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Fehlender Haushalt für 2025Bundesregierung finanziert keine Sprachkurse über B2-Niveau mehr

Wie sollen Fachkräfte Deutsch lernen, wenn es keine Sprachkurse mehr gibt? Nach dem Ampel-Aus fehlt Finanzierung an allen Ecken. Das trifft auch die politische Bildung und den Digitalpakt.

Wegen der vorläufigen Haushaltsführung wird hier vorerst gespart: Szene aus einem Integrationskurs in Berlin Foto: Andreas Pein/laif

Berlin taz | Was die Bundesregierung am Montag zur vorläufigen Haushaltsführung entschieden hat, dürfte für Hunderttausende Menschen massive Auswirkungen haben. Es geht unter anderem um das Geld für politische Bildung, die Integration von Zugewanderten und die Rettung afghanischer Menschenrechtler*innen. Dabei klingt die Nachricht zunächst unspektakulär: Die Rest-Bundesregierung aus SPD und Grünen stützt die vorläufige Haushaltsführung auf den Ampelentwurf für den Haushalt 2025 sowie einige spätere Beschlüsse des Haushaltsausschusses.

Das Thema ist komplex: Nötig ist die vorläufige Haushaltsführung immer dann, wenn es kein Haushaltsgesetz gibt. Wegen des Ampel-Bruchs ist das 2025 zunächst der Fall. Dann kann der Bund all das weiterfinanzieren, was bereits gesetzlich beschlossen wurde, neue Ausgaben sind jedoch nur ausnahmsweise möglich.

Offen war bis Montag noch, was die Grundlage der Haushaltsführung wird. Eine Option wäre es gewesen, einfach das Haushaltsgesetz für das laufende Jahr als Vorlage zu nutzen. Doch im Finanzministerium hat man sich stattdessen für den Entwurf für ein Haushaltsgesetz 2025 entschieden, den die Ampel im Sommer noch vorgelegt, aber dann nicht mehr beschlossen hatte. In einem Rundschreiben an die Ministerien, das der taz vorliegt, empfiehlt Finanzminister Jörg ­Kukies (SPD) einen „sparsamen Umgang“ mit dem Geld. Vorläufig stehen nur 45 Prozent der Jahresmittel zur Verfügung.

Folgen hat all das etwa bei der Finanzierung der Integrationskurse. Die sollen Geflüchteten und anderen Zu­wan­de­r*­in­nen Deutsch beibringen und gesellschaftliche Grundkenntnisse vermitteln. Im Haushaltsentwurf 2025 ist mit rund 500 Millionen Euro aber nur halb so viel Geld dafür vorgesehen wie noch im laufenden Jahr. Und dabei bleibt es nun.

Radikale Kürzung bei Sprachkursen

Zwar hatte das Bundesinnenministerium (BMI) unter Nancy Faeser (SPD) Ende November zugesagt, die Kurse zu finanzieren. Gleichzeitig hatte das Ministerium angekündigt, dass es von nun an ein „kompakteres Kursangebot“ geben soll und Möglichkeiten, Kurse zu wiederholen, eingeschränkt werden. So sollen offenbar Kosten gespart werden. Konkrete Zahlen dazu, wie viel Geld für die Kurse bereitsteht, nennt das BMI auf taz-Nachfrage nicht.

Jeannette Langner vom Berufsverband Integrations- und Berufssprachkurse berichtet der taz, dass die Zusicherung des BMI zwar für eine gewisse Entspannung bei den Trägern der Integrationskurse geführt habe. Trotzdem: „Wir brauchen endlich belastbare Zahlen.“ Wirklich dramatisch sei, dass die Berufssprachkurse zusammengestrichen werden sollen, deren Finanzierung über das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) läuft, so Langner. Den Trägern der Sprachkurse wurde mitgeteilt, dass nur noch die berufsbegleitenden Kurse sowie 90 Prozent der Kurse mit dem Sprachniveau B2 weiterfinanziert werden. Alle anderen Kurse werden künftig entfallen – sowohl die für niedrigere als auch für höhere Niveaus. Langner dazu: „Das macht überhaupt keinen Sinn, wir haben doch Fachkräftemangel.“ Die Kurse seien für viele Ein­wan­de­r*­in­nen dringend nötig, um eine Arbeit aufzunehmen oder eine Ausbildung anzufangen.

Noch dramatischer ist die Lage bei Asylverfahrensberatungen. Dieses Projekt hängt an Zahlungen des BMI. Hier ist noch unklar, ob die Projekte für Geflüchtete vollständig gestoppt werden, weil womöglich gar kein Geld mehr kommt. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die die Beratung anbietet, spricht von einer „Zumutung“ für Träger und Beschäftigte, „drei Tage vor Weihnachten immer noch keine Zusicherung zu haben“.

