Studie zu Einstellungen in der Polizei: Konsequente Kontrolle statt Kosmetik
Die Polizei agiert nicht im luftleeren Raum: Die Hamburger Studie über ihre politischen Einstellungen macht klar, wie kontrollbedürftig sie ist.

D ie Hamburger Studie über demokratiebezogene Einstellungen und Werthaltungen in der Polizei zeigt, was kritische Kriminolog:innen seit Jahrzehnten betonen: Die Polizei ist kein neutraler Akteur, sondern ein Spiegel gesellschaftlicher Machtverhältnisse und Vorurteile.
Dass 23,8 Prozent der befragten Polizist:innen sich politisch rechts einordnen, 45 Prozent von ihnen Asylbewerber:innen abwerten und 26 Prozent Ressentiments gegen Sinti*zze und Rom*nja und Langzeitarbeitslose hegen, zeigt eben nicht nur individuelle Einstellungen. Es zeigt eine Institution, die von strukturellem Rassismus und Klassismus durchzogen ist.
Diese Zahlen sind kein Zufall, sondern Ausdruck einer Gesellschaft, die Migration und Armut als Bedrohung wahrnimmt – Narrative, die die Polizei im Einsatzalltag reproduziert. Die gesellschaftlichen Auswirkungen sind gravierend. Wenn Schutzpolizist:innen, die im Außendienst mit marginalisierten Gruppen interagieren, Vorurteile zeigen, drohen Diskriminierung und Gewalt zu eskalieren.
Hinweis auf Anfälligkeit für Populismus
Racial Profiling, übermäßige Kontrollen und Misstrauen werden zur Selbstverständlichkeit – mit fatalen Folgen für das Vertrauen in den Staat, insbesondere bei Minderheiten. Die Studie deutet zudem auf eine populistische Anfälligkeit hin, die demokratische Werte untergräbt. Eine Polizei, die Politik skeptisch sieht und Autoritarismus toleriert, gefährdet die Grundrechte, die sie schützen soll.
Die pauschale Zurückweisung der Ergebnisse durch Gewerkschaften wie die DPolG, die eine geringe Teilnahmequote monieren, ist deshalb völlig verfehlt. Selbst wenn die Studie nicht alle erreicht, zeigt sie Tendenzen, die sich in tatsächlichen Disziplinarverfahren – wie gegen 15 Beamte wegen rassistischer Chats – wiederfinden.
Das Problem pauschal zu leugnen, statt darin eine Aufforderung zur Reflexion und zur Reform der Polizei zu sehen, setzt eine Kultur der Verdrängung fort. Die Vermutung, dass rechtsradikale Beamte die Befragung gemieden haben, lässt befürchten, dass die Realität tatsächlich noch viel schlimmer sein könnte.
Gegen diese erschreckenden Tendenzen helfen keine kosmetischen Reformen. Es braucht eine konsequente gesellschaftliche Kontrolle und Kritik polizeilicher Macht: transparente Monitoringmechanismen, verpflichtende Anti-Rassismus-Trainings und eine Diversifizierung des Personals.
Aber die Polizei agiert nicht im luftleeren Raum. Deshalb müssen auch die sozialen Wurzeln angegangen werden – Bildung, Medien und Politik müssen aufhören, Minderheiten zu Sündenböcken zu machen. Nur so kann die Polizei zur Hüterin der Demokratie werden statt zu ihrer Bedrohung.
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