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Wegen antisemitischer PostingsUrteil gegen Ku­ra­to­r:in

Ein Berliner Gericht verurteilt Edwin Nasr als erste Person des Kunstbetriebs wegen antisemitischer Postings. Nasr habe die Hamas-Massaker gebilligt.

Gedenken an die Toten: Schuhe ermordeter Fes­ti­val­be­su­che­r:in­nen nach der Terrorattacke am 7. Oktober in einer Ausstellung Foto: David Swanson/reuters

Montagvormittag, Amtsgericht Tiergarten. Die Zuschauerbänke in Verhandlungsaal B101 füllen sich. Gut 20 Personen aus dem Berliner Kunst- und Clubmilieu sind gekommen. Sie wollen Ku­ra­to­r:in Edwin Nasr Beistand leisten.

Nasr muss sich dort wegen Billigung von Straftaten verantworten. Genauer: weil Nasr am frühen Morgen des 8. Oktober 2023, nur wenige Stunden nach den Massakern der islamistischen Hamas, drei Story-Beiträge auf seinem persönlichen ­Instagram-Account teilte, die die Verbrechen der Hamas „durch Verbreiten von Inhalten gebilligt haben“, wie Anklägerin Annette Gintaut-Verheijen zum Auftakt des Prozesses verliest.

Auf Instagram postete Nasr unter anderem eine historische Darstellung antikolonialer Kämpfe. Dazu schrieb Nasr mit Verweis auf die Angriffe gegen israelische Zivilisten: „Zur Hölle mit allen, die an diesem Punkt nicht in der Lage sind, die Schönheit revolutionärer Gewalt zu erkennen oder sich ihr hinzugeben, auch (oder gerade) wenn sie zu ‚unerträglicher‘ Brutalität führt.“

Darauf folgte ein weiterer Beitrag, in dem ein Bild mit vor der Hamas fliehenden Besuchern des Nova-Festivals übertitelt wurde mit „Poetische Gerechtigkeit“. Nasr verteidigt sich damit, von den Massakern zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nichts gewusst zu haben; nicht der Backlash habe die Löschung der Postings veranlasst, sondern Reue, als Nasr erfuhr, dass es sich um Massaker handele.

Dazwischen sei Nasr im Technoclub Berghain gewesen, wo „Handynutzung bekanntlich eingeschränkt ist“, wie Verteidiger Benjamin Düsberg zu verstehen gibt. Von Medienberichten habe Nasr also keine Kenntnis nehmen können, die Angriffe der Hamas hielt Nasr zunächst für harmlose „Störungen durch Gleitschirm-Flieger“.

Hass führt zu neuem Hass

Aber auch von Nasrs vorgetragener Zusammenarbeit mit öffentlichen Institutionen wie dem Goethe-Institut oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung lässt sich Anklägerin Gintaut-Verheijen nicht erweichen. Die Staatsanwaltschaft erkennt Nasrs Schuld, fordert 60 Tagessätze von 25 Euro. Im Abschlussplädoyer sagt die Anklägerin: „Hass führt nur zu neuem Hass und so geht die Spirale weiter.“

Verteidiger Düsenberg erhebt Einspruch, zeigt auf den anwesenden Zeugen und Anzeigenerstatter, den Welt-Journalisten Boris Pofalla, und fragt, warum nicht deutsche Medien und Politik auf der Anklagebank säßen. Schließlich billigten sie ständig „schwerste völkerrechtliche Verbrechen“ – gemeint sind die der israelischen Regierung. Richterin Karin Nissing fällt ihr Urteil binnen weniger Minuten. Sie hält Nasr für schuldig, ist sich sicher, Nasr habe die Postings in vollem Bewusstsein der Massaker verfasst. Das Urteil: 50 Tagessätze von 20 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Nasr wird vor dem Gerichtssaal freudig von Unterstützern in Empfang genommen. In einem der taz vorliegenden Instagram-Posting sieht man die Gruppe siegessicher in die Kamera lächeln. Darunter steht „J’Accuse the house down“ – ein Verweis auf die historische Dreyfus-Affäre, den antisemitischen Gerichtsprozess, der Theodor Herzl einst davon überzeugte, dass nur der Zionismus die Antwort auf das Problem des Judenhasses sein kann.

Eine übergeordnete Bedeutung für die Debatte um den Judenhass im Kulturbetrieb hat auch das Urteil gegen Ku­ra­to­r:in Nasr: Erstmals wurde damit eine Person der Kulturszene für Social-Media-Postings zum 7. Oktober verurteilt – entschuldigende Narrative rechtlich entkräftigt. Eine Klarheit, die die oft auf Behauptungen beruhende Debatte beruhigen könnte. Ob weitere Prozesse wie dieser folgen, bleibt abzuwarten. Öffentlich diskutiert wurden bereits vergleichbare Postings von Künstlerinnen wie Jumana Manna oder Noor Abuarafeh. Wieder wird die Frage entscheidend sein: Haben sie von den Massakern gewusst?

