Genau dies bewirke aber die illegale Ausweitung israelischer Siedlungsprojekte im Westjordanland.

Ein Treffen Baerbocks mit Netanjahu ist diesmal nicht geplant. Bei der jüngsten Unterredung zwischen beiden Politikern Mitte April war es zu einer lautstarken Auseinandersetzung gekommen. Es ist bereits die achte Reise Baerbocks nach Israel seit der Terrorattacke der Hamas am 7. Oktober. (dpa)

Gespräch mit Benny Gantz

Am Montagabend traf sich Baerbock in Jerusalem mit Ex-General Benny Gantz, der kürzlich Netanjahus Kriegskabinett verlassen hatte, weil die Regierung keinen Plan für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen erarbeitet. Bis heute hat Netanjahu einen solchen Plan nicht vorgelegt – wohl auch, um seine ultrarechten Koalitionspartner, von denen sein politisches Überleben abhängt, nicht vor den Kopf zu stoßen. Diese fordern eine Wiedererrichtung israelischer Siedlungen im Gazastreifen. Über Inhalte des Gesprächs wurde zunächst nichts bekannt.

Am Dienstag will Baerbock auch mit ihrem Kollegen Israel Katz zusammenkommen. Im Mittelpunkt dürften dabei das Vorgehen Israels im Gazastreifen sowie die dramatische humanitäre Lage der Zivilbevölkerung dort stehen. Später ist ein Treffen mit Angehörigen von Entführungsopfern geplant, die weiterhin im Gazastreifen festgehalten werden. (dpa)

Sorge um Eskalation mit der Hisbollah

Vor dem Hintergrund wachsender Sorgen vor einer Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah-Miliz im Libanon fliegt Baerbock am Nachmittag in den Libanon weiter. In der Hauptstadt Beirut sind vor der Rückreise nach Berlin Gespräche mit dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Nadschib Mikati und dem geschäftsführenden Außenminister Abdullah Bou Habib geplant.

Bei der Herzlija-Konferenz hatte Baerbock einen vollständigen und nachweisbaren Rückzug der Hisbollah aus dem Grenzbereich des Libanons zu Israel verlangt. Die Zunahme der Gewalt an der Nordgrenze Israels bereite große Sorgen. „Das Risiko einer unbeabsichtigten Eskalation und eines umfassenden Krieges wächst täglich. Daher ist äußerste Vorsicht geboten“, sagte Baerbock.

Israel will durch diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Miliz hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht – so wie es eine UN-Resolution vorsieht. Notfalls sei Israel aber auch zu einem größeren Militäreinsatz bereit, warnte der israelische Verteidigungsminister Joav Galant kürzlich. (dpa)

Luftangriff in Süd-Gaza – Raketenalarm in Israel

Bei einem israelischen Luftangriff in Chan Junis im Süden des Gazastreifens wurden am Montag nach Krankenhausangaben mindestens sieben Palästinenser getötet. Nach Angaben von Einwohnern der Stadt hatten die Getöteten im Auftrag der Hamas humanitäre Hilfslieferungen begleitetet. Hilfsorganisationen warnen vor dem Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung und Chaos. Erstmals seit Wochen gab es am Montag in der israelischen Küstenstadt Aschkelon wieder Raketenalarm. Nach Angaben von Sanitätern verletzten sich zwei Menschen, als sie in Schutzräume liefen. Mehrere andere erlitten demnach Schocks.

Bei einer Ansprache im israelischen Parlament in Jerusalem bekräftigte Netanjahu, der Krieg werde nicht enden, bevor alle 120 Geiseln – die Lebenden und die Toten – wieder zurückgekehrt seien. „Wir sind dem israelischen Vorschlag verpflichtet, den US-Präsident Biden begrüßt hat. Unsere Position hat sich nicht verändert“, sagte er. Netanjahu unterstrich gleichzeitig das Ziel der Zerstörung der Hamas. Außerdem werde man „um jeden Preis und auf jede Art die Absichten des Irans, uns zu zerstören, vereiteln“. (dpa)

Galant führt Gespräche in Washington

In Washington traf Israels Verteidigungsminister Joav Galant mit US-Außenminister Antony Blinken zusammen. Sie sprachen über die Bemühungen um eine Waffenruhe in Gaza, die zu einer Freilassung der israelischen Geiseln und zu Erleichterungen für die palästinensische Bevölkerung führen könnte. Blinken habe Galant über die aktuellen diplomatischen Bemühungen um Sicherheit und Wiederaufbau in Gaza nach Beendigung des Konflikts informiert, sagte Sprecher Matthew Miller. (dpa)

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