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Abschiebungen in den USAAbgeschoben und ausgeliefert

US-Präsident Trump ordnet die Deportation mutmaßlicher Gangmitglieder nach El Salvador an. Er setzt sich damit über ein Bundesgericht hinweg.

Berüchtigt für seine Haftbedingungen: Das Terrorism Confinement Center in Tecoluca, El Salvador Foto: Prensa de la Presidencia/imago

Die Anordnung von Richter James E. Boasberg vom Bundesbezirksgericht in Washington war eindeutig: Am Ende einer eiligst auf Antrag der Bürgerrechtsorganisation ACLU einberufenen Anhörung entschied der Richter am Samstagabend, alle Flugzeuge, die aufgrund einer Anordnung von US-Präsident Donald Trump mit venezolanischen Mi­gran­t*in­nen an Bord unterwegs nach El Salvador seien, müssten sofort in die USA zurückkehren.

Vorausgegangen war ein Präsidialdekret von Trump am Freitag, das die sofortige Deportation von Ve­ne­zo­la­ne­r*in­nen nach El Salvador anordnet, die von den US-Behörden für Mitglieder der Gang Tren de Aragua gehalten werden. Trump beruft sich dabei auf den sogenannten Aliens Enemies Act von 1798. Der gibt dem Präsidenten die Macht, Staatsangehörige von Ländern, mit denen sich die USA im Krieg befinden, zu deportieren oder zu inhaftieren. Das Gesetz erlangte im Zweiten Weltkrieg traurige Berühmtheit, als tausende japanischstämmiger US-Amerikaner in Lagerhaft gesteckt wurden.

Aber die USA sind nicht im Krieg mit Venezuela, und so erklärte Richter Boasberg, er glaube nicht, dass dieses Gesetz anwendbar sei und dem Präsidenten das Recht gebe, sich über alle juristischen Hürden hinwegzusetzen.

„Ooopsie, zu spät!“ schrieb am Sonntagfrüh El Salvadors Präsident Nayyib Bukele auf X zur Entscheidung des Richters und postete wenig später ein Video von der Ankunft der 238 Männer in El Salvador und ihrer Überstellung in das berüchtigte Gefängnis CECOT, das für bis zu 40.000 Insassen ausgelegt ist. Das Video zeigt, wie die Männer gedemütigt werden: wie sie gebeugt und von vermummten Einsatzkräften an den Haaren gezogen und anschließend kahlrasiert werden.

Das ist das in El Salvador übliche Verfahren bei der Einweisung von mutmaßlichen Gang-Mitgliedern in das extra zu diesem Zweck errichtete CECOT-Gefängnis. Dort gilt ein totales Besuchsverbot; weder Angehörige noch An­wäl­t*in­nen haben Zugang. Die Männer schlafen zu mehreren Dutzend in einer Zelle auf Metallbetten ohne Matratzen oder Decken. Menschenrechtsorganisationen protestieren seit je gegen diese Behandlung. Doch im Land – und auch in lateinamerikanischen Nachbarstaaten – erfreut sich Bukeles hartes Durchgreifen gegen die Gangs großer Beliebtheit.

Am Sonntag früh erklärte Trumps Pressesprecherin Karoline Leavitt, die Bezirksbundesgerichte hätten keinerlei Befugnis, über das außenpolitische Handeln des Präsidenten zu urteilen. Der Präsident habe das Recht, ausländische Feinde zu deportieren. Im übrigen seien die Gefangenen zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung bereits vom US-Territorium entfernt worden. Auf die Frage, ob sie sich zu dem Zeitpunkt noch in der Luft befanden, bereits gelandet oder bereits ins Gefängnis transferiert worden waren, gab sie keine Antworten. Darauf hatte auch der Anwalt der Regierung in der Anhörung unter Berufung auf nationale Sicherheitsinteressen keine Antwort gegeben.

Die venezolanische Regierung verurteilte die Deportation ihrer Staats­bür­ge­r*in­nen nach El Salvador. Das ganze Vorgehen erinnere an die dunkelsten Zeiten der Geschichte und stelle ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar, hieß es am Sonntag.

