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+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++Israel deckt Tunnelsystem auf

Das israelische Militär legt im Gazastreifen einen großen Tunnelschacht der Hamas frei. Frankreich warnt vor Eskalation an der Grenze Israels zum Libanon.

So breit wie ein Auto: Israelische Soldaten laufen durch einen grenznahen Tunnel im Gazastreifen Foto: Amir Cohen

☛ Eskalationsgefahr im israelisch-libanesischen Grenzgebiet

Huthi-Milizen greifen Ziele im Roten Meer an

Großer Tunnel im Gazastreifen nahe der Grenze

Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben im Gazastreifen nahe einem einst stark frequentierten Grenzübergang einen Tunnelschacht entdeckt. Der Tunneleingang liegt demnach nur wenige hundert Meter vom Übergang Erez und einem nahe gelegenen israelischen Militärstützpunkt entfernt. Die Angaben vom Sonntag warfen neue Fragen auf, wie der israelischen Aufklärung solch auffallende Vorbereitungen der militant-islamistischen Hamas für den Terrorangriff vom 7. Oktober entgehen konnten.

Laut Militär erstreckt sich der Tunnel über vier Kilometer, ist breit genug für Fahrzeuge und verbunden mit einem weitverzweigten Tunnelnetzwerk unter dem Gazastreifen. Er habe die Passage von Fahrzeugen, Extremisten und Ausrüstung zur Vorbereitung des Terrorangriffs ermöglicht.

Am 7. Oktober durchbrachen Extremisten mit einer Panzergranate den Mauerabschnitt in der Nähe des Erez-Grenzübergangs und stürmten den Stützpunkt, wobei sie laut Armee mindestens drei Soldaten töteten und einige nach Gaza entführten. Es war eine von mehreren Stellen entlang des Grenzwalls, an denen Extremisten die israelischen Sicherheitsvorkehrungen leicht überwinden konnten, auf israelisches Gebiet vordrangen, etwa 1.200 Menschen ermordeten und etwa 240 weitere als Geiseln nahmen.

Israel reagierte auf den beispiellosen Angriff mit Luftangriffen und einer Bodenoffensive. In dem seit mehr als zehn Wochen andauernden Krieg wurden nach Angaben des der Hamas unterstehenden Gesundheitsministeriums im Gazastreifen mehr als 18.000 Menschen getötet. Die Zahl lässt sich nicht überprüfen. Israel nennt als eines seiner wesentlichen Kriegsziele eine Zerstörung der Tunnel, von denen viele nach Militärangaben unter Schulen, Krankenhäusern und Wohngebieten verlaufen.

Militär, Geheimdienste und Politiker stehen in Israel in der Kritik, weil sie den Terrorangriff nicht hatten kommen sehen. Militärsprecher Nir Dinar sagte, die Sicherheitsdienste hätten nichts von dem Tunnel gewusst, weil die Grenzverteidigung nur Tunnel aufgespürt habe, die nach Israel führen sollten. „Soweit ich weiß, führt dieser Tunnel nicht von Gaza nach Israel und hört innerhalb von 400 Metern vor der Grenze auf“, sagte Dinar. Der Eingang liege unter einer Garage, so dass er für Drohnen und auf Satellitenbildern nicht sichtbar gewesen sei.

Der stark befestigte Grenzübergang Erez diente der Einreise von Palästinensern nach Israel zur Arbeit, zu medizinischer Versorgung und dem Transit nach Jordanien. Der Übergang wurde von Sicherheitskameras, Militärpatrouillen und dem angrenzenden Militärstützpunkt geschützt. Er wurde bei dem Terrorangriff stark beschädigt und ist seither geschlossen.

