+++ Krieg in Nahost +++: Israel will UNRWA-Schulen in Ostjerusalem schließen
Guterres bezeichnet Gaza als „Killing Field“. Der Chef des israelischen Innengeheimdienstes bleibt im Amt, entscheidet das Oberste Gericht.
Israel will nach UN-Angaben weitere sechs Schulen des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA im arabisch geprägten Ostteil Jerusalems schließen. Polizeikräfte und Mitarbeiter der Jerusalemer Stadtverwaltung seien mit Gewalt in die Schulen eingedrungen, schrieb UNRWA-Chef Philippe Lazzarini auf der Plattform X. Sie hätten Schließungen innerhalb von 30 Tagen verfügt. Israels Polizei äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht zu dem Vorfall.
„Rund 800 Jungen und Mädchen sind direkt von diesen Schließungsanordnungen betroffen und werden voraussichtlich ihr Schuljahr nicht beenden können“, sagte Lazzarini.
Israel wirft dem UN-Palästinenserhilfswerk vor, dass Mitarbeiter an Terroraktivitäten der islamistischen Hamas beteiligt gewesen seien. Israels Parlament hatte als Konsequenz ein Arbeitsverbot auf israelischem Staatsgebiet verhängt, das Ende Januar in Kraft trat. Ein weiteres Gesetz untersagt israelischen Behörden jeglichen Kontakt mit UNRWA. Eine freigelassene israelische Geisel hatte laut Medienberichten erzählt, sie sei im Gazastreifen in einer UNRWA-Einrichtung festgehalten worden.
Bereits zuvor hatte Israel Schließungen von mehreren UNRWA-Schulen in Ostjerusalem verfügt. Die Jerusalemer Stadtverwaltung hatte angekündigt, sie werde sich nach Beginn des UNRWA-Arbeitsverbots um die betroffenen Schüler kümmern. (dpa)
Brandstiftung im Westjordanland
Im von Israel besetzten Westjordanland ist ein palästinensischer Hochzeitssaal angezündet worden. In Berichten wurden israelische Zivilisten für die Brandstiftung verantwortlich gemacht. Verletzt wurde niemand. Nach dem Brand in der Nacht zum Dienstag blieb von dem Gebäude nur eine verkohlte Ruine zurück. Auf ein Gebäude wurden die Worte „Rache“ und „Bekämpfe den Feind, nicht den Liebenden“ in Hebräisch gesprüht, dazu ein Davidstern.
Israelische Sicherheitsbehörden verurteilten den Vandalismus in der Stadt Biddja und leiteten am Dienstag Ermittlungen ein. Israelischen Siedlern im Westjordanland wird eine zunehmende Zahl an Angriffen auf palästinensische Dörfer zur Last gelegt. Dabei soll es sich um Vergeltung für angebliche Versuche von Palästinensern handeln, den Siedlungsbau zu behindern. (ap)
Guterres bezeichnet Gaza als „Killing Field“
UN-Generalsekretär António Guterres hat eine Wiederaufnahme der Hilfslieferungen für den Gazastreifen gefordert und Israel schwere Vorwürfe gemacht. Seit mehr als einem Monat sei „nicht ein Tropfen“ Hilfe in das Palästinensergebiet gelangt, sagte Guterres am Dienstag am UN-Sitz in New York. „Keine Lebensmittel, kein Treibstoff, keine Medikamente, keine Handelsgüter.“ Mit dem Versiegen der Hilfe hätten sich im Gazastreifen „die Schleusen des Schreckens“ wieder geöffnet. „Gaza ist ein ‚Killing Field‘“, sagte Guterres.
Als „Killing Fields“ werden Orte in Kambodscha bezeichnet, an denen die maoistischen Roten Khmer während ihrer Schreckensherrschaft in den 1970er Jahren Gräueltaten verübt hatten.
Mit Blick auf die Genfer Konventionen, die Regeln für den Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegen und bewaffneten Konflikten enthalten, erinnerte Guterres Israel an die Verpflichtung der „Besatzungsmacht“, die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten sicherzustellen. „Nichts davon passiert heute. Es können keine humanitären Hilfsgüter nach Gaza gebracht werden“, kritisierte Guterres.
Guterres kritisierte auch von den israelischen Behörden vorgeschlagene „Autorisierungsmechanismen“ für Hilfslieferungen. Seiner Ansicht könnte es dabei darum gehen, „die Hilfe noch stärker zu kontrollieren und rücksichtslos bis auf die letzte Kalorie und das letzte Getreidekorn zu begrenzen“.
Die UNO werde sich „an keiner Vereinbarung beteiligen, die die humanitären Prinzipien – Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Neutralität – nicht vollständig respektiert“, sagte Guterres. Es sei an der Zeit, „die Entmenschlichung zu beenden, die Zivilbevölkerung zu schützen, die Geiseln freizulassen, lebensrettende Hilfe sicherzustellen und die Waffenruhe zu erneuern“. (afp)
Geheimdienstchef bleibt im Amt
Der von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu entlassene Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet bleibt laut einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vorerst weiter im Amt. Das Gericht erließ am Dienstag eine einstweilige Verfügung, welche die Entlassung von Ronen Bar bis zu einer „späteren Entscheidung“ in dem Fall blockiert. Die Regierung darf demnach weiter Gespräche mit möglichen Nachfolgern führen, aber noch keinen Nachfolger oder Interimsnachfolger ernennen.
Der vorsitzende Richter Jizchak Amit rief Netanjahus Regierung und die Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara zudem zu einem Kompromiss auf. Er gebe ihnen bis nach dem Pessachfest Zeit, um eine „kreative Lösung zu finden, mit der beide Seiten einverstanden sind“, sagte Amit. Das Pessachfest endet am 19. April. Netanjahu nannte die Entscheidung in einer Erklärung „merkwürdig“.
Netanjahus Kabinett hatte Bars Entlassung als Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet am 21. März einstimmig beschlossen. Bar soll sein Amt demnach am 10. April abgeben. Mehrere Oppositionsparteien und Nichtregierungsorganisationen legten jedoch Einspruch gegen die Entscheidung ein. Deshalb setzte der Oberste Gerichtshof Bars Entlassung zunächst bis zum 8. April aus.
Am Dienstag fand nun eine Anhörung in dem Verfahren statt, die so turbulent verlief, dass Richter Amit sogar kurzzeitig den Saal räumen ließ. Im Publikum war es zuvor zu lautstarken Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern der Regierung gekommen. Auch vor dem Gericht gab es heftigen Streit.
Massenproteste gegen Entlassung Bars
Die Entlassung Bars hatte in Israel massive Proteste ausgelöst. Netanjahu hatte die Entscheidung mit mangelndem Vertrauen in den Geheimdienstchef und dem Versagen von Schin Bet beim Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023 begründet. Bar bezeichnete die Entscheidung dagegen als politisch motiviert.
Bars Verhältnis zu Netanjahu gilt als angespannt, seitdem der Geheimdienst in einem Untersuchungsbericht zum 7. Oktober 2023 neben eigenem Versagen auch Fehler der Regierung benannt hatte. Außerdem ermittelt Schin Bet zu mutmaßlichen Bestechungsgeldern aus Katar an mehrere Netanjahu-Vertraute. Wegen der als „Katargate“ bekannten Affäre sitzen mittlerweile zwei Verdächtige in Untersuchungshaft. (afp)
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