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Russische Sprache in der UkraineVerständlich, aber unklug

Kommentar von

Barbara Oertel

Russisch soll in der Ukraine seinen Schutzstatus verlieren. Der Schritt könnte angesichts der vielen Russischsprachigen im Land nach hinten losgehen.

Das war einmal: „Es lebe die große sowjetische Freundschaft!“, sowjetisches Plakat in ukrainischer (oben) und russischer Sprache Foto: Elizaveta Becker/akg images

W er verstünde nicht, dass viele Ukrai­ne­r*in­nen nach knapp 1.400 Tagen vollumfänglicher russischer Invasion mit Abscheu, ja abgrundtiefem Hass reagieren, wenn sie die Sprache des Aggressors hören. Doch ob ein Gesetzentwurf der Regierung, der seit Kurzem dem Parlament vorliegt, eine politisch kluge Entscheidung ist, darf bezweifelt werden.

Dem Vorschlag zufolge, der bereits im Dezember vergangenen Jahres auf dem Tisch lag, soll das Russische in der Ukraine von der Liste besonders zu schützender Minderheitensprachen gestrichen werden. Dem steht jedoch die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarates entgegen, die in der Ukraine seit dem 1. Januar 2006 in Kraft ist. Und nicht nur das: Auch Artikel 10 der ukrainischen Verfassung stellt die russische Sprache – neben anderen – explizit unter den Schutz des Staates.

Es ist nicht das erste Mal, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj und seine Regierung etwas zu kreativ mit ihren Rechtsgrundsätzen umgehen. Erinnert sei an den Versuch, im Sommer zwei Antikorruptionsbehörden auf Linie zu bringen. Das Vorhaben scheiterte. Auch der jetzige Verstoß ist juristisch anfechtbar, wirft jedoch noch andere Fragen auf.

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Das gilt umso mehr, als Sprache in der Ukraine ein Politikum und seit dem 24. Februar 2022 umstrittener ist denn je. Auch wenn viele etwas anderes behaupten: Es ist nicht willkommen, aber keineswegs verboten, in der Ukraine Russisch zu sprechen. Diskriminierung mag es geben, aber sie ist kein Massenphänomen. Russisch ist die Muttersprache jedes dritten Ukrainers, jeder dritten Ukrainerin. Von ihnen steht ein Großteil für das Land ein.

Warum die Regierung gerade jetzt Handlungsbedarf sieht, erschließt sich nicht. Die Initiative könnte zudem nach hinten los gehen: Die Gesellschaft dürfte weiter polarisiert werden, der Kreml bekommt eine weitere Steilvorlage für seine Propaganda. Braucht die Ukraine das? Nein, es gibt weitaus wichtigere Probleme: Der nächste Winter steht vor der Tür.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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50 Kommentare

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  • Liebe Frau Oertel,

    ich hätte mir hier etwas mehr Analyse gewünscht. "Wer verstünde nicht..." greift aus meiner Sicht zu kurz. Sollte ausgerechnet Wolodymyr Selensky, der seit Jahren virtuos auf der Klaviatur der öffentlichen Wahrnehmung von Anstand und Ethik spielt, seine moralische Oberhand auf der Basis solcher Gefühligkeiten gefährden? Nationalismus und Intoleranz sind zwei ganz wesentliche Gründe für die Abwendung einiger seiner wichtigsten Unterstützer von Putins Russland. Das funktioniert aber nur, solange er die Ukraine als besser - weltoffen, rational, ehrlich, unschuldig - darstellen kann, was ihm bislang auch sehr gut gelingt. Dieses sorgsam kultivierte Gefälle ebnet er doch nicht ein, weil Ressentiments gegen Russisches "verständlich" sind! Ich würde unterstellen, dass er da deutlich stärker abwägt.

    Was also ist der wahre Grund?

  • Wann immer man in meiner Stadt ukrainischen Flüchtlingen begegnet, sprachen sie russisch.



    Die Kollegin auch.



    Das mag für den Nationalstolz abträglich sein, aber es ist halt eine Begleiterscheinung der ukrainischen Geschichte.

