piwik no script img
taz logo

Angriff auf SPD-Mitglieder in BerlinDrei junge Neonazis in Untersuchungshaft

Nach der Prügelattacke auf SPD-Wahlkämpfer*innen sitzen drei mutmaßliche Angreifer in U-Haft. Die Neonazis waren unterwegs zur Demo in Friedrichshain.

Hier wollten die Angreifer hin: rechtsextreme Demo in Friedrichshain am Samstag Foto: Fabian Sommer/dpa

Berlin taz | Nach dem Angriff mutmaßlicher Neonazis auf SPD-Wahlkämpfer*innen in Lichterfelde sitzen drei der vier Tatverdächtigen in Untersuchungshaft. Das teilte die Staatsanwaltschaft Berlin am Montagvormittag mit.

Ein Ermittlungsrichter am Amtsgericht Tiergarten hatte am Sonntagabend Haftbefehle gegen alle vier mutmaßlichen Angreifer im Alter von 16, 18 und 19 Jahren erlassen, ein 19-Jähriger wurde nun allerdings unter Auflagen vom Vollzug verschont, so die Ermittlungsbehörde.

Am Samstag hatten vier junge Männer zwei SPD-Mitglieder am Kranoldplatz nahe dem S-Bahnhof Lichterfelde Ost attackiert und schwer verletzt. Laut Polizei und Staatsanwaltschaft nannten sie die Wahl­kämp­fe­r*in­nen „linke Zecken“, rissen ihnen ihre SPD-Kappen vom Kopf und schubsten sie zu Boden. Auf einen der beiden schlugen die Täter demnach weiter ein und traten ihm massiv mit Springerstiefeln in den Bauch und gegen den Kopf.

Zu Neonazi-Demo aus Sachsen-Anhalt angereist

Als zwei Polizisten einschreiten wollten, wurden diese ebenfalls angegriffen. Einer der beiden sei rassistisch beleidigt und mit einer Glasscherbe im Gesicht verletzt worden, der andere erlitt einen Mittelhandbruch.

Erst als weitere Polizisten eintrafen, konnten die Angriffe gestoppt werden. Die verletzten Polizisten und der Wahlkämpfer kamen ins Krankenhaus, konnten es aber nach ambulanter Behandlung wieder verlassen.

Den Ermittlungen zufolge waren die Angreifer aus Halle an der Saale in Sachsen-Anhalt angereist, um an einer rechtsextremen Demonstration in Friedrichshain und Lichtenberg teilzunehmen. Warum sie deshalb am Bahnhof Lichterfelde Ost im Bezirk Steglitz-Zehlendorf ausstiegen, ist unklar.

Womöglich hatten sie die Berliner Ortsteile Lichterfelde und Lichtenberg verwechselt. Nun ermitteln der Staatsschutz der Polizei und die Staatsanwaltschaft wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in besonders schwerem Fall.

Physische und psychische Verletzungen

Der Berliner Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) verurteilte die Tat am Montagmorgen im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses „aufs Allerschärfste“. Attacken wie diese seien nicht nur Angriffe auf die betroffenen Personen, sondern auf „die Demokratie und unseren Rechtsstaat“, so Hochgrebe unter Applaus der Abgeordneten.

Die Betroffenen trügen nicht nur körperliche, sondern auch psychische Verletzungen von einem solchen Erlebnis davon, sagte Hochgrebe. Es wirke sich zudem auf alle Parteimitglieder aus, die in den kommenden Wochen Wahlkampf machen werden.

Laut SPD war eine der angegriffenen Personen die SPD-Fraktionsvorsitzende der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf, Carolyn Macmillan. Sie sei immer noch geschockt von der Tat, sagte sie am Sonntag. „Wir dürfen unseren Platz in Lichterfelde Ost nicht den Nazis überlassen“, so Macmillan.

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) meldete sich zu Wort. „Das ist brutale rechtsextreme Gewalt gegen engagierte Demokraten“, schrieb sie auf X. Die Tat müsse hart bestraft werden.

Immer wieder Angriffe auf Wahl­kämp­fe­r*in­nen

Im Wahljahr 2024 machten Attacken auf Wahlhelfer immer wieder Schlagzeilen. Unter anderem wurde der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke im Mai in Dresden von jungen Neonazis schwer verletzt. Auch im Vorfeld der Landtagswahl in Brandenburg kam es zu Übergriffen auf ehrenamtliche Wahlhelfer von Parteien.

