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+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++Berlin nimmt Haftbefehl zur Kenntnis und überlegt

Nach dem Haftbefehl gegen Israels Ministerpräsidenten steckt die Bundesregierung in einer Zwickmühle und will weitere Schritte erst mal prüfen. Orbán dagegen lädt Netanjahu direkt nach Ungarn ein.

2018 in Jerusalem: Benjamin Netanjahu (r.) empfängt Viktor Orbán in seinem Büro Foto: Debbie Hill/AP/dpa

Berlin prüft nach Haftbefehl weiteres Vorgehen

Die Bundesregierung hat noch nicht entschieden, wie sie mit dem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu umgehen will. Regierungssprecher Steffen Hebestreit teilte mit, die daraus folgenden „innerstaatlichen Schritte“ würden gewissenhaft geprüft. Weiteres stünde erst an, wenn ein Aufenthalt von Netanjahu und dem ehemaligen Verteidigungsminister Joav Galant in Deutschland absehbar sei, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin mit.

Deutschland verstehe sich als größter Unterstützer des Gerichtshofs, wie Hebestreit mitteilte. „Diese Haltung ist auch Ergebnis der deutschen Geschichte. Gleichzeitig ist Konsequenz der deutschen Geschichte, dass uns einzigartige Beziehungen und eine große Verantwortung mit Israel verbinden“, ergänzte er. Die Bundesregierung sei an der Ausarbeitung des IStGH-Statuts beteiligt gewesen. Die Entscheidung des Gerichtshofs habe sie zur Kenntnis genommen. (dpa)

Libanon: Weiterer Gesprächsbedarf für Waffenruhe

Bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah sind nach Angaben aus libanesischen Regierungskreisen inzwischen die meisten Details geklärt worden. Uneinigkeit gebe es derzeit aber noch darüber, in welchem Zeitrahmen sich die israelische Armee aus dem Libanon zurückziehe, hieß es. Israel will noch 60 Tage nach Abschluss einer Vereinbarung im Süden des Nachbarlands bleiben, ehe die reguläre libanesische Armee an der Grenze zu Israel stationiert wird. Im Libanon möchte man, dass dies bereits nach sieben Tagen passiert. Ob und wann genau ein Abkommen zustande kommen wird, sei noch unklar, hieß es weiter. Die nächste Woche sei entscheidend.

Ein Hauptstreitpunkt ist laut den libanesischen Sicherheitskreisen weiterhin die israelische Forderung, Handlungsfreiheit mit Blick auf künftige Bedrohungen im Libanon zu behalten. Israelische Medien meldeten unter Berufung auf einen hochrangigen israelischen Verteidigungsbeamten unterdes, es gebe eine große Chance für eine Waffenruhe. US-Vermittler Amos Hochstein war in den vergangenen Tagen im Libanon und Israel, um die Gespräche über eine Waffenruhe voranzubringen. Am Donnerstag hatte er sich unter anderem mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu getroffen. (dpa)

Israel behält umstrittene Haftpraxis bei

Israels neuer Verteidigungsminister Israel Katz will im besetzten Westjordanland die sogenannte Administrativhaft ohne Anklage für israelische Siedler, aber nicht für Palästinenser abschaffen. Dabei sind Palästinenser viel häufiger von der Praxis israelischer Behörden betroffen, die auch deswegen umstritten ist. Im Rahmen der Administrativhaft werden Verdächtige für sechs Monate und länger aus sogenannten Sicherheitsgründen festgehalten. Das ist dann der Fall, wenn die Betroffenen etwa mit einer Straftat in Verbindung gebracht werden, es aber nicht genügend Beweise für eine Anklage gibt. Anwälte beklagen, dass die Inhaftierung in solchen Fällen auf Geheiminformationen basiert und sie deswegen kaum etwas dagegen in der Hand haben. Für Siedler sollen künftig andere „Präventivmaßnahmen“ greifen. Welche das sein sollen, blieb offen.