Ganz anders wirkt die Entscheidung auf das wankende Aufnahmeprogramm für afghanische Men­schen­recht­le­r*in­nen und andere von den Taliban Verfolgte. Denn in die Haushaltsführung fließt nun ein Kompromiss, auf den sich Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP wenige Stunden vor dem Bruch der Ampel geeinigt hatten. Erst sollten die Mittel für das Programm gestrichen werden, doch jetzt gibt es rund 50 Millionen Euro aus Bundesmitteln und einem EU-Fonds.

Unsicherheit bei Bildungseinrichtungen

Allerdings will das BMI das Geld dafür gar nicht haben, ist das Haus von Ministerin Faeser doch dabei, das Programm still und leise abzuwickeln. Schon lange verzögert das Ministerium die Umsetzung: Statt der geplanten 1.000 Af­gha­n*in­nen monatlich wurden in rund zwei Jahren nur 1.020 Personen evakuiert. Insgesamt.

Dass das Geld für weitere Evakuierungen nun gesichert ist, liefert all denen ein Argument, die vom BMI fordern, wenigstens noch die bereits begonnenen Fälle abzuarbeiten. Die Grünen-Abgeordnete Jamila Schäfer sagt der taz: „Die Zusagen für das Bundesaufnahmeprogramm zu stoppen, widerspricht dem Beschluss des Parlaments.“ Schäfer findet, wenn das BMI ein Interesse an Glaubwürdigkeit habe, müsse es die Verfahren zur Einreise „unverzüglich“ wieder aufnehmen. Das BMI sagt dazu auf Nachfrage der taz nichts.

Auch Träger der politischen Bildung haben mit den Folgen der vorläufigen Haushaltsführung zu kämpfen. Das Programm „Respekt Coaches“ beispielsweise, über das So­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen an Schulen Workshops zu Themen wie Diskriminierung oder Vielfalt geben. Das Programm wird vom Bundesfamilienministerium gefördert und erhält nun zunächst nur 45 Prozent der für 2025 vorgesehenen Mittel. Damit haben die Träger dieser Projekte, zu denen unter anderem die AWO zählt, zwar vorerst Gewissheit, wie es weitergeht. Aber sollte der neue gewählte Bundestag den Haushalt erst in der zweiten Jahreshälfte beschließen, müssten sie in Vorleistung gehen. Es gebe „somit weiterhin Planungsunsicherheit“, teilt der AWO Bundesverband mit.

Auch beim Anne Frank Zentrum in Berlin kommen vorerst nur 45 Prozent der geplanten Gelder an, mit denen dort Bildungsarbeit gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus finanziert wird. Direktorin Veronika Nahm sagt: „Das verkürzt unseren Planungshorizont deutlich.“ Deshalb seien die Arbeitszeiten des Personals gekürzt worden und eine Stelle habe nicht verlängert werden können.

Digitale Ausrüstung der Schulen in Gefahr?

Nach Informationen der taz warten viele andere Demokratieprojekte noch auf einen bindenden Förderbescheid. So haben diverse Träger, die ab Januar über die das Bundesprogramms „Demokratie leben!“ finanziert werden, bisher lediglich einen „vorzeitigen Maßnahmenbeginn“ beschieden bekommen. Ihnen wurde also angekündigt, dass Geld für Projekte überwiesen wird. Wann dies geschehen wird, blieb aber offen, und die Zusage kann theoretisch später noch zurückgenommen werden.

Die Organisationen stelle diese Situation vor große Herausforderungen, sagt Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus engagiert. „Die Träger haben ja kein eigenes Geld. Sie müssen Kredite aufnehmen, um ihre Projekte vorfinanzieren zu können. Und das tun sie auf eigenes Risiko.“ Andere Projekte der Stiftung wie der Demokratiebus – ein mobiles Bildungsangebot gegen rechts – stünden sogar gänzlich auf der Kippe, so Reinfrank.

Was die Situation nicht einfacher macht: Auch mehrere Bundesländer, in denen dieses Jahr gewählt wurde, haben noch keinen Haushalt für 2025 verabschiedet. In Thüringen etwa muss deshalb die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) aller Voraussicht nach ab Januar vorerst die Arbeit einstellen – obwohl der Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung die Förderung explizit vorsieht.

Und dann ist da noch der Digitalpakt 2.0., den Interims-Bildungsminister Cem Özdemir (Grüne) nach monatelanger Blockade unter Bettina Stark-Watzinger (FDP) mit den Ländern vereinbart hat. Er sollte im Januar 2025 starten. Doch der nun maßgebliche Haushaltsentwurf erwähnt den Digitalpakt 2.0 mit keinem Wort.

Die dafür zugesagten 2,5 Milliarden vom Bund über die kommenden sechs Jahre muss dann der neue gewählte Bundestag freigeben – sofern die neue Bundesregierung die Vereinbarung überhaupt in der Form übernimmt. Auch für die Kommunen, die als Schulträger für die Ausstattung von Schulen zuständig sind, beginnt das neue Jahr deshalb mit größtmöglicher Planungsunsicherheit.

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12 Kommentare

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  • Da gibt es nun viele Leute, die Deutsch lernen wollen, und denen streicht man die Förderung.