Darüber hinaus ist Berlin in den vergangenen Monaten regelmäßig Schauplatz von rechtsextremer Gewalt. Im Juli prügelten Neonazis von der Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ in Friedrichshain auf Antifa-Demonstrant*innen ein. Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf gab es in den Sommermonaten mehrere mutmaßlich rechte Übergriffe; im Oktober ging die Staatsanwaltschaft dann mit einer groß angelegten Razzia gegen Verdächtige aus der rechtsextremen Szene vor.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

25 Kommentare

 / 
  • Eieiei, wieder einmal nur Einzelfälle, oder? Und es ist ja auch für den Verfassungsschutz soooo schwer, gewaltbereite rechtsextreme Neonazis zu finden. Das Foto über dem Artikel zeigt: die sehen aus wie treusorgende Familienväter und -mütter. Wer hätte hinter dieser Horde gewaltbereite Neonazis vermutet?



    Ist aber auch egal, ob der Verfassungsschutz sie als Neonazis identifiziert, er lässt sie sowieso gewähren.



    Die echten Gefährder sind höfliche zurückhaltende Jungendliche, die sich auf Straßen kleben oder Privatjets mit Farbe besprühen. Gegen die wird wenigstens mit aller Staatsmacht vorgegangen.



    "Rechts"staat. Dass jetzt mal ein paar für ein paar Monate eingesperrt werden, kann niemandem Sand in die Augen streuen.

  • Hoffentlich erfahren wir in der taz auch das Urteil.



    Ich fürchte, es wird Monate dauern bis es eines gibt. Schon das ist schlecht. Und ich fürchte, es läuft auf 40h Sozialarbeit oder eine Geldstrafe im mittleren 3stelligen Bereich heraus. Und man wird wieder von "Ersttätern" sprechen. Und allerhand strafmilderndes Zeug aufschreiben.



    Anstatt den offensichtlich politisch indoktrinierten und reichlich verwirrten Köpfen klare Kante zu zeigen, die schmerzlich und spürbar ist. Aber hätte der Staat, bzw Berlin, dazu überhaupt Mittel und Ideen?

    • @Monomi:

      Das ist leider alles genau so vorhersehbar.



      Und wären die Nazis nicht so dumm gewesen, auch noch die Polizisten anzugreifen, wären sie auch nicht in Untersuchungshaft gekommen.

  • Ab in den Knast, mehr ist dazu nicht zu sagen.

  • Mich wundert es das hier die Polizei und die Staatsanwaltschaft ermittelt haben, das kommt nur daher das die Opfer keine Flüchtlinge waren und parteipolitisch aktiv, sonst hätte kein Hahn danach gekräht! Zum Glück für die Opfer das es in Berlin passiert ist, auf dem Land in den No-go-Areas hätte es keinen interessiert.

    • @taz.manien:

      Berlin hat doppelt so viele rechtsextreme Straftaten wie wir hier in Sachsen pro Kopf. Von Antisemitischen Vorfällen usw. will ich gar nicht erst anfangen. Statistisch ist die Chance in Berlin Opfer von Gewalt zu werden etwa 4mal so hoch wie bei uns. Selbst bei diesen Zahlen zeigt ihr dann immer noch mit dem Finger auf uns? Ihr seid der größte noGo-Area des Landes.

      • @Šarru-kīnu:

        Noch nie von einer Dunkelziffer gehört, ich möchte nicht wissen wie viele Menschen in ihren Bundesland eingeschüchtert werden, und weil jene nicht noch mehr von den so genannten braunen besorgten Bürger im Dorf ( Nachbarn ) Repressalien erleiden wollen, bringen diese die erlebten Übergriffe nicht zur Anzeige! Man weiß ja wie Dorfnazis und deren Sympathiesanten reagieren wenn sie angezeigt werden, da hat man kein schönes ruhiges Leben mehr! Was glauben sie wieso so viele ihr Mund halten, selbst wenn jene diese faschistische Umtriebe abstoßend finden?

    • @taz.manien:

      Bestes Beispiel dafür ist Iris Spranger (SPD), welche als Innensenatorin seit Jahren professionell zu den Verstrickungen von Berliner Polizisten und Staatsanwälten mit den Neonazis schweigt. Selbst nachdem im U-Ausschuss Ermittler zu dem Schluss kamen, dass Informationen durchgestochen wurden, der Staatsschutz hunderte Fälle ignorierte oder man Daten und Adressen an den NSU2.0 Drohbriefschreiber weitergab.