Laut Armee wurden in dem Tunnel Waffen gefunden. Nach aktuellem Stand „ist das der größte Tunnel in Gaza“, sagte Militärsprecher Daniel Hagari am Freitag. Ob er am 7. Oktober genutzt wurde, ist unklar. (ap)

Frankreichs Außenministerin fordert Deeskalation

Angesichts der zunehmenden Spannungen im israelisch-libanesischen Grenzgebiet hat die französische Außenministerin Catherine Colonna alle Konfliktparteien einschließlich Israel zur Deeskalation aufgerufen. „Die Eskalationsgefahr bleibt, (…) und wenn die Dinge außer Kontrolle geraten, glaube ich nicht, dass irgendjemand davon profitiert, und ich sage das auch Israel“, sagte Colonna am Sonntag bei einem Besuch der Schura-Militärbasis im Zentrum Israels. „Diese Aufforderung zur Vorsicht und Deeskalation gilt für jeden“, betonte sie.

Der Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas hat zu einer deutlichen Zunahme der Spannungen im israelisch-libanesischen Grenzgebiet geführt. Immer wieder kommt es zu tödlichen Schusswechseln zwischen israelischen Truppen und der vom Iran unterstützten schiitischen Hisbollah-Miliz.

Israels Außenminister Eli Cohen sagte bei einem Treffen mit Colonna, sein Land habe „nicht die Absicht, eine weitere Front an unserer nördlichen Grenze zu eröffnen“. Frankreich könne eine „positive und wichtige Rolle“ dabei spielen, einen Krieg zwischen Israel und der Hisbollah und damit eine Ausweitung des Krieges in Nahost zu verhindern.

Die französische Außenministerin bekräftigte zudem, dass die Angriffe der Huthi-Rebellen im Jemen auf Israel und Schiffe im Roten Meer „nicht ohne Antwort bleiben“ dürften. Frankreich erwäge zusammen mit seinen Partnern „mehrere Optionen“, um „zu verhindern, dass das wieder anfängt“.

Colonna hatte zuvor eine „erneute umgehende und dauerhafte Feuerpause“ im Gazastreifen gefordert. „Zu viele Zivilisten“ seien gestorben. Cohen bekräftigte indes die israelische Position, derzufolge ein Aufruf zu einer Feuerpause derzeit ein „Geschenk für die Hamas“ wäre.

Hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas waren am 7. Oktober in israelische Städte und Dörfer eingedrungen und hatten dort Gräueltaten an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1.140 Menschen getötet und rund 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Als Reaktion begann die israelische Armee Ziele im Gazastreifen anzugreifen und startete eine Bodenoffensive. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang mehr als 18.800 Menschen getötet. (afp)

Erneute mutmaßliche Explosion in Meerenge vor Jemen

In der seit Wochen von den jemenitischen Huthi-Rebellen unter Beschuss genommenen Meerenge Bab al-Mandeb zwischen Rotem Meer und Golf von Aden hat sich nach übereinstimmenden Angaben mutmaßlich erneut eine Explosion ereignet. Die britische Behörde für maritime Sicherheit (UKMTO) schrieb von einer Explosion nahe einem Schiff, das sich auf der Durchfahrt durch Bab al-Mandeb befunden habe. Die maritime Sicherheitsfirma Ambrey schrieb unter Berufung auf den Kapitän von einer Explosion rund zwei Seemeilen vor dem betroffenen Schiff.

Der Vorfall ereignete sich während eines Besuchs von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin im ebenfalls am Persischen Golf gelegenen Bahrain, wo sich der Stützpunkt der Fünfte Flotte der US-Marine befindet. In Bahrains Hauptstadt Manama wollte Austin dem US-Verteidigungsministerium zufolge über mögliche „multilaterale Koalitionen als Reaktion auf die Aggression auf See“ sprechen, die „den Schiffsverkehr und die Weltwirtschaft“ bedrohten.

In den vergangenen Tagen hatten britische und US-Schiffe nach Angaben der jeweiligen Regierungen mehrere Kampfdrohnen abgeschossen, die aus von den Huthis kontrolliertem Gebiet im Jemen abgeschossen worden seien.

Seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas hat die dem Iran nahestehende Huthi-Miliz im Jemen wiederholt Drohnen und Raketen auf Israel abgefeuert und Schiffe im Roten Meer angegriffen. Die Huthi-Rebellen drohen, jedes Schiff auf dem Weg nach Israel anzugreifen, solange nicht der Transport von mehr Lebensmitteln und Medikamenten in den Gazastreifen erlaubt wird.

