Verstorbener russischer Politiker: Ein Tod und viele Fragezeichen
Russlands Verkehrsminister Roman Starowoit wurde bei Moskau leblos aufgefunden. Am Montag hatte Putin ihn entlassen. Über Hintergründe wird spekuliert.

Am Montagnachmittag berichteten mehrere Telegram-Kanäle, wie 112, Mash und Shot, denen gute Beziehungen zu den Sicherheitsstrukturen nachgesagt werden, vom Tod des Verkehrsministers Roman Starowoit. Laut Angaben des Ermittlungskomitees (SK) sei die Leiche des 53-Jährigen mit Schussverletzungen am Kopf nebst Dienstwaffe in seinem Auto in der Kreisstadt Odinzowo (Großraum Moskau) gefunden worden. Man gehe von Selbstmord aus.
Zum Todeszeitpunkt gibt es unterschiedliche Angaben. Starowoit sei bereits in der Nacht zum vergangenen Sonntag gestorben, weiß der Forbes zu berichteten. Am 6. Juli meldete der Pressedienst des Verkehrsministeriums, dass Starovoit im Lage- und Informationszentrum seiner Behörde eine Betriebsbesprechung abgehalten habe, da es im Hafen von Ust-Luga in der Region Leningrad während der Be- und Entladung des Tankers „Eco-Wizard“ zu einem Leck gekommen und Ammoniak ausgetreten sei. Laut dem Telegram-Kanal Mash hingegen sei Starowoi am Montagmorgen noch an seinem Arbeitsplatz aufgetaucht.
Peskow bleibt vage bezüglich Entlassung
Ebenfalls am Montagmorgen wurde Starowoi von Russlands Präsidenten Wladimir Putin seines Postens, den er erst seit Mai 2024 innegehabt hatte, enthoben. Dabei hatte Starowoi noch Anfang Juli bei einem Treffen mit dem Kremlchef zum Ausbau des Flughafennetzes vorgetragen. Auf Nachfrage von Journalist*innen nach den Gründen für den Rausschmiss, blieb Kreml-Sprecher Dmitri Peskow vage: „Von Vertrauensverlust wird gesprochen, wenn es um einen Vertrauensverlust geht. Wie Sie gesehen haben, wurde diese Formulierung nicht verwendet“, sagte er.
Angesichts der vielen Ungereimtheiten in Zusammenhang mit Starowoits Ableben wird derzeit heftig spekuliert. Einige Beobachter*innen und Expert*innen warten bereits mit Erklärungsversuchen auf. Derzeit laufen in der russischen Region Kursk, die an die Ukraine grenzt, Ermittlungen wegen Unterschlagung im großen Stil. Laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax seien in den Jahren 2022/23 umgerechnet rund 211 Millionen Euro aus dem russischen Staatshaushalt an die Behörden in Kursk geflossen.
Das Geld war für den Ausbau und die Befestigung von Grenzschutzanlagen bestimmt – mit dem Ziel, „das Land vor der militärischen Aggression der Ukraine zu schützen“. Dummerweise war Starowoit zum diesem Zeitpunkt bereits seit vier Jahren als Gouverneur von Kursk in Regierungsverantwortung. Im August 2024 eroberten ukrainische Truppen in einer Überraschungsoffensive Teile des Kursker Gebietes. Diese hat Russland mittlerweile wieder zurückerobert.
Parallelen zu Toden russischer Topmanager
Im April wurde Starowoits Nachfolger im Amt des Kursker Gouverneurs, Alexei Smirnow, wegen des Verdachts auf Unterschlagung von umgerechnet knapp elf Milliarden Euro festgenommen. Medienberichten, wie des russischen Kommersant zufolge, soll Smirnow gegen Starowoit ausgesagt haben. Diesem habe ebenfalls ein Ermittlungsverfahren gedroht.
Der russische Antikorruptionsexperte Ilja Schumanow sieht Ähnlichkeiten zwischen dem Fall Starowoit und dem Tod russischer Topmanager. Die fielen aus dem Fenster, griffen plötzlich zu Waffen oder erlitten einen Herzinfarkt und stürben in ihren Büros, schreibt er in einem Beitrag für das russischsprachige oppositionelle Webportal Meduza. In diesem Zusammenhang verweist Schumanow auch auf Starowoits enge Beziehungen zu den milliardenschweren Oligarchen-Brüdern Arkadij und Boris Rotenberg, die zum engsten Kreis von Putin gehören.
„Starowoit könnte nicht das letzte Glied in der Kette gewesen sein“, so Schumanow. „Es ist doch logisch, dass er hätte auspacken können – über Kontakte zu den Rotenbergs oder anderen Akteuren auf nationaler Ebene. Dieses hohe Risiko kann möglicherweise zum Grund für einen Mord werden, der als Suizid inszeniert wird.“
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