    Gleichzeitig wird ansonsten immer darüber lamentiert, dass die deutsche Sprache angeblich vom Aussterben bedroht wäre...

  • Ich verstehe das Problem nicht (Jammern kann man natürlich immer).

    Jetzige BR hat keine Mehrheit und deswegen keinen Haushalt 2025. Wir wählen am 23.2. Vorher nix weitere Kohle. Dann wird fortgeführt, was die neue BR will. Ist unsere Demokratie wirklich so schwer zu verstehen?

    • @GregTheCrack:

      Was ist an dem Problem so schwer zu verstehen, dass all diese gesellschaftlich extrem relevante Arbeit, die von Menschen professionell und motiviert gemacht werden muss, unter ständigen existenziellen Finanzierungsengpässen geschehen muss oder gar ganz ausfällt?

  • Bei der "digitalen Ausrüstung von Schulen" gibt es sicher sinnvolle Anschaffung; im Großen und Ganzen ist es darum jedoch nicht schade:

    Aktuell beobachte ich eher, dass die Schulen an dieser Stelle (nicht sonst) mit Geld zugeworfen werden, ohne dass es Konzepte gibt, diese zu verwenden. Schließlich sollte ja das Ziel eine Verbesserung der Lernergebnisse sein - wo entsteht die, und dann in nennenswertem Umfang, durch neue Geräte?



    Nicht theoretisch, sondern tatsächlich und in großem Stil?

    Es ist das gleiche wie bei Bundeswehr, Bahn, Sozialem und vielem mehr:



    Die Regierung machte auf "Doppel-Wumms" - und niemand sich Gedanken, was eigentlich Sinnvolles getan werden sollte.



    So verpuffen alle Investitionen.

  • B2-Niveau:



    Der Lernende kann die Fremdsprache selbständig verwenden und ist in der Lage, die wesentlichen Inhalte komplexer Texte zu verstehen. Auch eine spontane und fließende Verständigung im Rahmen eines alltäglichen Gesprächs mit Muttersprachlern ist den Lernenden möglich. Das Kompetenzniveau B2 stellt somit eine gute Mittelstufe dar.

    Anders ausgedrückt, wer das Niveau B2 beherrscht ist manchmal weiter als Einheimische.

  • An der Bildung zu sparen, ist so ungefähr das Dümmste, was man tun kann. Aber Bildung ist ja eigentlich Ländersache. Insofern wären die Länder auch finanziell dafür zuständig. Der Föderalismus lässt grüßen.

    • @Aurego:

      Es muss was an der Verteilung von Geld -Bund-Länder- reformiert werden. Föderalismus ist sehr gut behaupte ich. Aber wenn kein Geld da ist wird das immer nach unten durchgereicht (z.B. Kommunen sind für Schulgebäude zuständig).

  • Ganz einfach: Indem die Fachkräfte ihre Kurse selber zahlen und als Weiterbildungskosten absetzen. So wie jeder andere auch. Mit B2 ist man ja schon auf dem Niveau: "Kann sich so spontan und fließend verständigen, dass ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne größere Anstrengung auf beiden Seiten gut möglich ist."

  • "Regierung bezahlt keine Sprachkurse über B2-Niveau mehr. Wie sollen Fachkräfte Deutsch lernen, wenn es keine Sprachkurse mehr gibt?"

    Der Sprung von B2 zu C1 kann durchaus autodidaktisch in etwa 3-6 Monaten gemacht werden und ist in der Regel reine Fleissarbeit. Das Wichtigste: lesen, lesen und lesen.

  • Anekdotisch aus dem weiteren Freundeskreis: Die Sprachkurse leiden demnach an zweierlei:



    So manche wollten sofort arbeiten und sitzen dann nicht im Kurs, obwohl sie eigentlich mit Deutsch dann viel bessere Chancen bekämen, geht's in den Schlachthof etc.



    Das Niveau wird nicht gehalten, Menschen weitergeschoben, die aber dann abgehängt sind. Die Durchfallquote sei trotz übergroßer Gnade entsprechend. Hier könnten engagierte Muttersprache-Ehrenamter helfen, aber eigentlich sei da zu wenig Ressource im System.



    Schlecht bezahlt sei Deutsch-Unterrichten sowieso, vor allem, wenn man die Vorbereitung und Kontrolle einbeziehe.



    Idealismus muss es also auch hier richten, sollte es in Zukunft aber nicht allein.



    Doch so einige Berufe und die Mitwirkung täglich brauchen mehr als B2, und das im Alltag und abends alleine zu lernen ist nicht jedem gegeben.

  • Interessant zu lesen, dass dieses weitere Puzzleteil im politischen Totalversagen mal wieder vorwiegend einen trifft:



    Nämlich den kleinen Bürger.

    Alle großen Fische haben offenbar ihre Schärflien schon ins Trockene geschafft.

  • Alles sicherlich nicht erfreulich, aber was soll getan werden?

    Es gibt nun mal zur Zeit keine komplett handlungsfähige Regierung bis Frühjahr, Sommer 2025.