Laut palästinensischen und israelischen Organisationen sind derzeit mehr als 3.440 palästinensische Häftlinge in Administrativhaft. Israelischen Medien zufolge werden acht Juden auf diese Weise festgehalten. Jüdische Siedler von der Maßnahme zu befreien, begründete der Verteidigungsminister mit „ernsthaften palästinensischen terroristischen Bedrohungen“, denen diese im Westjordanland ausgesetzt seien. Er verurteile zugleich „jegliche Form der Gewalt gegen Palästinenser“, ohne dabei extremistische Siedler konkret als Täter zu benennen. Israelische Aktivisten befürchten Berichten zufolge nun, dass sich diese von Katz' Entscheidung zu Angriffen gegen Palästinenser ermutigt fühlen könnten. (dpa)

USA: „Wir werden immer an der Seite Israels stehen“

US-Präsident Joe Biden verurteilte die internationalen Haftbefehle gegen Israels Premier Netanjahu und den früheren Verteidigungsminister Galant. „Die Ausstellung von Haftbefehlen durch den Internationalen Strafgerichtshof gegen israelische Politiker ist empörend“, wurde Biden in einer Mitteilung des Weißen Hauses zitiert. Die USA erkennen wie Israel den Internationalen Strafgerichtshof grundsätzlich nicht an.

„Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Was auch immer der Internationale Strafgerichtshof andeuten mag, Israel und die Hamas sind nicht gleichwertig – überhaupt nicht“, sagte Biden. „Wir werden immer an der Seite Israels stehen, wenn seine Sicherheit bedroht ist.“ Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, sagte, die USA würden keinen Haftbefehl vollstrecken. (dpa)

Orbán: Haftbefehl würde nicht vollstreckt

Einen Tag nach dem Erlass eines internationalen Haftbefehls gegen Benjamin Netanjahu hat der israelische Ministerpräsident eine Regierungseinladung nach Ungarn erhalten. Ministerpräsident Viktor Orbán sagte am Freitag im ungarischen Rundfunk, er lade Netanjahu ein und garantiere, dass der Haftbefehl nicht vollstreckt werde. Der Haftbefehl sei „falsch“. Netanjahu könne in Ungarn „in angemessener Sicherheit“ Verhandlungen führen. Ungarn hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. (rtr)

Niederländischer Außenminister sagt Israel-Reise ab

Der niederländische Außenminister Caspar Veldkamp hat eine Reise nach Israel verschoben, nachdem sich sein Land zur Vollstreckung eines internationalen Haftbefehls gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bereit gezeigt hat. „Unter den gegenwärtigen Umständen wurde beschlossen, nicht nach Israel zu reisen“, hieß es in einer Erklärung vom Donnerstag, die in Absprache mit dem israelischen Außenminister Gideon Saar getroffen wurde. (rtr)

Kritik aus Argentinien, Ungarn und Österreich

Kritik an dem Haftbefehl kam auch aus anderen Ländern. „Israel ist brutalen Aggressionen, unmenschlichen Geiselnahmen und wahllosen Angriffen auf seine Bevölkerung ausgesetzt. Die legitime Verteidigung einer Nation zu kriminalisieren und gleichzeitig diese Gräueltaten auszublenden, ist ein Akt, der den Geist der internationalen Gerechtigkeit verfälscht“, schrieb der argentinische Präsident Javier Milei auf X. Ungarns Außenminister Peter Szijjarto bezeichnete die Haftbefehle als „schändlich und absurd“, Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg nannte sie „unverständlich und nicht nachvollziehbar“. (dpa)

Iran und Palästinenser feiern Haftbefehle

Der Iran begrüßte die Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant hingegen. „Das ist lobenswert, nur müssen die USA und die Europäer die Haftbefehle auch respektieren und umsetzen“, sagte der außenpolitische Berater des geistigen Führers Ajatollah Ali Chamenei, Kamal Charrasi. Die Entscheidung des Gerichts in Den Haag sei auch beschämend für den Westen, der Israels Handeln im Gazastreifen und im Libanon uneingeschränkt unterstützt habe. Die Hamas bezeichnete die Entscheidung als „wichtigen historischen Präzedenzfall und eine Korrektur eines langen Wegs historischer Ungerechtigkeit gegen unser Volk.“

Auch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland lobte die internationalen Haftbefehle. Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs stelle das Vertrauen in das Völkerrecht und UN-Organisationen wieder her, hieß es in einer Mitteilung der Behörde, die die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa veröffentlichte. Die PA forderte laut der Mitteilung alle Mitgliedstaaten des Gerichtshofes, zu denen auch Deutschland zählt, auf, „die Entscheidung des Gerichts umzusetzen und Verbrecher vor Gericht zu bringen“. (dpa)

Galant: gefährlicher Präzedenzfal

Die Regierungen der Niederlande und Kanadas ließen hingegen durchblicken, dass die Haftbefehle in ihren Ländern auch vollstreckt würden. Sollten andere Staaten ebenso vorgehen, könnte dies die Reisefreiheit des israelischen Regierungschefs empfindlich einschränken.