  • Wie in etlichen Kommentaren zu sehen ist, treibt der im 19.Jh. geprägte Begriff der Nationalsprachen (und -literaturen) sein Unwesen: quasi automatisch hat sich 'das Englische' alles Irische, 'das Französische' vieles Belgische und Schweizerische, das Deutsche alles Österreichische und nicht minder Schweizerisches einverleibt - und das Russische viel Ukrainisches!



    Diese gewaltige Sogwirkung versucht der russische Imperialismus derzeit mit allen verfügbaren medialen Mitteln zu verstärken. Zum Beispiel wird versucht,



    ukrainische Jugendliche, ob sie nun von Haus auf russisch sprechen oder nicht, für Sabotageakte anzuwerben.



    Natürlich wird die Ukraine in diesem Überlebenskampf nicht zurückstecken und es den Angreifern mit gleicher Münze zurückzahlen wollen (wie ja z.B. auch im 'Drohnenkrieg'...).



    Wir können es natürlich aus unserer 'Komfortzone' heraus verurteilen, dass die Ukraine versucht, dem 'Russischen' den Wind aus den Segeln zu nehmen, koste es (jetzt), was es wolle (und es nach dem Krieg revidieren?). Aber wir sollten das nicht vorschnell und vor allem nicht besserwisserisch tun.

  • Gogol war Ukrainer, schrieb aber von Anfang an auf russisch und machte in Russland Karriere. Die Ukraine betrügt sich mit den neuen Gesetzen um ihre eigene Geschichte, bzw. die gemeinsame Geschichte von Russland und der Ukraine.

  • Opfer zweiter Klasse?



    Wie soll sich nun ein russischsprachiger Ukrainer fühlen, der täglich für sein Land sein Leben riskiert?



    Wie soll sich die Mutter fühlen, die ihren gefallenen Sohn auf russisch betrauert?

  • Man kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass Wladimir Putin 2022 in wenigen Wochen das geschafft hat, woran die ukrainischen Nationalisten zuvor drei Jahrzehnte lang gescheitert waren: Ein landesweites ukrainisches Nationalbewusstsein zu schaffen. Es ist das Bewusstsein einer Schicksalsgemeinschaft derer, die von der russischen Armee bombardiert werden, ganz gleich welcher Sprache sie sich im Alltag bedienen. Diese Gemeinschaft aber wird durch eine Abwertung des Russischen gewiss nicht gestärkt, sondern geschwächt.

    Außerdem würde dadurch eine Reintegration der russisch besetzten Gebiete in den ukrainischen Staat erschwert, selbst wenn das - in einer Zeit nach Putin? - irgendwann politisch möglich schiene.

  • "... der Kreml bekommt eine weitere Steilvorlage für seine Propaganda."

    Das ist nach dreieinhalb Jahren brutaler russischer Angriffe und Bombardierungen nun wirklich kein Argument mehr.

    • @Josef 123:

      Richtig, das ist Schnurz. Glaubt man den Russen, gibt es gar keine Ukraine, schlechter Maßstab.

  • Selenskyjs/ Selenskis Muttersprache ist Russisch; Ukrainisch hat er erst spät gelernt, wie viele Ukrainer. Seine Comedy-Truppe "Kwartal 95" trat bis Anfang 2022 auf Russisch auf, was ihrem ukrainischen Patriotismus keinen Abbruch tat. In "meiner" Schule sind viele Flüchtlingskinder aus der Ukraine. Sie sprechen fast alle Russisch.



    Es ist verständlich, wenn man zur Zeit in der Ukraine möglichst nichts Russisches sehen oder hören will. Aber es wäre schön, wenn die Ukraine doch entdecken würde, daß die russische Sprache nicht nur die Sprache Putins bzw. Moskaus ist, sondern auch zu ihr gehört. Orte wie Odessa waren russischsprachig, seit es sie gibt. Wichtige Werke der russischen Literatur stammen von Autoren aus der Ukraine. Und wie will man den Anspruch auf verlorengegangene Gebiete wie Donbass und Krim aufrechterhalten, wenn man die Sprache der dortigen Bewohner nicht achtet? Es geht nicht nur um den Schutz einer Minderheit; mit der russischen Sprache würde sich die Ukraine von einem Stück ihrer selbst trennen.

