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Verfassungsschutzeinstufung der AfDWo bleibt das Gutachten?

Bis Jahresende sollte das neue Verfassungsschutzgutachten der AfD vorliegen. Nun kommt es erst nach der Neuwahl. Im Bundestag gibt es daran Kritik.

Die AfD-Fraktion im Bundestag Foto: imago

Berlin taz | Schon seit Monaten arbeitet das Bundesamt für Verfassungsschutz an einem neuen Gutachten über die AfD. Bisher ist die Partei dort als Verdachtsfall eingestuft, nun könnte eine Hochstufung als „gesichert rechtsextrem“ erfolgen. Eigentlich sollte das Ergebnis bis Jahresende verkündet werden – so hatte es Präsident Thomas Haldenwang angekündigt. Dann aber kam der Neuwahltermin und der Rückzug von Haldenwang wegen seiner CDU-Bundestagskandidatur. Damit war der Zeitplan dahin.

„Die Verkündung dieses Prüfergebnis noch in diesem Jahr war mit der vorgezogenen Neuwahl obsolet – das wäre zu nah an den Wahltermin gerückt“, sagte Haldenwang der taz. Auch in Sicherheitskreisen wurde das so bestätigt. Eine Verkündung zu nah am Wahltermin würde die Chancengleichheit der Parteien beeinträchtigen, hieß es dort.

Im Bundestag aber machen einige Abgeordnete Druck, dass das Gutachten doch noch dieses Jahr veröffentlicht wird. „Ich halte es für nicht zu rechtfertigen, dass eine Regierungsbehörde Entscheidungen vertagt und Wissen zurückhält, die zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben und zur sachgerechten Information der Öffentlichkeit notwendig sind“, sagte die Linken-Abgeordnete Martina Renner der taz. „Es gibt hier keinen Ermessensspielraum.“ Bedenken wegen möglicher Reaktionen der AfD dürften nicht über Recht und Gesetz gestellt werden. „Das Gutachten muss auf den Tisch und natürlich vor den Wahlen.“

Auch Till Steffen, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, forderte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) auf, das Gutachten „unverzüglich“ zu veröffentlichen. „Die Menschen haben ein Recht darauf vor der Wahl zu erfahren, wie die AfD vom Verfassungsschutz beurteilt wird“, erklärte er auf X. Ein Verweis auf die Neutralitätspflicht sei „absurd“. Der Verfassungsschutz müsse seine Aufgaben erfüllen, „ohne Rücksicht auf wahltaktische Überlegungen“. Renner wie Steffen treten auch für ein AfD-Verbotsverfahren ein.

Uneindeutige Rechtslage

Auch Haldenwang hatte im taz-Interview betont, es sei der Auftrag des Verfassungsschutzes, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu beobachten und die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten. „In dem Moment, in dem der Verfassungsschutz solche Bestrebungen feststellt, gibt es gar kein Ermessen mehr – da muss das Amt tätig werden.“ Über den neuen Termin für die Verkündung des Prüfergebnis wollte sich Haldenwang indes nicht mehr äußern, da er nun aus dem Amt geschieden sei.

Der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis sprang Renner und Steffen bei. Das Gutachtenergebnis müsse veröffentlicht werden, sobald dieses vorliege, unabhängig von der Wahl, sagte er der taz. „Es geht hier nicht um die Regierung, sondern um eine Behörde, deren Gesetzesauftrag es ist, die Öffentlichkeit über Gefahren für die Demokratie zu informieren. Und wenn eine solche Gefahr vorliegt, sollte das zügig geschehen“, so Battis. „Da gibt es kein Ermessen.“ Dies könne auch noch vor der Bundestagswahl Ende Februar geschehen.

Doch die Rechtslage ist nicht eindeutig. Der Bielefelder Verfassungsrechtler Christoph Gusy sagte der taz, der Verfassungsschutz habe einen „durchaus weiten Einschätzungsspielraum“, ob und wann er über verfassungsfeindliche Bestrebungen informiere. Die Frage, ob dadurch die Chancengleichheit der Parteien vor Wahlen verletzt werde, spiele dabei tatsächlich eine Rolle. „Das ist zu vermeiden.“ Deshalb sei eine Veröffentlichung des Gutachtens nach der Wahl richtig.

Der Bonner Verfassungsrechtler Klaus Gärditz sagte der taz, das Bundesamt sei tatsächlich verpflichtet, die Öffentlichkeit zu informieren, wenn es verfassungsfeindliche Bestrebungen feststelle. Rechtlich festgelegt aber sei nicht, wann und wie dies zu erfolgen habe. Hier habe das Bundesamt durchaus Ermessen. „Da die amtliche Berichterstattung einen potentiellen Einfluss auf demokratische Wahlen haben könnte, gebietet die Verhältnismäßigkeit hier Zurückhaltung“, so Gärditz.

Daher sei es nachvollziehbar, dass das Bundesamt nicht im angelaufenen Wahlkampf seine Bewertung veröffentliche. Unklar sei im Übrigen, so Gärditz, ob eine mögliche Hochstufung der AfD sich überhaupt nachteilig für die Partei auswirken würde – oder von der AfD nicht auch für die eigene Mobilisierung und die Generierung von Empörung genutzt würde.

Faesers Ministerium ließ auf taz-Nachfrage einen neuen Veröffentlichungstermin für das Gutachten offen. Der Grund: Anders als es zwischenzeitlich kolportiert wurde, sei das Gutachten noch gar nicht fertig. „Bislang liegt noch kein neues Gutachten zur Einschätzung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz vor“, sagte eine Sprecherin.

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