Israels Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara reagierte wie viele Landsleute empört. „An diesem Tag muss das Offensichtliche gesagt werden: Dem Internationalen Strafgerichtshof fehlt jegliche Autorität in dieser Angelegenheit“, zitierte die Zeitung The Times of Israel aus einer Mitteilung. Selbst Netanjahus innenpolitische Gegner verurteilten die Den Haager Beschlüsse. Ex-Verteidigungsminister Galant schrieb auf der Plattform X, die Haftbefehle gegen ihn und den Ministerpräsidenten schafften „einen gefährlichen Präzedenzfall gegen das Recht auf Selbstverteidigung“. (dpa)

EU: Haftbefehl gegen Netanjahu für EU-Staaten bindend

EU-Chefdiplomat Josep Borrell hingegen bezeichnete den internationalen Haftbefehl gegen Netanjahu als bindend für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Als Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs seien die EU-Länder verpflichtet, die gegen Netanjahu, Galant und Deif verhängten Haftbefehle umzusetzen, sagte er während eines Besuchs in der jordanischen Hauptstadt Amman. Es handle sich nicht um eine politische Entscheidung, sondern um einen Gerichtsbeschluss, betonte der Spanier. „Die Entscheidung des Gerichtshofs muss respektiert und umgesetzt werden.“ (dpa)

Libanon: Zahl der Toten steigt auf 51 an

Bei israelischen Angriffen auf verschiedene Ziele im Libanon sind nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums am Donnerstag mindestens 51 Menschen getötet worden. Dem Ministerium zufolge sind im Ostlibanon 40 Menschen in zehn verschiedenen Städten der Provinz Baalbek getötet worden. Rettungskräfte suchten unter den Trümmern der zerstörten Gebäude, sagte Gouverneur Bachir Chodr und sprach von einem „sehr gewalttätigen Tag“ in seiner Provinz. Im Südlibanon wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums fünf Menschen bei einem israelischen Angriff in der Provinz Tyrus und sieben weitere bei einem Angriff in der Provinz Nabatije getötet.

Laut dem Gesundheitsministerium kamen seit Beginn des Kriegs zwischen der militant-islamistischen Hisbollah-Miliz und Israel im Libanon mehr als 3500 Menschen ums Leben, die meisten von ihnen seit der Konflikt zwischen den beiden Seiten Ende September eskalierte. (ap)

Netanjahu weist Anschuldigungen zurück

Nach der Erteilung des Haftbefehls gegen ihn hat Israels Regierungschef Benjamin die Anschuldigungen des Internationalen Strafgerichtshofs zurückgewiesen. „Wir werden beschuldigt, die Bevölkerung hungern zu lassen“, sagte er in einer Videoansprache. Israel habe während des Kriegs „Hunderttausende Tonnen Lebensmittel“ in den Gazastreifen gebracht, verteidigte er sich.

Die Richter in Den Haag sehen ausreichende Gründe für die Annahme, dass Netanjahu absichtlich und wissentlich der Zivilbevölkerung im Gazastreifen wesentliche Dinge für ihr Überleben wie etwa Nahrung, Wasser und Medikamente vorenthalten hat. Netanjahu wird von dem Weltstrafgericht auch deshalb mit Haftbefehl gesucht, weil er im Verdacht steht, direkte Angriffe auf die Zivilbevölkerung ohne militärischen Zweck zu erlauben. Er beschuldigte hingegen die Hamas, sich hinter Zivilisten im Gazastreifen zu verstecken. Israel erkenne die Entscheidung des Gerichts nicht an, betonte der Regierungschef. (dpa)

Human Rights Watch begrüßt Haftbefehle

Menschenrechtsgruppen begrüßten den Schritt des Internationalen Gerichtshofs. Die Haftbefehle gegen beide Seiten „durchbrechen den Eindruck, dass bestimmte Personen außerhalb der Reichweite des Gesetzes stehen“, sagte der stellvertretende Direktor für internationale Justiz von Human Rights Watch, Balkees Jarrah, in einer Erklärung.