    • @Ulrich Hartmann:

      Die Ukrainer, die ich hier kennengelernt habe sprechen eigentlich russisch, wollen das aber nicht mehr. Wenn die Großmutter die hierher geflüchtete Tochter samt Enkeln besucht fragt sie in größter Verzweiflung : "wir sprechen die gleiche Sprache, warum überfallen sie uns ?" Sie konnte das überhaupt nicht fassen, was für ein Unglück, das tut man doch Menschen, die die gleiche Sprache nicht an und sie hat sich irgendwie geschämt, dass die Welt das alles mit ansehen muss.

      • @Hans - Friedrich Bär:

        Wir haben uns auch unterhalten wie es im Deutschen ist, weil sie nicht mit Russen gleichgesetzt werden wollten. Sie wussten nicht, dass Deutsch in der Schweiz , in Österreich, in Frankreich, in Belgien, Luxemburg , Nordamerika , Namibia .. gesprochen wird, haben aber verstanden, dass wir deutsch sprechen nicht mit deutsch sein gleichsetzen. Analog ist es in der Ukraine.

    • @Ulrich Hartmann:

      Wobei den Dichtern schon mal ihre angeblichen Ukrainismen angekrittelt wurden.



      Gönnen können und mit einem hochwertigen Medienangebot Ukrainer russischer Zunge erfreuen.



      Gegen Putin-Russland ist ja sowieso fast jeder. Mehr Loyalität als gegen einen solchen geht kaum.

    • @Ulrich Hartmann:

      Und was, wenn russisch jetzt für viele Ukrainer die Sprache der Mörder ist?



      Ich kann mich noch Luft daran erinnern, dass ein Niederländer 1994 auf einem französischen Campingplatz mit mir, damals 27, kein deutsch sprechen wollte.



      Weisheit hin oder her, ich kann die Ukrainer durchaus verstehen.

  • Selenski ist letzten Endes das Sprachrohr der Rechten und Rechtsextremen, von denen der Wunsch nach der Unterdrückung der russischen Sprache eigentlich kommt.

    Es geht und ging denen nie um so etwas wie Demokratie und gleichberechtigtes Zusammenleben, sondern um Nationalismus, Dominanz, Zugehörigkeit zu "den Starken" und dergleichen.

    Das ist nicht erst seit heute so und hat auch mit dem Krieg nichts zu tun.

    • @Uns Uwe:

      Selenskyj ist von Haus aus Russischsprecher, war in Russland extrem erfolgreich und ging als Präsident zunächst sehr versöhnlich auf russland zu.

      Alles, was Sie schreiben, ist also falsch. Und da Selenskyj Jude ist, ist es infam, ihn in die Nähe von Rechtsextremen zu rücken. Das ist nichts als die russische Lüge von der "Nazi-Ukraine".

    • @Uns Uwe:

      Nein, es ging und geht um den Zugang zu den europäischen Märkten für ein kreatives, mittelständisches Unternehmertum, von dem man sich ruhig was abgucken kann. In Russland ist im Größenverhältnis davon schlicht weniger zu sehen und dafür muß es wohl Gründe geben.

    • @Uns Uwe:

      Immerhin hat die Ukraine kein Nachbarland überfallen. Vor solchen "Rechten und Rechtsextremen" habe ich weniger Angst als vor russischen Soldaten.

      • @Carsten S.:

        Die Ukraine hat 2014 mit der "Spezialoperation gegen den Terror" ihr eigenes Volk überfallen.



        UN und OSZE berichteten darüber durchaus.



        Daraus ergab sich Minsk2. Die Donbasrepubliken sollten mehr Autonomierechte erhalten.



        Für Kiew kam und kommt das aber bis heute nicht infrage.

    • @Uns Uwe:

      Ich weiß nicht, ob es hilft, das Phänomen auf Rechte und Rechtsextreme zu verweisen.

      Wenn Ukrainer "zu den Starken " gehören wollen, müssten sie ja gerade Russisch sprechen wollen.

      In Osteuropa hatten nach dem 2. Weltkrieg auch alle keine Lust mehr auf Deutsch als Erst- oder Zweitsprache.

      Und das waren sozialistische Länder.

      Ich kann das verstehen.