Venezuela hat sich bislang stets geweigert, eigene Staats­bür­ge­r*in­nen aus den USA zurückzunehmen. Nachdem Trump daraufhin nicht zuletzt auch die US-Marinebasis Guantánamo Bay auf Kuba für die Unterbringung ins Spiel gebracht hatte, kam mit dem Angebot Nayyib Bukeles, „ausländische Kriminelle“ gegen Geld in El Salvador zu inhaftieren, ein Ausweg. US-Außenminister Marco Rubio und Multimilliardär und Trump-Intimus Elon Musk bedankten sich bei Bukele für die Aktion am Wochenende. Kei­ne*r der deportierten Ve­ne­zo­la­ne­r*in­nen war in den USA rechtskräftig verurteilt.

Der Fall Mahmoud Khalil

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Trump über Gesetze hinwegsetzt, gerichtliche Anordnungen einfach übergeht oder Gesetzesinterpretationen ins Feld führt, die für die meisten Ju­ris­t*in­nen wenig stichhaltig sind. So unter anderem auch bei der Festnahme des früheren Studenten der Columbia-Universität, Mahmoud Khalil, vor etwa einer Woche. Khalil, der im vergangenen Jahr einer der Sprecher der pro-palästinensischen Protestaktionen an der Uni war, wurde von Mitarbeitern der Ausländerbehörde ICE festgenommen – sein Studentenvisum sei aufgehoben worden. Nur hatte er gar keins mehr, sondern seit seinem Studienabschluss eine Green Card, also eine gültige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis.

Außenminister Rubio behauptet nunmehr, die Proteste seien als feindliche Aktivitäten gegen die USA zu werten und daher habe das Außenministerium das Recht zur Abschiebung darin involvierter Ausländer. Der in Syrien geborene Khalil, dem keinerlei Rechtsverstoß vorgeworfen wird und der mit einer im achten Monat schwangeren US-Amerikanerin verheiratet ist, sitzt weiterhin in Louisiana in Abschiebehaft.

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16 Kommentare

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  • Der Erfolg gibt Nayyib Bukele recht. Die Gewalt und Kriminalität der Banden musste beendet werden. Jetzt ist die Gesellschaft sicher und die kriminellen werden als Arbeiter für Staat und Gesellschaft nützlich.

    • @Machiavelli:

      Dieser Nayyib Bukele ist ja ein lupenreiner Demokrat, der sich ganz sicher hervorragend mit Trump versteht. Und wen interessieren schon Menschenrechte.

    • @Machiavelli:

      Sie haben aber schon gelesen, was für Zustände in diesem Lager herrschen?

      Menschenrechte scheinen wohl egal zu sein.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Die Zustände sind natürlich haarsträubend und sicher zu kritisieren. Aber wenn man sich mal die Taten der Maras und ihrer ausländischen Ableger anschaut, ist das an Grausamkeit und Menschenverachtung nicht mehr zu übertreffen. Diese Banden führen einen Krieg gegen Staat und Bevölkerung, haben in El Salvador für die höchste Mordrate weltweit gesorgt, haben immer wiedr Massaker an Zivilisten begangen, expandieren in die verschiednesten Nationen Amerikas und sind zu einem großen Teil auch für Fluchtbewegungen in der Region zuständig. Das sind Terroristen wie sie im Buche stehen. Seit dem El Salvador so massiv gegen die Gangs vorgeht, ist die Mordrate in El Salvado von 81 pro 100000 Einwohner auf 2 (!) pro 100000 Einwohner gesunken.

  • Venezuela regt sich über die Deportation ihrer(kriminellen) Burger auf?



    Mein Mitleid halt sich in Grenzen

    • @hkj2314:

      deine Rechtschreibung hält sich auch in engen Grenzen auf...



      oder bist du nur ein russischer Störenfried?



      Noch setzen Demokratien auf Rechtsstaatlichkeit. Wer nicht verurteilt ist, kann demzufolge auch nicht einfach abgeschoben werden.

    • @hkj2314:

      In dem Artikel steht "Kei­ne*r der deportierten Ve­ne­zo­la­ne­r*in­nen war in den USA rechtskräftig verurteilt."