Die Türkei zählt zu den heftigsten Kritikern des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen. Die türkische Regierungspartei AKP nahm die Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant demnach ebenfalls positiv auf. Damit habe der IStGH ein Urteil zum Wohle der Menschheit gefällt, hieß es am Donnerstag. AKP-Sprecher Ömer Celik teilte auf der Plattform X mit, die beiden Israelis würden „letztendlich wegen Völkermord zur Verantwortung gezogen“. Er kritisierte israelische Vertreter, die das Vorgehen des Internationalen Strafgerichtshofs als antisemitisch bezeichnet haben. (ap)

Israel: Angriff aus dem Jemen gestoppt

Die israelische Luftwaffe hat nach eigenen Angaben eine Rakete aus dem Jemen abgefangen. Das Geschoss sei noch außerhalb der Landesgrenzen gestoppt worden, teilte Israels Armee mit. In der Nähe des Toten Meeres im Süden Israels sowie im Westjordanland gab es demnach zeitweise Raketenalarm. Die Huthi-Rebellen im Jemen, die Israel bereits öfter aus dieser Richtung mit Raketen und Drohnen angegriffen haben, äußerten sich zunächst nicht zu dem Vorfall. (dpa)

Hamas-Behörde: Totenzahl im Gazakrieg übersteigt 44.000

Seit Beginn des Gazakriegs vor mehr als 13 Monaten sind im Gazastreifen nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 44.000 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 104.000 weitere Palästinenser seien in dem Zeitraum verletzt worden, teilte die Behörde mit. Allein in den vergangenen 24 Stunden soll es demnach 71 Todesopfer bei israelischen Angriffen gegeben haben. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Sie unterscheiden auch nicht zwischen Kombattanten und Zivilisten. Auslöser des Gazakriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1.200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. (dpa)

Netanjahu: Haftbefehl „antisemitische Entscheidung“

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat die internationalen Haftbefehle gegen sich und Ex-Verteidigungsminister Joav Galant als „antisemitische Entscheidungen“ bezeichnet. Sie sei von „voreingenommenen Richtern getrieben von antisemitischem Hass gegen Israel“ getroffen worden, stand in einer Erklärung seines Büros.

Zuvor hatte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Haftbefehle gegen die beiden Israelis sowie gegen den militärischen Anführer der Terrororganisation Hamas, Mohammad Diab Ibrahim Al-Masri, auch bekannt als Mohammed Deif, erlassen. Der soll jedoch bei einem israelischen Angriff im Gazastreifen im Juli getötet worden sein. Die Richter in Den Haag stimmten damit einem Antrag des Chefanklägers Karim Khan vom Mai zu. Netanjahu und Galant stehen demnach unter dem Verdacht von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit seit dem 8. Oktober 2023 im Gazastreifen. (dpa)

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17 Kommentare

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  • Gerade eben, um Israel vor dem völligen Abrutschen zu schützen, sind Völkerrecht und Kriegsrecht so wichtig, wichtiger als eine Angst, von Springerpresse und Netanyahu wieder völlig absurde Sachen vor den Bug zu bekommen.



    Netanyahu vernebelt alles, indem er (m.E. aktuell sehr nachvollziehbare) Kritik an seinem Handeln und seiner Person pauschal in die Antisem-Ecke zu stellen versucht. Ein Aufenthalt in den Zellen von Den Haag ist dabei noch keine rechtskräftige Verurteilung. Israel sollte ihn überstellen und die Hamas die Ihren auch, wenn sie noch nicht mit -zig Zivilisten dabei schon außerhalb rechtlicher Prozeduren getötet wurden.