      Mein Vater hatte einen Freund im Elsass, der als Kind während des Krieges seinem älteren Bruder im Wald Nahrung brachte.

      Der versteckte sich dort, damit er nicht in die Wehrmacht muss.

      Irgendwann kaschten den Jungen die Deutschen und haben ihn sehr unschön behandelt, um zu erfahren, wo sein Bruder ist.

      Danach hat er in seinem Leben nie wieder Deutsch gesprochen.

      Was nicht leicht ist, wenn das gesamte Umfeld es tut.

      Auf der theoretischen Ebene lässt sich super über sowas moralisch urteilen.

      Auf der menschlichen kann das ganz anders aussehen.

      • @rero:

        Laut Selensky sind die Ukrainer Nachfahren der Wikinger.



        Das hat aufgrund der zeitlichen Einordnung mit Russland dann erstmal nichts zu tun.

  • es gibt in der Industrie die sogenannte SWOT-Analyse bei Planungen. dabei werden die ...







    S - Strengths Stärken



    W - Weaknesses Schwächen



    O - Opportunities Chancen



    T - Threats Risiken







    gegeneinder abgewogen.



    Das sollte eigentlich bei Selensky & Co bekannt sein.



    Wahrscheinlich überdeckt von Ignoranz und Wut und Hass(?)

  • "Es ist nicht das erste Mal, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj und seine Regierung etwas zu kreativ mit ihren Rechtsgrundsätzen umgehen. Erinnert sei an den Versuch, im Sommer zwei Antikorruptionsbehörden auf Linie zu bringen"



    Immerhin wurde das Vorhaben nach Einspruch der Zivilgesellschaft abgeändert?



    Kann ja nicht überall so gut laufen wie bei uns, wo der Handlanger der Frau vom Bundeskanzler Hausdurchsuchungen bei der politischen Konkurrenz durchführen lässt, der letzte Bundeskanzler nicht mehr weiß, ob er Millionen an Steuergeldern einer kriminellen Bank geschenkt hat, ein weiterer fließend in eine Ölautokratie wechselte, der Fraktionvorsitzende der Regierungspartei seinen guten Freunden Aufträge während einer Pandamie zuspielt, sich gleichzeitig von guten Freunden eine Millionenvilla kreditieren lässt, seine Parteikollegen während und mit Corona ganz legale Geschäfte (weil nicht mit Bundestags-Briefkopf) machten. Ach ja und Cum-Cum und Cum-Ex komplett straffrei blieben und BIS HEUTE weitergehen, was doch erstaunlich ist.



    Und das ist nur was einem auf die schnelle Einfällt.

    • @Genosse Luzifer:

      Sicher ist es auch immer gut vor der eigenen Tür zu kehren.



      Manche bewerten die Problematik allerdings auch neutral.



      Im Korruptionswahrnehmungsidex steht Deutschland auf Platz 15 , die Ukraine hingegen auf Platz 105.



      Der Vergleich fällt also bei all Ihren Anschuldigungen, die ja hauptsächlich strafrechtlich nicht relevant sind, sehr deutlich aus.

  • Verständlich, aber unklug.



    Wir wollen, dass die Ukraine bald gewinnt und sich nicht mit aktuell abwegigen Themen verzettelt.



    Für mich passt das aber ins Bild: Die Ukraine führt keinen Defensivkrieg auf eigenem Territorium mehr, sondern greift in Kursk und im russischen Hinterland an, obwohl ihr die Mittel für eine sichere Defensive des eigenen Territoriums fehlen. Auch das ist irrational, eine Verschwendung, die das gewünschte Ergebnis unwahrscheinlicher macht.

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Wie schön, dass sie einem Opfer das Recht absprechen wollen sich gegen einen Aggressor zu wehren.

      Nur zur Info: In der Zeit der Offensive bei Kursk sind die russischen Angriffe auf die Zivilisten in der Großstadt Charkiw deutlich zurückgegangen. Ob es das Wert war müssen die Ukrainer entscheiden.

