piwik no script img

Ampel-Intrige der FDPJetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann

Ein internes Papier legt nahe, dass die FDP-Spitze über ihre Vorbereitungen zum Ampel-Aus gelogen hat. Lindner und Co sind jetzt in Erklärungsnot.

Ein Fähnchen im Wind? FDP-Generalsekretär Djir-Sarai schiebt die Schuld auf Mitarbeiter

Berlin dpa | Ein detailliertes Papier der FDP zum Ausstieg aus der Ampel-Koalition bringt die Parteiführung in Erklärungsnot und stößt auch bei Liberalen auf Kritik. FDP-Präsidiumsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte der Deutschen Presse-Agentur, angesichts der Situation in der Regierung sei es zwar richtig gewesen, sich mit Ausstiegsszenarien auseinanderzusetzen. Aber: „Die Wortwahl ist der Sache nicht dienlich, eine Verschriftlichung mit dieser Tonalität nicht nachvollziehbar.“

Sie forderte Selbstkritik und Aufarbeitung, wie sie später auch noch einmal auf X betonte. Bei den früheren Koalitionspartnern SPD und Grüne löste das „D-Day“-Papier große Empörung aus.

Die FDP hatte das achtseitige Dokument im Stil einer Powerpoint-Präsentation am Donnerstag selbst veröffentlicht, nachdem Zeit und Süddeutsche Zeitung der Partei Fragen dazu gestellt und das Nachrichtenportal Table.Briefings bereits berichtet hatte. Schon zuvor hatten Berichte der beiden Zeitungen Diskussionen über Ursachen und Urheber des Koalitionsbruchs ausgelöst. In mehreren Treffen der engsten FDP-Führung wurden demnach seit Ende September Szenarien für ein Ende der Koalition durchgespielt.

Das nun veröffentlichte FDP-Papier stieß nicht nur wegen seines Inhalts, sondern auch wegen der Wortwahl auf Kritik. In dem Dokument taucht der durch den Zweiten Weltkrieg historisch vorgeprägte Begriff „D-Day“ mehrfach auf – als Synonym für den möglichen Zeitpunkt zum Ausstieg aus der gemeinsamen Regierung mit SPD und Grünen.

„D-Day“ kann aus dem Englischen mit „Tag X“ übersetzt werden – oder auch „Tag der Entscheidung“ meinen. Im Deutschen ist die Formulierung vor allem im Zusammenhang mit der Landung der Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus bekannt. Den Auftakt dafür markierte der „D-Day“ am 6. Juni 1944. Er steht aber auch für unmenschliches Blutvergießen, Zehntausende Tote und Verwundete.

Falsches Dementi

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte in einem Interview bei RTL/ntv am 18. November mit Blick auf damalige Medienberichte über die „D-Day“-Formulierung betont: „Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden.“ Nach der Veröffentlichung des FDP-Papiers bemühte er sich nun in der Welt um Schadensbegrenzung: „Das Papier ist auf Ebene der Mitarbeiter entstanden. Niemand aus der Führung der FDP kannte das Papier.“ Einen Grund zurückzutreten, sehe er nicht.

Kritik und Spott gab es in sozialen Medien auch für das vielfach geteilte Bild einer „Ablaufpyramide“ aus dem Dokument. Darin werden die vier verschiedenen „D-Day“-Phasen vom ersten „Impuls“ – einem Presse-Statement des Parteivorsitzenden Christian Lindner – bis hin zum „Beginn der offenen Feldschlacht“ genannt.

Auch bei den früheren Koalitionspartnern löste das Papier Empörung aus. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch warf der FDP-Führung vor, die Öffentlichkeit wiederholt getäuscht zu haben und forderte eine Entschuldigung von Lindner. Miersch sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, es sei „zynisch“, dass die FDP für den Zeitpunkt des Ampel-Bruchs in ihrem Papier das Wort „D-Day“ benutzt und den nachfolgenden Wahlkampf als „offene Feldschlacht“ bezeichnet habe. „Die FDP-Führung hat die Verwendung dieser Begriffe stets bestritten.“

SPD-Chef Lars Klingbeil schrieb auf der Plattform X: „Es ist gut, dass langsam alles herauskommt und die Bürger sich ein Bild machen können.“ Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann äußerte ebenfalls Kritik auf X: „Ein Parlament ist kein Schlachtfeld, und das Ringen um die besten Ideen und Konzepte gehört zu unserer lebendigen Demokratie. Diese FDP sollte keine Verantwortung für unser Land übernehmen.“

FDP spricht von „Vorbereitung auf Szenarien“

Die FDP verbreitete die Lesart, sie habe das Papier publik gemacht, um Transparenz herzustellen – und schrieb auf X: „Wir haben nichts zu verbergen.“ In einer dazu veröffentlichten Erklärung Djir-Sarais hieß es: „Wir haben niemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass ohne eine Wirtschaftswende ein Ende der Ampel ein möglicher Ausgang des von uns so genannten Herbstes der Entscheidungen sein könnte.“

Er sprach von einer Skandalisierung der Vorbereitung auf Szenarien. „Wenn die gesamte deutsche Medienlandschaft zu diesem Zeitpunkt bereits über das Ende der Ampel spekulierte, dann ist es nur professionell, sich auf diese Option einzustellen.“

Im nun veröffentlichten Papier ist zum Beispiel davon die Rede, dass der „ideale Zeitpunkt“ für einen „avisierten Ausstieg“ aus der Koalition zur Mitte der 45. Kalenderwoche zwischen dem 4. und 10. November liegen könnte. Am 6. November kam es tatsächlich zum Bruch des schon lange kriselnden Bündnisses – indem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses FDP-Chef Lindner als Finanzminister entließ.