      Das heißt im klartext es ist erstmal davon auszugehen, dass diese Menschen unschuldig sind und die werden nun in eines der schlimmsten Gefängnisse gesteckt die man sich vorstellen kann und in dem Menschenrechte mit Füßen getreten werden.....dass dein Mitleid sich da in Grenzen hält ist traurig

      • @PartyChampignons:

        Zumindest der Straftatbestand des Mitglieds in einer kriminellen Vereinigung ist schon aufgrund der gangspezifischen Tattoos unbestreitbar. Die Gangs verteidigen ihre Zeichen mit tödlichen Mitteln gegen unberechtigte Nutzung - kein unbeteiligter US-Hipster würde auch nur im Traum daran denken, so etwas als ironische Markierung auf dem eigenen Körper zu tragen, aus reinem Überlebensinstinkt.

        • @TheBox:

          Bestrafen wir jetzt jemanden auf Grund von Tatoos, ist dass die Justiz die sie wollen, keine Beweise, nur äusserlichkeiten und Vermutungen? Ich auf jeden Fall nicht.



          Was sie hier äussern ist ein reiner Verdacht der absolut nicht für eine Verurteilung und eine Abschiebeung ausreichend ist.

    • @hkj2314:

      Die Leute wurden pauschal eingefangen. Es gibt keinen Beweis, dass alle Kriminelle sind. Dazu kommt, dass auch Kriminelle menschlich behandelt werden müssen...

  • „dem keinerlei Rechtsverstoß vorgeworfen wird“

    Unterstützung terroristischer Organisationen ist eine der Vorwürfe.

    Was Grund sein kann sowohl Student Visa, als auch Green Card zu annullieren.

    Die Fragen ob dies in ausreichendem Maße stattgefunden hat, ob Trump Prozess Fehler begeht um ein Exempel zu statuieren können davon getrennt werden.

    Natürlich ist Khalil gegen die USA, natürlich möchte er das System in ihr abschaffen. Kommunist*innen sagen offen was sie wollen, hier nicht.

    Natürlich wird hier ein Rechtsstaat instrumentalisiert, beidseitig.

    Aber das ist was ein demokratischer Rechtsstaat sein sollte, sogar für „Feinde“ wohl schauend ob es nicht doch im Rahmen der Gesetze war, anders als Carl Schmitt und Trump wollen.

    Sollten Antisemiten ihren Aufenthaltsstatus verlieren können? Ja. Auch Hamas Unterstützer.

    • @AlHozo Hoto:

      Khalil hat Antisemitismus immer ausdrücklich abgelehnt und es wird ihm von den dafür zuständigen Stellen tatsächlich nach wie vor nichts vorgeworfen. Ein Außenminister ist keine Anklagebehörde. Bleibt also nur der Kommunismusvorwurf. Schöne neue Welt indeed.

  • "...Gefängnis CECOT, das für bis zu 40.000 Insassen ausgelegt ist. Das Video zeigt, wie die Männer gedemütigt werden: wie sie gebeugt und von vermummten Einsatzkräften an den Haaren gezogen und anschließend kahlrasiert werden. ...

    Das ist das in El Salvador übliche Verfahren bei der Einweisung von mutmaßlichen Gang-Mitgliedern in das extra zu diesem Zweck errichtete CECOT-Gefängnis. Dort gilt ein totales Besuchsverbot; weder Angehörige noch An­wäl­t*in­nen haben Zugang. Die Männer schlafen zu mehreren Dutzend in einer Zelle auf Metallbetten ohne Matratzen oder Decken."

    Welche Sanktionen hat die EU gegen El Salvador verhängt?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Abgesehen davon, dass nur weil es in El Salvador "üblich" sei, das Vorgehen trotzdem verurteilenswert, mindestens aber fragwürdig ist: es handelt sich um Staatsbürger:innen VENEZUELAS von denen KEINE/R in den USA rechtskräftig verurteilt wurde. Dass damit ausdrücklich und absichtlich gegen eine Richterspruch gehandelt wurde, ist nur das Sahnehäubchen auf dem Kackkuchen. Darüber könntest du mal nachdenken.

      • @Systemknecht:

        Natürlich. Deshalb habe ich ja auch nach Sanktionen gefragt. Der Anfang ist ein langes Zitat aus dem Artikel.

  • So geht Diktatur. Sehr beunruhigend ist das Schweigen der Demokraten. Hat bei denen keiner den Mumm oder die Kraft gegen den Zusammenbruch der USA aufzubegehren? Was soll denn noch passieren?