      • @Franky-1:

        DIe Ukrainer waren vom Angriff auf Kursk auch nicht unisono begeistert. Ich will keine Kriegsbuchhaltung aufmachen, der Angriff und die nachfolgende Verteidigung von Kursk war für die



        Ukrainer auch nicht umsonst. Das wissen auch viele Ukrainer und etliche haben´s auch gesagt, es ist auch logisch und deshalb darf ich das hier auch zur Sprache bringen. Ich meine : einen Gegenangriff als Verteidigung muss man sich gut überlegen. Von Rechten war in meinem Beitrag nicht die Rede, sondern von dem Wagnis mit unterlegenen Kräften neue Fronten aufzumachen. Darum ging´s ja auch beim Hauptthema "Sprachverbot, warum gerade jetzt ?"

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Wer komplett auf Offensive verzichtet, verzichten muss aufgrund von Vorgaben, hat immer einen schweren Nachteil strategisch; da muss man jetzt keinen Clausewitz gelesen haben.



      Wer den gegnerischen Nachschub unterbindet, unterbindet seine Handlungsoptionen.



      Für Konkretes fehlten uns beiden aber wohl die Hintergründe.

      • @Janix:

        Ja, uns fehlen Hintergründe , vielleicht , aber dumm sind wir trotzdem nicht. Ich habe unten an Herrn Hartmann schon auf fast den gleichen Einwand geantwortet. Bitte lesen Sie da mal nach. Es gibt die Heuristik, das ist nicht unwissenschaftlich, es gibt die Fermi Methode ( mit Papierschnipseln die Sprengkraft einer Atombome richtig abschätzen), nur Mut, logisch denken, Bilanzen ziehen , Verläufe beobachten, dann kommt man auch als Zaungast zu etwas. Clausewitz habe ich nicht gelesen, ich kenne mich militärhistorisch nicht aus, es ist mir auch zu allgemein, Clausewitz scheint evaluiert , die Dreifaltigkeit des Krieges (Gewalt, Hass, Zufall) finde ich analog zur Dark Triade in der Psychiatrie. Ich weiß nicht ob es dazu militärpsychiatrische Untersuchungen gibt.

        Hintergründe : Menschen mit Schizophrenie versteht man auch nicht richtig, sie reimen sich ab und zu was zurecht was nur für sie zwingend logisch ist und schlagen dann los. Das ist ziemlich ähnlich.

        Clausewitz wusste das alles noch nicht , das ist nach seiner Zeit.

        zms.bundeswehr.de/...egfuehrung-5693326

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Nach meinem bescheidenen Eindruck brilliert das Moskauer Regime auch nicht gerade bei der Verteidigung der Heimat.



      Höchste Zeit für den Bunkeropa, seinen Feldzug abzubrechen.



      Oder sehen Sie das anders, Herr Bär?

      • @Carsten S.:

        Wenn Sie mich so direkt fragen, sehe ich nur, was ich in den Medien sehe, ich kenne einige hierher geflüchtete Ukrainer , aber ich bin nicht vor Ort.

        "Höchste Zeit für den Bunkeropa, seinen Feldzug abzubrechen." meinen Sie mutmaßlich so : Der russische Feldzug in der Ukraine ist ein Verbrechen, damit muss Schluss sein, und Russland muss die verursachten Schäden bezahlen. Wenn Sie das so meinen, sehe ich das auch so.

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Ich würde mir nicht zutrauen, taktische Entscheidungen der ukrainischen Kriegführung so eindeutig zu bewerten. Angriffe im Hinterland des Gegners können selbstverständlich Bestandteil einer wirksamen Verteidigung sein

      • @Ulrich Hartmann:

        Ja , das habe ich mir auch überlegt. Angriffe im Hinterland des Feindes können selbstverständlich Bestandteil einer wirksamen Verteidigung sein. Ich persönlich, wir sind keine Offiziellen, bin aber eher der Meinung, dass das Verhältnis von Aufwand und Nutzen nicht günstig für die Ukraine ist. Wir leben auch in einem Land mit freier Meinungsäußerung, das ist in Russland gar nicht so, und in der Ukraine eingeschränkt durch das Kriegsrecht. Nach dem Ausfall auf Kursk und den trotzdem weiter anhaltenden russischen Angriffen auf das ukrainische Territorium haben die in den Berichten interviewten betroffenen Ukrainer ihre Enttäuschung geäußert. Ich habe mir über Wochen überlegt wie das enden soll und mir gesagt : Ich werden aufhören mir den Verlauf schönzureden, dass das alles seinen Sinn hat und dass die Ukrainer schon wissen was sie machen. Das dürfen wir ja, wir dürfen zu einer Meinung kommen. Ökonomisch betrachtet : Sie haben Schulden (können ihr Territorium nicht schützen) und machen Neue (vergrößern ihr Territorium), dadurch wird Ihre Liquidität vorübergehend besser, aber nicht Ihre Lage. So habe ich mir das überlegt.