Die Neuwahl des Bundestags ist für den 23. Februar nächsten Jahres geplant. Die FDP steht in Wahlumfragen derzeit bei drei bis vier Prozent, also knapp unter der Einzugshürde von fünf Prozent – und könnte somit den Wiedereinzug ins Parlament verpassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Nur durch Geld zum Verwirklichen ihrer politischen Projekte der



    Koalitionäre wurde die Ampel zusammengebracht, als 100 Mrd. durch Urteil des BVerfG weg waren, eskalierte der Streit. Hätte man



    die 100 Mrd. zweckentfremdet ausgeben können, hätten wir heute



    auch eine Kindergrundsicherung mit 5000 Beamten mehr und



    zusätzlichen Ausgaben von 2 bis 14 Mrd. -wer weiss das schon genau, jedenfalls die Familienministerin nicht.

  • So lange über die eigene Außenwirkung nachdenken, bis man am Ende bei allen als Depp dasteht. Klare Kommunikationsstrategie.

    Falls die Sache mal verfilmt wird, wäre ich dafür dass Martin Semmelrogge die Rolle von Lindner spielt. Der kann das.

  • In so einer weltpolitischen Situation bewusst und absichtlich die Handlungsfähigkeit eines der wichtigsten Länder der Welt zu sabotieren, ist an Unverantwortlichkeit kaum zu überbieten. Wenn die FDP aus der Koalition aussteigen wollte, hätte sie das jederzeit offen und ehrlich tun können.

  • Offensichtlich wäre es besser wenn Marie Agnes Strack Zimmermann die FDP leiten würde. Was noch nicht ist kann ja noch werden.

  • Das die Linke Kampfpresse (und damit ist keineswegs mehr "Sturmgeschütze der Demokraktie" gemeint) jede - aber wirklich jede - Meldung und Reaktion aus der FDP negativ kommentiert ist ja jetzt nichts neues. Schade.

    Schöner wäre, wenn mal jemand einen Schritt zurücktritt und ehrlich kommuniziert. Wie es die FDP mit dem überraschendem Offenlegen des Arbeitspapier gemacht hat.

    Man muss ja nicht gleich der Meinung der FDP sein, dass diese Regierung am Ende und und Deutschland massiv schadet bzw. geschadet hat. Man darf aber gern anerkennen, dass diese Sichtweise legitim ist. Und damit auch ein Fahrplan nach draußen.

    Jetzt darüber zu lamentieren, dass Kriegsbegriffe in der (internen!) Politik nicht angemessen sind... Schlimmer Kindergarten.

  • Trumpismus im FDP-Format.

  • Ich würde mir ja eher Gedanken machen, wenn solche Szenarien nicht in der Planung gewesen wäre. Nennt man Vorbereitung.



    Verwerflich ist es eher blind in die Zukunft zu stolpern, was offensichtlich von vielen hier gefordert wird.

  • Nachrichten für den Wayne.



    Wayne interessiert's.



    Die Ampel hatte fertig.



    Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine war der Koalitionsvertrag Makulatur.



    Hemmungsloses gemeinsames Geldausgeben war seit der BVG-Entscheidung nicht mehr möglich. Damit hatten sich die Gemeinsamkeiten dann auch erschöpft.



    Gut, dass der Spuk vorbei ist. Und gut, dass ein paar Dinge in die richtige Richtung gelenkt wurden. Zu Ende bringen müssen es jetzt wohl andere.

  • Was für ein Rumgefasel seitens Lindner&Co. Das Verhalten war doch schon am Anfang der Regierungskoalition absehbar. Wer seinbe Mitbürger für blöd hält, verhält sich halt so.



    Wer seine Mitbürger für blöd hält... gilt übrigens auch für viele SPD-, CDU-, CSU-Granden, von AfD und BSW mal ganz zu schweigen. Bei den Grünen sehe ich ja zumindest noch einen realistischen Kompromisswillen, naja auch nicht bei allen.



    Und nun? Partikularinteressen und Besserwisserei bringen uns leider nicht weiter.

  • Ehrlicherweise verstehe ich die ganze Aufregung nicht. Klar das ist eine gute Gelegenheit auf der FDP herum zu hacken aber am Ende des Tages sind über 90% der Deutschen doch froh darum nicht noch ein weiteres Jahr das Elend der Ampel ertragen zu müssen.

  • Wäre angemessen, wenn diese Leute sich für freie Stellen als Clowns in Zirkussen bewerben würden, statt für Sitze im Bundestag. Oder wie wärs mit Büttenrednern im Karneval? "täräää! täräää! täräää!"

  • Der Gärtner war's. Obwohl, hat LügenLinder überhaupt einen Gärtner? Fragen über Fragen.

  • Hatte bis jetzt nicht den Eindruck, dass Selbstkritik eine große Stärke von Frau Strack-Zimmermann ist...