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Fußball-WM 2034FIFA für Saudi-Arabien

Martin Krauss
Kommentar von Martin Krauss

Der Fußballmonopolist FIFA ist ungezügelt und ungebremst. Nicht trotz, sondern wegen der Menschenrechtsverletzungen hat sie Saudi-Arabien ausgewählt.

Der Verband stinkt wie eh und jeh vom Kopf: FIFA-Präsident Gianni Infantino Foto: Yoan Valat/epa

W eil sie es kann. Das ist die traurige Antwort auf die Frage, warum der Weltfußballverband Fifa die Weltmeisterschaft der Männer 2034 an Saudi-Arabien vergeben hat.

Traurig bleibt die Antwort auch dann noch, wenn sie etwas länger ausfällt. Die Fifa kann das, weil wir, die wir doch Teil der demokratischen und den Menschenrechten verpflichteten globalen Zivilgesellschaft sind, sie gewähren lassen.

Die Fußball-WM 2030 wird, das wurde auch beschlossen, in sechs Ländern auf drei Kontinenten stattfinden. Dass die Strecke, die der WM-Tross bewältigen muss, 10.000 Kilometer beträgt, ist ganz offensichtlich ökologischer Irrsinn.

Ökonomisch aber rechnet sich das für die Fifa, deren Profit vor allem durch Fernsehrechte und Sponsorengelder ins Unermessliche steigt.

Bei Marx lernt man viel über die Fifa

Bei Marx ist zu lesen, dass das Kapital – und die Fifa ist ja ein Konzern – nichts so sehr hasst wie die Abwesenheit von Profit: „20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens. Wenn Tumult und Streit Profit bringen, wird es sie beide encouragieren. Beweis: Schmuggel und Sklavenhandel.“ Beziehungsweise: Saudi-Arabien.

Nicht trotz des komplett ausgehebelten Arbeitsrechts, des Verbots von Gewerkschaften, der Kriminalisierung von Homosexualität und der Verweigerung von Frauenrechten hat das Regime in Riad den WM-Zuschlag erhalten, sondern deswegen.

Es sind diese Bedingungen, die den Fußballmonopolisten ungezügelt agieren lassen.

Fußball bleibt für zu viele unpolitisch

Warum lassen wir, die globale Zivilgesellschaft, das mit uns machen und neigen bestenfalls mal dazu, ziemlich naiv an die Fifa selbst zu appellieren, sie möge doch hier oder dort etwas menschenrechtlich nachbessern?

Auch diese Antwort ist traurig: Weil wir Fußball bis heute nicht als das Politikum wahrnehmen, das er ist. Dabei, und nun wird es doch noch optimistisch: Wir müssen nur wollen.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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5 Kommentare

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  • Es ist eine Schande, dass die FIFA mit islamistischen Staaten wie Saudi-Arabien paktiert.

    Vielleicht wird es auch langsam Zeit, dass wir einen ethischen Kapitalismus etablieren müssen, wo in Führungsvorständen neben den CEOs auch CPOs (Chief Philosopher Executive) sitzen, die dafür sorgen, dass Unternehmen und Organisationen wie die FIFA nicht nur profitorientiert, sondern auch gleichzeitig ethisch handeln.

    Profit und ethisch richtig handeln sind nicht unvereinbar.

  • Tja, wenn einfach mal kein Fan, wirklich keiner in die Stadien ginge, stattdessen protestierte, wenn sie ihre TV-Abos zurückgäben, nicht einschalteten, nichts schauten, wenn die Spieler sagten: Zur WM? Ohne uns!, wenn sie in den Ligen, zumindest mal in Europa und den Amerikas sagten: Dann spielt halt ohne uns, tja, dann...



    aber das wird doch eh wieder nicht passieren, weil Fußball es schafft so zu tun, als sei da noch irgendwas Herziges, Wichtiges, Gefühliges dabei und nicht bloß völlig überdrehte Profite für ein paar Menschen, die entweder eine Sache besonders gut können oder diese Sachen besonders gut verkaufen.



    Seufz

  • Genau so wie im letzten Absatz ist es. Die Fifa verlegt die WM nach Saudi-Arabien, weil sie damit Gewinn macht, den ihr die Gesellschaften weltweit bereiten. Wenn die Spiele in Qatar keiner angeschaut hätte, gäbe es die WM in Saudi-Arabien nicht. Dem war aber nicht so und auch diese hier wird wieder den Gewinn abwerfen. Da sehe ich noch eher die Gefahr durch eine Übersättigung, als durch die Menschenrechtslage. Und selbst das ist alles andere als absehbar.

  • Vielleicht gelingt es besser, die Situation zu analysieren, wenn man die Fiktion einer globalen Zivilgesellschaft weglässt.

    Wir leben in einer multipolaren Weltordnung.

    "Der Westen " und sein Gesellschaftsmodell gelten nicht mehr als Vorbild, sondern als schwach und dekadent.

    Danach richtet sich natürlich auch die Fifa.

    Saudi-Arabien hat in der muslimischen Welt nun mal eine Führungsrolle und ist BRICS-Partner.

    Das kann man auch mit Marx nicht wirklich vom Tisch wischen.

    • @rero:

      "'Der Westen' und sein Gesellschaftsmodell gelten nicht mehr als Vorbild, sondern als schwach und dekadent."



      Kommt darauf an, wen in diesen Ländern Sie fragen. Aber klar ist, wer dort es sich überhaupt leisten kann, seine Meinung in die Welt hinauszuposaunen. Darüber gibt Arendt besser Aufschluss als Marx.