        • @Hans - Friedrich Bär:

          Ergänzung : die Diffusion vom Kleineren zum Größeren ist nachteilig im Vergleich einer Diffusion vom Größeren zum Kleineren, m.a.W. Feuerkraft verliert sich auf der größeren und verdichtet sich auf der kleineren Fläche. m.a.W der Größere erreicht mit gleichen Mitteln mehr. Deswegen muss der Keinere mehr auf den rationalen Einsatz seiner Mittel achten als der Größere.

  • Ich unterstelle mal frech: gerade WEIL es so drängende Probleme gibt, wird jetzt auf dem Sprachthema rumgeritten, um davon etwas abzulenken. Ein bissl wie die Konservativen mit ihrem Gender-Verbot in Deutschland 😅

    • @vøid:

      Es wird nicht "jetzt" darauf herumgeritten. Die Sprachenfrage beschäftigt die Ukraine seit dem Februar 2022 sehr stark, und sie war auch die Jahre davor immer ein Thema.

  • Vielleicht auch Verhandlungs-"Chips" sammeln?



    Auch sind die russischsprachigen Ecken - die übrigens vor 35 Jahren auch mehrheitlich für die ukrainische Unabhängigkeit stimmten - größtenteils in Putins Klauen.



    Allgemein aber sollen wohl alle eine Art Ukrainisch zumindest verstehen können, aber die Muttersprache ändert man nicht mit Ruck. Das russische Fernsehprogramm muss dann noch attraktiver sein als das des Bösen Wolfs. In zwei Generationen kommt Ukrainisch schon von alleine. Und wenn dann jemand auch Russisch kann, umso besser.

    • @Janix:

      "Vielleicht auch Verhandlungs-"Chips" sammeln?"

      Wer die eigenen Regierungsgebäude nicht vor Feindeinwirkung schützen kann, hat verloren.

      Wer immer Russland auf russischem Territorium angegriffen hat, hat verloren.

      • @Hans - Friedrich Bär:

        "Wer immer Russland auf russischem Territorium angegriffen hat, hat verloren."



        Siehe hierzu auch den Vertrag von Brest-Litowsk, 1918. Hört sich für mich nicht nach Verlieren an.

        • @Encantado:

          Das stimmt, das hat aber etwas mit dem Einfluss der Bolschewiki zu tun. Das ist eine Ausnahme, so eine Gelegenheit ist historisch einmalig.



          Wir können über den Großen Nordischen Krieg und Napoleon I reden und dann noch über eine Person, über die ich nicht reden und auch nicht daran erinnert werden will, da war es anders herum. Finnisch-russischer Krieg ging von Russland aus (so wie jetzt), und brachte Russland deutliche Gebietsgewinne, die es bis heute behalten hat. Krimkrieg 1853-1856 hat Russland "angefangen" und verloren. Langfristig ist Russland trotz gelegentlicher Rückschläge seinen stategischen Zielen immer näher gekommen. Ja, das hätte ich besser formulieren sollen, wollte mich aber kurz fassen. Letzten Endes hat Brest Litowsk die Deutschen nicht gerettet, aber geholfen die Sowjetunion zu begründen, im Schritt danach kein Sieg für das Kaiserreich, das politisch etwas ganz anderes wollte. Ich meine : das größte Land der Erde hat die größten Rückzugsmöglichkeiten und den fanatischen Willen aus der Defensive in die Offensive zu kommen. In der Defensive unterscheidet es sich nicht von anderen, hat aber Möglichkeiten, die es ihm erlauben in die Offensive zu gehen.

