„Spiegel“ und ARD: Angst ist kein guter Ratgeber für Medien
Der „Spiegel“ hat die Öffentlich-Rechtlichen ins Visier genommen. Man könnte so viel kritisieren an der ARD, aber die „Spiegel“-Geschichte ist dünn.
D er Spiegel ist in einer Existenzkrise. Ist er noch zu retten, fragt deshalb die ARD diese Woche in einem langen Feature. „Teuer, träge, belehrend“ sei das einst so mächtige Hamburger Magazin geworden, dabei würde es „angesichts von Fake News und grassierendem Populismus mehr denn je“ gebraucht. Der Beitrag trägt den Titel „Der taumelnde Riese“.
Etwas relativierend heißt es dann: „Der Spiegel genießt immer noch ein großes Vertrauen. Aber es scheint etwas ins Rutschen geraten zu sein.“ Denn der Verlag melde „alarmierende Zahlen. Wenn Akzeptanz und Nutzung schwinden, stellt sich über kurz oder lang die Existenzfrage“. Passt der Spiegel, wie wir ihn kennen, noch in diese Zeit, fragt die ARD und merkt an, „dazu kommt der Druck von rechts“.
Klingt schräg? Stimmt, denn es ist genau andersrum. Der Spiegel arbeitet sich mal wieder an ARD und ZDF ab. Was ließe sich da nicht alles schreiben. Aber die Geschichte ist so lang wie dünn und von großer Ratlosigkeit geprägt. Für die BBC, wo es in der vergangenen Woche so richtig rumste, ist im Heft gerade mal eine Seite Platz. Dafür kommt der Spiegel exakt zwei Monate nach dem Zoff um Julia Ruhs und „Klar“ noch mal mit der Geschichte, wer wann beim NDR schieflag. „Jupp, möchte zu gern wissen, welche wahren Interessen der Spiegel hier verfolgt“, fragt die Mitbewohnerin.
Mit „Klar“ versucht die ARD, Kreise zu bedienen und wieder an sich zu binden, die sich laut Umfragen mit ihrer Lebensrealität nicht mehr im Programm wiederfinden. Ob das der richtige Weg ist, darüber ließe sich trefflich streiten. Das findet im Spiegel aber leider auch nur halbherzig statt.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk für viele unverzichtbar
Was vermutlich daran liegt, dass sich der Spiegel gerade tatsächlich in einer ähnlichen Situation wie die Öffentlich-Rechtlichen wiederfindet. Die klassische Spiegel-Klientel bröckelt. Der alte Slogan „Spiegel-Leser wissen mehr“ wird nicht durchgehend eingelöst, um es mal sehr höflich zu formulieren. Die gedruckte Auflage sinkt branchenüblich immer tiefer, aber auch die Online-Erfolge sind nicht mehr so dolle. Derweil wird die Zeit von Jahr zu Jahr stärker und könnte dem Spiegel bei den Wochentiteln demnächst den Rang ablaufen.
Liegt es daran, dass sich die Zeit konservativen Ansätzen schon länger geöffnet hat? Klar, ließe sich da sagen. Aber stimmt das auch? Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung und dem ja realpopulistischen Druck von rechts, AfD, Trump, usw. sind alle auf der Suche.
Die ARD hat die Haltung „Angst regiert dich“ längst nicht mehr exklusiv für sich. Sie hat auf viele Medien übergegriffen. Alle sollten sich aber nicht ins Hemd machen, sondern an Fakten halten, wie sie sich auch in der Spiegel-Geschichte über ARD und ZDF finden. Die Zahl der Menschen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland für unverzichtbar halten, sinkt nicht weiter, sondern steigt wieder.
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