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Streaming-Gipfel im KanzleramtStreaming ist keine Einbahnstraße

Derya Türkmen
Kommentar von Derya Türkmen

Streaming-Dienste verdienen in Deutschland viel Geld. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer will, dass die Plattformen hierzulande investieren.

Das deutsche Kino stirbt und Wolfram Weimer will Disney, Netflix und Co. deswegen an die Kasse bitten Foto: Hannes P Albert/dpa

N etflix, Disney+, Amazon – sie dominieren den deutschen Markt, wachsen rasant und hinterlassen eine Spur aus leeren Studios und gestrichenen Produktionen. Während die US-Plattformen Milliarden mit deutschen Nut­ze­r:in­nen verdienen, rutscht die Filmbranche hierzulande in die Krise: An vielen Sets herrscht Stillstand, Filmschaffende verlieren ihre Jobs. Die klassische Filmförderung reicht längst nicht mehr.

Was bleibt, sind globale Plattformen mit standardisiertem Content – überall gleich, überall glatt, aber kaum noch verbunden mit dem Ort, an dem er gestreamt wird. Keine Arbeit, keine Filme, keine Kinos – und am Ende: keine Kultur. Zugespitzt heißt das: Das deutsche Kino stirbt.

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer will gegensteuern. Beim „Streaming-Gipfel“ am Mittwoch im Kanzleramt ging es um nichts Geringeres als die Frage: Wie bringen wir die Streaming-Riesen dazu, ihren Teil zur Finanzierung deutscher Inhalte beizutragen? Ganz einfach: verbindliche Regeln, die nicht die Konzerne schützen, sondern die Filmemacher:innen. Und die Orte, an denen sie gezeigt werden. Andere Länder sind längst weiter. Frankreich macht es vor: Dort müssen Streaming-Anbieter mindestens 20 Prozent ihres Umsatzes in nationale Produktionen stecken. Das schützt nicht nur die Filmwirtschaft – es bewahrt künstlerische Arbeitsplätze, sichert Kinostandorte und gibt lokalen Geschichten eine Chance.

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Was in Paris längst Realität ist, darf in Berlin nicht zur Hängepartie werden. Denn von Absichtserklärungen allein wird keine Kamera aufgebaut, kein Drehbuch finanziert, kein Kinosaal geöffnet. Wer Streaming-Plattformen in die Verantwortung nehmen will, muss mehr liefern als wohlmeinende Runden im Kanzleramt.

Es geht nicht um Symbolpolitik, sondern um eine kulturpolitische Entscheidung mit Konsequenzen. Denn hier steht das Überleben einer ganzen Branche auf dem Spiel. Streaming darf keine Einbahnstraße sein – und Kultur kein Kollateralschaden im globalen Abogeschäft.

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Derya Türkmen
Ist seit Oktober 2023 bei der taz, schreibt am liebsten über Gesellschaftthemen, Filmpolitik, Migration und die türkische Diaspora in Deutschland. Hat TV- und Filmproduktion in Hamburg, Angewandte Medien in Mittweida studiert, sowie Asian Cinema und TV-Broadcast in Ayr/Schottland.
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5 Kommentare

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  • Es muss doch auch in Deutschland innovative, spannende, mutige Leute geben, die Filme machen. Jedes, aber wirklich jedes Land um uns herum haut einen tollen Genre Beitrag nach dem anderen raus. Wenn unsere Film- und auch Gameförderung nur auf die immer gleichen Fre... äh Gesichter und Stories setzt, wird das nichts. Ist echt einfach nur traurig. Selbst für das gern angebrachte Dark, musste ein Österreicher her. Naja. Ich hab mit Deutschland in dem Metier längst abgeschlossen. Schau ich mir heute Abend mal "des Teufels Bad" an.



    Mmmh. Systemsprenger war toll. Pelikanblut auch. Bin aber grad echt zu faul zu googlen, ob das wirklich von uns gefördert wurde. Problem- und Nazifilmchen ist ja eigentlich unser "Ding"

  • Ich bin immer gerne dabei, wenn es darum geht, Wirtschaft im Inland zu retten.

    Nur in diesem Fall kann ich keine schützenswerte Industrie erkennen. Das "deutsche Kino" produziert schon seit Jahren am Kundengeschmack vorbei. Durch die Filmförderung werden "kulturell wertvolle" Filme produziert, die sich am Ende niemand anschaut. Auf der Berlinale werden Filme ausgezeichnet, die dann nie wieder gezeigt werden.

    Die vollen Portokassen von ARD und ZDF produzieren Rosemunde Pilcher und Tatort und lassen alle Jüngeren (alles vor dem Renteneintrittsalter) zurück.

    Wenn also Streamingdienste mit ihren angeblich langweiligen und glatten Inhalten die deutschen Angebote schlagen, dann braucht es die letztgenannten einfach nicht mehr.

  • Netflix produziert doch in Deutschland Serien, Filme und hat auch viele ÖR Produktionen im Angebot. Die machen das in allen Ländern wo sie offiziell sind. Ideal z.b. wenn man Filme in verschiedenen indischen Sprachen sehen will.



    Bei z.b. auf ostasiatische Inhalten spezialisierten Anbietern wie Crunchyroll oder Rakuten Viki wird es allerdings schwer.

  • Wie wäre es, wenn man in Deutschland erst einmal damit anfängt, die Filmförderung zu reformieren und mit dem vorhandenen Geld vernünftig umzugehen. Wenn Filme wie Manta Manta 2 und ähnliche Meisterwerke mit Millionen aus der Filmförderung bedacht werden, muss man sich ja nicht wundern, das für richtige Filme nicht übrig bleibt. Ganz offensichtlich produziert der deutsche Film überdies auch noch am Markt vorbei, wenn die Leute sich lieber Netflix ansehen. Bevor man also wieder andere zur Kasse bittet, sollte auch der deutsche Film erstmals reformiert werden. Wenn man einfach so Geld von Netflix und Co abgreifen kann, wird sich da aber nicht viel ändern

  • Dass in der taz mal für nationale Kulturquoten geworben wird, hätte früher auch keiner gedacht. Argumente dafür gibt es. Kleinere Produzenten, die für unabhängige Filme stehen, werden aber kaum etwas davon haben, profitieren werden die großen Firmen, die international konkurrenzfähige Produktionen wie "Dark" stemmen können.