  • Für mich ist entscheidend, wie die jüdischen Reaktionen ausfallen (damit meine ich alle neben der Reaktion der israelischen Regierung, die man noch als befangen betrachten könnte): Wer will sich bitte das Recht nehmen, Juden zu maßregeln, wenn diese den Haftbefehl des IStGH als antisemitisch empfinden? Wer sollte das besser spüren und wissen als sie selbst? Maßen wir Deutsche uns das an? Ein Hr. Borell? Die in Teilen rechtspopulistische Regierung der Niederlande?

  • Zugegeben: bei neuerlichem Nachdenken über diesen internationalen Haftbefehl gegen Netanyahu und Gallant kommen mir doch leise Zweifel, ob das nicht doch ein fataler Schnellschuss war.



    Nicht dass ich denke, der Haftbefehl wäre NICHT gerechtfertigt oder die Entscheidung irgendwie antisemitisch/israelfeindlich motiviert, nein.



    Aber schon die demonstrative Einladung Orbans an Netanyahu zeigt, wie schnell so eine Entscheidung zum Spielball politischer Interessen werden kann, hier im Sinne einer globalen rechten Strategie, internationales Recht zugunsten des Rechts der Stärkeren auszuhebeln und die Vereinten Nationen nachhaltig zu delegitimieren.



    Herr Khan, könnte es sein, dass Sie damit dem IStGH möglicherweise ein kapitales Eigentor geschossen haben?

    • @Abdurchdiemitte:

      Ohne auf das Verhalten von Netanyahu einzugehen:



      Orban demonstriert wieder mal seinen Charakter. (Eigentlich sieht man bei ihm schon auf den ersten Blick, wie er tickt.) Die Frage für mich ist: Wie sehr stehen die Ungarn wirklich dahinter?

    • @Abdurchdiemitte:

      Das Recht soll den Interessen einer Regierung folgen? Mal passt es (Putin, Milosevic, Al Mahdi etc.), mal nicht?



      Genau das versuchen Autokraten von Orban bis Trump: Das Recht hat sich politischer Freund-Feind Bestimmungen anzupassen. Gottlob haben die Richter und der Ankläger dem politischen Druck - auch Deutschlands - und den Manövern zur De-Legitimierung nicht nachgegeben. Ein historisches Urteil, das die internationale Rechtsordnung stärkt.

    • @Abdurchdiemitte:

      Ich glaube nicht, dass ein Gericht sich von solchen Erwägungen leiten lassen sollte - andernfalls würde die Gültigkeit von Recht an die politische Opportunität gebunden, was ja genau das ist, was man dem ICC allzu oft und angesichts der bisher Angeklagten auch nicht zu Unrecht vorgeworfen hat. Ohnehin würde ich die Bedeutung Orbans nicht überschätzen: ein erheblicher Teil der Welt - und zwar nicht nur der globale Süden - sondern auch europäische Staaten begrüssen es, wenn der ICC endlich klarstellt, dass niemand über dem Recht steht. Es wäre vermutlich ein viel größeres Eigentor gewesen, wenn man auf die Haftbefehle verzichtet hätte, denn dann wäre einmal mehr der Eindruck entstanden, dass der ICC ein westliches Instrument ist, um Afrikaner und Russen abzustrafen, während man sich selbst für immun wähnt.

      • @O.F.:

        Schon richtig, nur mache ich mir halt doch ein wenig Sorgen, was passiert, wann bald niemand mehr da ist, internationales Recht durchzusetzen und zu verteidigen.



        Wenn Trump in nicht allzu ferner Zukunft Netanyahu in Washington empfangen sollte - wir wissen es ja nicht, ob er tatsächlich so weit gehen würde, vorstellbar aber ist es durchaus - , ja, dann stände der IStGH mit ziemlich kurzem Hemd da bzw. wie ein König ohne Land.



        Alle politischen Druckmittel, Israel wenigstens zu einer Feuerpause in Gaza zu bewegen, sind gescheitert oder von seinen Verbündeten gar nicht erst ernsthaft erwogen worden. Und jetzt soll es die Legislative richten? Netanyahu weiß doch, dass er Israel überhaupt nicht verlassen bzw. bei seinen Verbündeten auf diplomatische Werbetour gehen muss, um weiter einen Freifahrtschein für sein politisches Handeln zu bekommen.



        Nach Südafrika oder Nicaragua muss er ohnehin nicht reisen, in die EU schickt er dann beispielsweise seinen Wirtschaftsminister, gegen den schließlich kein Haftbefehl besteht.