Das Rote Meer ist eine wichtige Route für den internationalen Handel: Tausende Schiffen passieren jedes Jahr die Meerenge zwischen dem Jemen an der südwestlichen Spitze der Arabischen Halbinsel und dem Horn von Afrika.

Vier große Reedereien hatten in den vergangenen Tagen bekannt gegeben, dass sie ab sofort mit ihren Schiffen nicht mehr durch die Meerenge Bab el-Mandeb fahren werden. (afp)

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11 Kommentare

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  • Schade, dass die Tunnel nicht als Schutz- und Krankenhausbunker für die Bevölkerung, zumindest für Frauen und Kinder, verwendet werden.

    oct7map.com/women

    • @*Sabine*:

      Die werden ja als Schutzschilde oberirdisch gebraucht

  • Wenn ich ein israelischer Entscheidungsträger wäre und diese Tunnel sähe, würde mir vor Angst übel werden. Mit ihren begrenzten Mitteln hat der Feind solche Tunnel gebaut. Das bedeutet, dass sie immer in der Lage sein werden, dies erneut zu tun. Das wiederum bedeutet, wenn ich heute gnadenlos bombardiere, wird es für die Hamas leicht sein, morgen junge und motivierte Tunnelbauer zu rekrutieren, die noch mehr Tunnel bauen, die tiefer ins Landesinnere führen. Davon abgesehen, sind Verhandlungen und Frieden die einzigen Alternativen.

    • @Ertugrul Gazi:

      Der Bau eines solchen Tunnels verschlingt keine begrenzten Mittel, sondern substanzielle Mittel. Sie brauchen dafür viele hundert Personenjahre, Maschinen, ein Projektmanagement und Logistik. Die Frage hier ist, woher ist das Geld dafür gekommen? Wenn man solche Bauwerke findet gehören die finanziellen Transfers in den Gazastreifen auf den Prüfstand.

  • Wie ist es möglich, solche Bauaktivitäten nicht wahrzunehmen?

    • @Ria Hummelhain:

      Die Existenz der Tunnel ist doch lange bekannt, nur die genaue Lage nicht. Wie die Schmugglertunnel zwischen Mexiko und den USA oder die Tunnel der Vietcong damals. Zaubern können wir heutzutage auch nicht

    • @Ria Hummelhain:

      Wen visières Sie da an ? Die Palästinenser ? Die Israelis ? Vielleicht die NGOs ? Die UNO ?



      Auf jeden Fall ist die Beweislage jetzt geklärt.

  • Sach ma, wenn hier irgendwo ein Tunnel gebuddelt wird, dann muss doch das was vorher Fels war irgendwo als Steine oder Schutt abtransportiert und gelagert werden. Das fällt doch auf, das hört und sieht man doch.



    Wer also hat denn da alles die Augen und Ohren zugemacht und heute von nix nix gewusst?

    • @Tom Farmer:

      Es gibt da keine Felsen. Der Gazastreifen besitzt eine spezielle, für den Tunnelbau ideale Bodenstruktur. Steine und Schutt muss man nicht entsorgen, nur lehmigen Sand in großen Mengen. Dafür gab es ein seit Jahrzehnten eingespieltes und immer professioneller ausgefeiltes System.

      • @Günter Picart:

        Seit Jahrzehnten weiss ich nicht. Seit 16 Jahren bestimmt. Und eben weil das so ist - rege Bautätigkeit, keine Bauten zu sehen - müssen sowohl die NGO's, die UN, wie es muss auch die palästinensische Zivilbevölkerung schon beide Augen fest zugekniffen haben, oder die Bautätigkeit und deren Zielsetzung unterstützt haben.

      • @Günter Picart:

        Bin kein Geologe, aber auch das Volumen muss transportiert werden.... raus aus den Tunneln, und auf Transporte... selbwenn man das ins Meer verklappt