Krieg im Gazastreifen: Ein Grab für Journalist*innen
Palästinensische Reporter*innen berichten aus dem Gazastreifen von Blutvergießen und Zerstörung. Dutzende wurden dabei selbst getötet.
Frankfurt taz | Seit Ausbruch des Israel-Palästina-Kriegs sind so viele Journalist*innen gestorben wie in keinem anderen Konflikt im selben Zeitraum. Es sei der tödlichste Konflikt für die Presse, den das Komitee zum Schutz von Journalist*innen (CPJ) je dokumentiert habe, teilte die Organisation mit.
Laut dem in den USA ansässigen CPJ sind seit Beginn des Krieges 64 Journalist*innen getötet worden, darunter 57 Palästinenser*innen, drei Libanesen*innen und vier Israelis. Das CPJ schließt Journalist*innen nicht ein, wenn es Beweise gibt, dass sie im Auftrag militanter Gruppen handelten.
Berichterstatter*innen im Gazastreifen sind besonders gefährdet. Reporter ohne Grenzen (RoG) zählt 14 Journalist*innen in Gaza, die seit dem 7. Oktober bei der Ausübung ihrer Arbeit getötet wurden. Die meisten wurden zusammen mit ihren Familien getötet, bei israelischen Angriffen auf ihre Häuser, so RoG. Unklar ist laut CPJ, ob die Streitkräfte sie gezielt angriffen, weil sie über den Krieg berichteten.
Samer Abu Daqa, Kameramann von Al Jazeera, starb am vergangenen Freitag während seiner Arbeit durch einen Drohnenangriff. Gemeinsam mit seinem Kollegen Wael al-Dahdouh wollte er über die Folgen der israelischen Angriffe auf eine UN-Schule im Zentrum von Chan Junis im Süden des Gazastreifens berichten. In der Schule waren Vertriebene untergebracht. Ein Geschoss, vermutlich abgefeuert von einer israelischen Drohne, verwundete sie, berichteten Al Jazeera und Middle East Eye.
Enorm bedroht
Der Kameramann sei gemeinsam mit anderen verletzten Zivilist*innen in der Schule eingeschlossen gewesen und nicht sofort evakuiert worden, später erlag er seinen Verletzungen. Laut Al-Jazeera-Reporter Hisham Zaqqout hatten israelische Streitkräfte die Schule umstellt und die Sanitäter*innen konnten deshalb nicht helfen.
Al-Dahdouh, der Leiter des Gaza-Büros von Al Jazeera, wurde von einem Schrapnell getroffen und zur Behandlung in das Nasser-Krankenhaus in Chan Junis gebracht, wie aus einem Video von Al Jazeera hervorgeht.
Er ist einer der bekanntesten Journalist*innen in Gaza, verlor bei einem früheren israelischen Bombenangriff seine Frau, seinen Sohn, seine Tochter und seinen Enkel. „Wir werden weiterhin unsere Pflicht mit Professionalität und Transparenz erfüllen“, sagte Al-Dahdouh bei der Trauerrede für Abu Daqa, zitiert von Al-Jazeera.
Die Kolleg*innen in Gaza seien enorm bedroht, teilte Sherif Mansour, Koordinator für die Region beim CPJ, mit. „Viele haben Kollegen, Familien und Medieneinrichtungen verloren und sind auf der Suche nach Sicherheit geflohen, obwohl es keinen sicheren Hafen oder Ausweg gibt.“ Die Grenzübergänge nach Israel, aber auch der Grenzübergang Rafah nach Ägypten, sind geschlossen. RoG spricht davon, dass Journalist*innen im Gazastreifen gefangen seien.
Journalist*innen im Libanon getötet
Gleichzeitig verschärft sich die Lage im besetzten Westjordanland. Dort verhafteten israelische Streitkräfte mindestens 19 Journalist*innen – meist bei Razzien in ihren Häusern. Auch israelische Journalist*innen arbeiten inmitten persönlicher Verluste und in einem Klima sich verschlechternder Pressefreiheit in Israel.
Im Grenzgebiet zwischen dem Libanon und Israel wurden zudem drei libanesische Journalist*innen getötet. Der Reuters-Fotojournalist Issam Abdallah starb am 13. Oktober, sechs Kolleg*innen wurden verletzt. Nach Untersuchungen von Reuters und AFP wurden die Journalist*innen von einem 120-Millimeter-Panzergeschoß getroffen. Das werde in der Region ausschließlich von der israelischen Armee verwendet. Kampfhandlungen habe es zu dem Zeitpunkt in der Region nicht gegeben.
Alle sieben hätten Helme und kugelsichere Westen mit der Aufschrift „Presse“ getragen und bereits rund eine Stunde auf einem Hügel hinter gut sichtbar auf Stativen angebrachten Kameras gestanden. Unabhängige Untersuchungen der Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch sowie Amnesty International bestätigten dies.
Journalist*innen gelten nach humanitärem Völkerrecht als Zivilist*innen. Das gezielte Angreifen ist ein Kriegsverbrechen. RoG hatte bereits am 31. Oktober vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag Strafanzeige eingereicht, damit dieser mögliche Kriegsverbrechen gegen palästinensische und israelische Journalist*innen untersucht.
In einem Bericht aus dem Mai, also vor dem aktuellen Krieg, hatte das CPJ festgestellt, dass die israelischen Streitkräfte in den letzten 22 Jahren 20 Journalist*innen getötet haben, die meisten von ihnen Palästinenser*innen – und dass niemand jemals für diese Tötungen zur Rechenschaft gezogen wurde.
Leser*innenkommentare
Socrates
Die Buchstaben der Aufschrift „PRESS“ auf einer Weste dürften so groß gewesen sein, wie auf einem Nummernschild. Demnach sind sie mit bloßem Auge also vielleicht auf 100 Metern zu entziffern? Aber das auch nur dann, wenn sie auf der zugewandten Seite sind.
Ich vermute auch, dass eine Kamera auf einem Stativ in einem Kampfgebiet aus der Ferne für eine Kornet
de.wikipedia.org/wiki/9K135_Kornet
oder eine Konkurs
de.wikipedia.org/wiki/9K113_Konkurs
gehalten werden kann.
Im allgemeinen scheint mir unter solchen Umständen das Risiko nicht als Journalist erkannt zu werden recht hoch.
Die einzige Schutzmaßnahme die mir einfällt, wäre mit der Armee abzusprechen, wo man arbeitet und sich vorher das Einverständnis holen.