        • @Abdurchdiemitte:

          Die Sorge Teile ich auch, allerdings glaube ich, dass der Haftbefehl dem eher entgegenwirkt; zumindest der Vorwurf, der IStGH würde nur gegen Afrikaner (und, in jüngerer Zeit, gegen Russen) ermitteln, ist damit widerlegt. Wenn einzelne Staaten den Haftbefehl nicht vollstrecken, fällt das eher auf diese zurück, dann zumindest, wenn der öffentliche Druck hoch bleibt, den Haftbefehl auch zu vollstrecken (und das ist vielleicht die wichtigste Aufgabe der kritischen Öffentlichkeit). Ob die USA Netanjahu empfangen, ist dabei vielleicht gar nicht so wichtig, weil sie den IStGH ohnehin nicht anerkennen. Aber wenn Netanjahu zumindest in wichtige Staaten in Europa und Lateinamerika nicht mehr einreisen kann, wäre das ein Zeichen (Deutschland wird sich wohl stillschweigend aus der Affäre ziehen und Netanjahu einfach nicht mehr einladen).

  • Wo bleibt eigentlich zumindest die Ankündigung einer Ermittlung und Anklage innerhalb Israels? Habe ich etwas verpasst?



    Dort zumindest sollte doch noch der rechtsstaatliche Anspruch so etwas nach sich ziehen.

  • Zu Biden: was empörend ist, ist dass er als Präsident gegen amerikanisches Gesetz verstößt um weiterhin Waffen zu liefern. "The United States can not provide weapons to countries that violate internationally recognized human rights or blocks US humanitarian aid" Foreign assistance act/ Leahy law



    Und es ist auch empörend wie der Westen oder zumindest einige westliche Staaten sich mal wieder aussuchen wollen, wann sie Gesetze einhalten wollen oder den Gerichtshof beachten wollen und wann nicht. Wie hier mittlerweile internationales Recht von Staaten untergraben wird, die sich mal dafür stark gemacht haben das es dieses Recht gibt, ist auch empörend. Mir scheint es langsam wirklich so als würde man hier glauben das für uns und unsere westlichen Freunde andere Regeln/ Gesetze gelten sollen als für den Rest der Welt. Oder wie sagte ein Politiker zu Karim Khan: "the ICC was built for Africa and thugs like Putin"- Und genau so kommt es mir hier langsam vor. Da muss ich mich nicht wundern das hier oft so gehandelt wird als würden Menschenrechte und Völkerrecht eine Hautfarbe haben und je dunkler man ist, desto weniger Rechte hat man scheinbar.

  • Biden ist nicht am Punkt.



    Die Frage ist: Was Netanyahu und seine Gesellen da gerade abziehen, von Kriegseskalation, Vertreibung, Schikanierung, Tötung, ist das gedeckt vom Völkerrecht und Kriegsrecht oder nicht? Ist es womöglich sogar Genozid? Ist es zumindest eine Straftat?



    Und dafür spricht einiges. Das sollte geprüft werden, wie bei Putin, Hamas, Assad, ... auch, doch natürlich komplett unabhängig davon.

    Nach dem Wahlkampf zumindest sollte Biden schleunigst wenigstens zwei Monate lang ein USA präsentieren, das neutral und fair im Nahen Osten ist.

  • Dies ist die Stellungnahme der Vereinigten Staaten zum Haftbefehl gegen Netanyahu und Galant:

    „Die Vereinigten Staaten lehnen die Entscheidung des Gerichts, Haftbefehle gegen hochrangige israelische Beamte auszustellen, grundsätzlich ab. Wir sind zutiefst besorgt über die Eile des Anklägers, Haftbefehle zu beantragen, und über die besorgniserregenden Verfahrensfehler, die zu dieser Entscheidung geführt haben“.

    „Die Vereinigten Staaten haben klar gemacht, dass der IStGH in dieser Angelegenheit keine Zuständigkeit hat. In Abstimmung mit Partnern, einschließlich Israel, diskutieren wir über die nächsten Schritte.“

    Ich erwarte, dass Deutschland diese Erklärung in den kommenden Tagen wortwörtlich wiederholen wird.