    • @Janix:

      Zu den "russischsprachigen Ecken" gehört auch Krywyj Rih/ Kriwoi Rog, die Heimatstadt Selenskyjs. Selbst in Kiew war bis vor kurzem die Umgangssprache der Bevölkerung zu großen Teilen Russisch.

      • @Ulrich Hartmann:

        Was ja kein Widerspruch zu meinen Punkten ist, oder?

        @Bär noch: Weltkrieg 1 sagte etwas anders. Ohne USA und UK hätte selbst der überspannte Schnurrbart zumindest Moskau und die Ölfelder einnehmen können. Ist aber auch ein Nebenthema, oder?

        • @Janix:

          Würde sagen das zaristische Russland war zu diesen Zeiten in einer Phase der Schwäche, deswegen haben Kaiserreich und Bolschewiki sich verbündet. So habe ich das verstanden. War aber nicht typisch für Russland, Russland ist seit IWAN IV immer stärker und größer geworden. Ist hypothetisch ( was wäre wenn Deutschland nur mit Russland Krieg geführt hätte) weil´s nicht so war, führt von diesem Thema weg.

  • Nicht nur unklug, sondern nicht EU-kompatibel! Polen hat das Deutsche als Minderheitensprache ja auch nicht freiwillig akzeptiert, sondern das war eine der Bedingungen (sicherlich mit Nachdruck von der deutschen Diplomatie) für die EU-Aufnahme.

    Man muss aber wissen, dass im slavischen Raum Sprache und Nation enger miteinander verbunden sind als in Westeuropa. Das gewollte Auseinanderdriften der Sprache in Tschechien und der Slovakei, oder zwischen Kroatien und Serbien sind nur zwei Beispiele, wie Nationalstaaten sich im nachhinein durch sprachliche Abgrenzung definieren.

  • Die Ukraine braucht wieder einmal Wahlen. Kriegsrecht bedeutet faktisch, den Staat und die Gesellschaft autokratisch zu führen. In der Ukraine eine demokratische Kultur, gerade auch unter den politischen und gesellschaftlichen Eliten - Stichwort Korruption, Nepotismus -, nur ungenügend verankert. Auch zahlreiche Handlungen Selenskyis weisen darauf hin (Defizite in der Korruptionsbekämpfung, Umgang mit politischen Gegegnern, Einschränkungen der Medienfreiheit, Postenbesetzungen, Transparenz bei Einkommen und Vermögen u.a.), dass er das Kriegsrecht offensiv und auch zum Vorteil seines Machtzirkels einsetzt.



    Generell Sprachverbote, hier besonders die Diskriminierung der russsischsprachigen oder russischsprachig sozialisierten Bevölkerung sind kontraproduktiv und deuten auf ein autoritäres Gesellschaftssverständnis hin.

    • @Meinungsäußerung:

      Russland hat letztes Jahr gewählt. Das Land blüht und gedeiht. Oder habe ich da etwas nicht mitbekommen?

      • @Carsten S.:

        Was haben die Wahlen in Russland mit den, per Kriegsrecht, nicht stattfindenden Wahlen in der Ukraine zu tun?

    • @Meinungsäußerung:

      Was eine "gewachsene demokratische Kultur" wert ist, sieht man gerade in den Vereinigten Staaten. Verglichen mit dem, was Trump derzeit veranstaltet, ist die Ukraine eine sehr lebendige Demokratie, jedenfalls in Anbetracht der Umstände. Alles, was im obigen Beitrag beschrieben wird, findet in den USA statt, ohne daß Krieg herrscht, aber unter weidlicher Ausnutzung von Notstandsbefugnissen.

      • @Ulrich Hartmann:

        Eine "lebendige Demokratie, sollte ihre Bevölkerung selbst entscheiden lassen, ob sie für das Land in den Krieg ziehen wollen.



        160.000, allein dieses Jahr Deserteure sprechen ihre eigene Sprache.



        Was zeichnet sie aus, die Demokratie in der Ukraine?

  • Ja, das Ganze lässt sich tatsächlich so zusammenfassen: dumm.



    In mehr als einer Hinsicht.

    • @Encantado:

      Rational unbegründet, aber vielleicht braucht die Moral eine Stärkung. Aber ob das dafür die geeignete Massnahme ist?