      Dafür beleidigt sie die Opfer der Brandanschläge, wenn diese sich beschweren dass ihnen Akten vorenthalten werden.



      Als I-Tüpflelchen gibt es Polizisten aus den Ermittlungsgruppen, welche in ihrer Freizeit Ausländer verprügeln. Aber bei den Freunden und Kollegen aus den anderen Strafverfolgungsbehörden wird man dafür nicht aus dem Dienst entfernt. Bewährung von ein paar Monaten und schön weiter mit Uniform und Waffe herumlaufen.

    • @taz.manien:

      Als würde irgendjemand bei der Staatsanwaltschaft sagen:"Na, das hat jetzt einen Syrer getroffen, das müssen wir sofort einstellen. Ach der hier ist Deutscher, das geht nicht, sofort ermitteln!"

      Übrigens waren AfDler lange Zeit unter den parteipolitisch Aktiven die Gruppe, die am meisten attackiert wurde.

      Seit wenigen Jahren besetzen nun die Grünen den Spitzenplatz.

      So zur Einordnung, wonach Hähne krähen.

      • @rero:

        Ja, ich bin der Meinung das wenn es einen Ausländer/Flüchtling trifft oder einen deutschen Staatsbürger dann wird das mit zweierlei Maß gemessen. Das verfolgen einer Straftat bei einen Flüchtling oder Ausländer läuft ins leere weil kein Straftäter ermittelt werden kann, nicht weil man das nicht könnte, sondern weil der Ermittlungs Elan Richtung null geht! Dann wird alles ganz still eingestellt, so einfach sieht das aus! Ich weiß der Fall NSU ist ein bisschen länger her, aber der steht exemplarisch für vieles was heute genau so weiter in den Köpfen der Verfolgungsbehörden existiert wie damals, wenn ein Ausländer Opfer einer Straftat geworden ist, dann sind die Opfer bestimmt selbst Schuld!

  • Das sind die Verhältnisse, die wir bald immer häufiger sehen werden, weil die bürgerliche Mitte an der Ausländerfeindlichkeit dreht (Merz) und weil es die AfD und die junge Alternative (JA) gibt. Dazu noch Heimat/NPD und Neonazis/Naziskins.

    Die Szene sieht sich im Recht, jetzt zu handeln und Politik heißt bei denen mit Gewalt 'Feinde' bekämpfen.

    Insofern wird es für normale politisch Aktive gefährlicher, sich zu engagieren. Und mit der Gewalt kommt auch Angst. Genau das wollen diese Neonazis und Rechtsextremisten auch, wenn sie selber mal angegriffen werden, haben sie gute Chancen, dass der Staat auf so eine linke 'Gewalt' martialisch reagiert.(->Lina)

    Dazu verschleiern Anwälte regelmäßig rechte Gewalt und erwirken nicht selten milde Urteile oder lassen die Täter beim Verfassungsschutz anheuern.



    = Diese Gewalt entsteht nicht zufällig.

    • @Andreas_2020:

      Und diese 'bürgerliche Mitte' ist zu blöd, aus der Geschichte zu lernen. Vor knapp hundert Jahren waren es auch die Beschwichtiger von Zentrum und SPD, die mit zu den ersten Opfern der Nazis gehörten.

    • @Andreas_2020:

      "Dazu verschleiern Anwälte regelmäßig rechte Gewalt und erwirken nicht selten milde Urteile oder lassen die Täter beim Verfassungsschutz anheuern"

      Das ist doch eine sehr praxisferne Schilderung. In rechten Kreisen herrscht nun wahrlich kein Mangel an Anwälten. Alleine rund 10% der AfD Bundestagsabgeordneten sind Juristen.







      Dazu gibt es die sogenannten Szene Anwälte die direkt aus dem rechtsradikalen Umfeld stammen und mit der Szene aufgewachsen sind, sei es in Bands, Parteien, Kameradschaften oder auch unter Hooligans.

      Dann gibt es noch die große Gruppe der rechtspopulistischen Anwälte die sich einen seriösen Anstrich geben und dabei nach Posten und Mandaten streben. Diese Gruppe würde sich selbst nie als "Nazi Anwälte" definieren, vertritt zwar häufig dieses Klientel, grenzt sich nach außen jedoch streng davon ab.