    • @Kat Blanche:

      Ich hoffe eher nicht, denn das wird uns Deutschland dann früher oder später auf die Füße fallen.



      Dann können andere zurecht sagen: Einseitig und nur dem eigenem Empfinden nach und nicht nach Recht und Gesetz.



      "Werte Westen" 《- Ja das würde es dann zu 100% treffen.



      Man kann nicht den einen für das andere anklagen und beim anderen weg sehen.

      Desweiteren: eine Anklage ist noch keine Verurteilung. Warum kommt es mir hier nur so vor als ob das gleich gesetzt wird?



      Angst das sich der Vorwurf bestätigen könnte?

  • "Biden nennt Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant „empörend“"



    Nur konsequent für den Präsidenten eines Landes, das mit internationaler Gerichtsbarkeit nichts am Hut hat.



    Unschön ist es dennoch. Hört sich so nach empfundener Majestätsbeleidigung an.



    "Orban lädt Netanjahu nach Ungarn ein."



    Alles ist Recht, um die europäischen Partner ans Bein zu pinkeln. Hat der eigentlich kein anderes Hobby?



    "Borell nennt Haftbefehle dagegen bindend."



    Eine Binse, sollte man meinen.

  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    „Die Richter in Den Haag sehen ausreichende Gründe für die Annahme, dass Netanjahu absichtlich und wissentlich der Zivilbevölkerung im Gazastreifen wesentliche Dinge für ihr Überleben wie etwa Nahrung, Wasser und Medikamente vorenthalten hat.“



    Es war aber die UNRWA selbst, die am 18. November 2024 auf X (ehemals Twitter) das folgende Statement im Wortlaut veröffentlichte (x.com/UNRWA/status/1858521152483705001):

    “A joint 109-truck @UN convoy carrying food supplies to people in #Gaza was violently looted on 16 November. The vast majority of the trucks, 97 in total, were lost and drivers were forced at gunpoint to unload aid.”

    Es ist Dreyfus 2.0.

    • @Michaela Dudley:

      Die Erklärung vom ICC sagt eindeutig das sich die Haftbefehle auf Taten beziehen die sich zwischen 8. Oktober 2023 bis 20 Mai 2024 zugetragen haben. Ihr Einwand von Ereignissen vom 18. November 2024 ist damit erstmal nichtig.



      Des Weiteren haben ihre Kollegen von der israelischen Haaretz und der amerikanischen Washington Post bereits recherchiert, wer dort Hilfslieferungen stiehlt und die Hintergründe, die ev. auch für den ICC interessant sein könnten:



      www.haaretz.com/is...-a3db-57ff16af0000



      www.washingtonpost...oys-israel-famine/



      Zudem haben die USA bereits vor Monaten Israel davor gewarnt, die Polizei in Gaza anzugreifen, weil diese nämlich für die Sicherheit bei den Hilfslieferungen gesorgt hat. Da hat man sich aber scheinbar nicht belehren lassen. www.axios.com/2024...hamas-police-biden



      Und zuletzt scheint sich jemand um die Gangs zu kümmern, nur nicht der den man vermutet: www.jpost.com/brea...ews/article-829641

    • @Michaela Dudley:

      Es gibt einen lesenswerten Artikel in der Washington Post über die Plünderungen der Hilfskonvois: www.washingtonpost...oys-israel-famine/

      Dem Bericht zufolge scheint Israel gezielt Hilfskonvois durch unsichere Gebiete zu schicken, die unter der Kontrolle der IDF stehen. Dort werden diese Konvois regelmäßig unter Duldung der IDF und z.T. sogar deren Schutz von kriminellen Organisationen überfallen, die mit der Hamas verfeindet sind.

      Was könnte das Ziel dahinter sein? Israel kann den Anschein erwecken, großzügig Hilfsgüter ins Gebiet zu lassen, obwohl diese durch die Überfälle letztlich nicht bei der Bevölkerung ankommen. Gleichzeitig lässt sich die Verantwortung für die Plünderungen bequem der Hamas zuschieben.

      Wer sich die Situation genauer ansieht, wird erkennen, dass Israel mit den vorhandenen Mitteln leicht sicherstellen könnte, dass die Konvois unversehrt bleiben – wenn dies tatsächlich beabsichtigt wäre.