      Fast sämtliche Strafverfahren gegen rechte Täter werden von diesen Gruppen vertreten und natürlich wird im Prozess von Seiten der Verteidigung versucht seinen Mandanten als Opfer darzustellen. Probates Mittel.

      Was garantiert nicht von Seiten der Anwälte versucht wird, ist den Täter gegen Strafmilderung an den Verfassungsschutz zu vermitteln.

      • @Sam Spade:

        Woher kommen die vielen Spitzel, die schwere Gewaltverbrechen begehen und milde abgeurteilt werden und dann plötzlich den Staat mit Informationen eindecken?

  • Das ist erst der Anfang. Sobald die Faschos auch nur einen Zipfel Macht bekommen, wird das schlimmer. Es ist immer wichtiger für alle demokratischen Parteien, sich mit ihrer Wortwahl und Zielsetzung von diesen Rüpeln zu distanzieren. Doch so lange ein gewisser Söder aus dem tiefen Süden die GRÜNEN heftiger bekämpft als die Faschisten, so lange werden Letztere immer mehr an Zulauf gewinnen. Doch der steht mit merkwürdigen Forderungen nicht allein....

    • @Perkele:

      Söder bekämpft die Faschisten mit beinharter Scheinheiligkeit. Seine Koalitionspartner sind schließlich die politische "Brückentechnologie" zum Braunen.



      Und er macht das, weil weite Teile des bayrischen Wahlvolkes das ebenfalls so wollen. Pi mal Daumen etwas mehr als die Hälfte.

    • @Perkele:

      Na ja, der AfD gräbt die CSU recht erfolgreich das Wasser ab.

      Die sich als Lieblingsgegner zu suchen, wäre aus Söders Sicht ziemlich sinnfrei.

      • @rero:

        Und dann betrügt man lieber die gesamte Republik.....

        • @Perkele:

          Die CSU macht Wahlkampf für Bayern, nicht für die "gesamte Republik".

          Die Wahlerfolge der AfD sind in Bayern recht überschaubar.

          Ist die Strategie aus Ihrer Sicht dann schlecht?

          • @rero:

            Das kann man dann gelten lassen, wenn die CSU sich auf Bayern beschränken würde, was sie allerdings eben NICHT macht. Die wollen qua Ministerien in der Bundesregierung so viel wie möglich auch anderswo mitbestimmen. Da sei nur an das PkW Mautdesaster erinnert: das war ein ausschließlich bayrisches Rachegelüst. Wohin sind denn die meisten Zuschüsse aus den CSU geführten Ministerien gegangen? So wie es sein sollte gleichmäßig an alle Bunesländer? Mitnichten. Der Löwenanteil ging stets an Bayern, prüfen Sie's mal nach.

            • @Perkele:

              Wo ist da jetzt der Zusammenhang zu dem Umstand, dass die CSU sich die Grünen als Hauptgegner ausgesucht hat und die AfD in Bayern im Abseits steht?

  • "Womöglich hatten sie die Berliner Ortsteile Lichterfelde und Lichtenberg verwechselt."

    Das klingt sehr plausibel.

    • @fhirsch:

      Denke ich auch - zumal solche Typen ja schon von Hause aus nicht die hellsten Lichter auf der Torte sind.

    • @fhirsch:

      Warum nicht?! Das sind keine Faschisten, das sind einfach nur saublöde Dumpfbacken, die in den Knast gehören!!!

      • @Sozialdemokratie:

        Sie sehen aus wie Neonazis, sie rufen Neonaziparolen, sie agieren wie Neonazis - klarer Fall: das können nie und nimmer Faschisten sein...

taz zahl ich illustration

tazzahl ich

Ihr Kinderlein leset

Bei uns können alle so viel lesen, wie sie möchten. Guter Journalismus muss sich jedoch, auch und gerade im Digitalen, finanzieren. Am besten freiwillig und solidarisch. Das ist die Idee, und schon beinahe 40.000 Menschen machen mit. Fördern auch Sie jetzt die taz?

  • Ja, ich will
  • Unterstützen Sie die taz jetzt freiwillig mit Ihrem Beitrag
  • Vielen Dank, dass Sie die taz unterstützen
  • Schon dabei!