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16 Kommentare

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  • Ob jetzt Antisemit oder "nur" Unmensch, jedenfalls trifft es hier den Richtigen. Selbst bei Unwissenheit ist so eine Hetze fahrlässig, schade dass das die fröhlich Solidarischen an seiner Seite nicht erkennen.

  • Was mich irritiert ist diese Betonung der "Person der Kulturszene", was soll das veranschaulichen?



    Dass Manche gleicher oder besser als Andere sind und sich nicht an Regeln halten müssen?

  • "Gut 20 Personen aus dem Berliner Kunst- und Clubmilieu sind gekommen. Sie wollen Ku­ra­to­r:in Edwin Nasr Beistand leisten." Also es ist nicht überraschend. Aber jede dieser Untertsützer*innen ist entweder Antisemit oder zu dumm Menschenfeindlichkeit zu erkennen, wenn sie ihnen ins Gesicht springt.

    Das ganze erinnert stark an Gauland und co. Erst provozieren, sich menschenfeindlich äußern, und wenn Gegenwind kommt relativieren , zurückrrudern oder sich als Opfer einer Verschwörung, Meinungsdiktatur inszenieren. Einfach lächerlich. Sowohl von Nasir als auch seinen Fans.

    • @Rabenbote:

      Das der Edwin Nasr bei den eindeutigen Aussagen seine Fans hat, zeigt hier nur mal wieder mit auf, das u.a. im Feld der Kunst und Kulturschaffenden was "gefährlich" Falsch läuft.

      Aktuell kann man sich an die Aussage eines „älteren“ Herren erinnert fühlen, welcher meint „Die Welt war noch nie ein so trostloser Ort wie heute“.

  • Jetzt bitte jede Zusammenarbeit mit Edwin Nasr auf jeder Ebene und von Seiten aller öffentlichen Institutionen, falls noch vorhanden, einstellen. Spätestens wenn das Urteil rechtskräftig wird. Antisemitismus is keine Meinung. Wer in Deutschland lebt und arbeitet sollte dieses wissen und respektieren, unabhängig von Herkunft und Staatsangehörigkeit. Es gibt einen Unterschied zwischen berechtigter Kritik an der Politik der israelischen regierung und Billigung und Unterstützung für eine Terrortat. PS: Wer eine solche Meinung raushaut sollte dann auch dazu stehen und nicht versuchen mit billigen Ausreden und What-about-ism da rauszukommen. Steht doch zu dem Mist, den ihr sagt. Kaum wirds ungemütlich will es wieder niemeand gewesen sein.

  • ...auch (oder gerade) wenn sie zu ‚unerträglicher‘ Brutalität führt.

    Aber er dachte es ging nur um eine Gleitschirmaktion. Ja ne...Was für ein Feigling. Wenn er schon die vergewaltigung von Frauen mit "revolutionärer Gewalt" versucht zu legitimieren, dann kann der feine Herr Revolutzer doch auch dazu stehen.

    Und PP feiert ihn auch noch für so einem Kommentar. Einfach erbärmlich.

  • Er hielt es für „Störungen durch Gleitschirmfliegen“… 😂



    Gleichzeitig hat er aber „nichts mitbekommen“…

    Also alleine wegen den beiden in Zusammenhang stehenden Aussagen hätte ich ihn als Richter wahrscheinlich auch zu der Geldstrafe verurteilt, einfach schon wegen der Frechheit so etwas dem Gericht als Entschuldigung verkaufen zu wollen. Wie kann man als Anwalt nur so eine Verteidigungsstrategie präsentieren und glauben damit durchzukommen?!

  • Geht es noch unglaubwürdiger? Erst posten:



    „Zur Hölle mit allen, die an diesem Punkt nicht in der Lage sind, die Schönheit revolutionärer Gewalt zu erkennen oder sich ihr hinzugeben, auch (oder gerade) wenn sie zu ‚unerträglicher‘ Brutalität führt.“



    und dann behaupten, gar nichts von Gewalttaten gehört zu haben.

  • Ich bin gegen Verurteilungen wegen solcher Meinungsäußerungen. Es ist sowieso immer besser Antisemiten ganz offen reden zu lassen. Das die hier getätigten Meinungsäußerungen in der internationalen Kunstszene besonders bei Vertretern aus dem globalen Süden inzwischen zum Standardrepertoire gehören, ist ja nun auch keine Neuigkeit mehr.



    Was mich allerdings wirklich stört sind die Heerscharen an NGOs und Institutionen in diesem Land, die so was mit Steuergeldern auch noch finanzieren. Zu dem Thema kommt natürlich auch nichts von zuständiger Stelle in Berlin. Ist aber auch kein Wunder denn klammheimlich wird der Standpunkt von den Zuständigen in der Szene ja auch geteilt. Wer den Sumpf austrocknen will, soll also nicht dauernd die Frösche befragen, sondern endlich Taten folgen lassen.

  • 20 Euro Tagessatz?

    • @TheBox:

      Wie Harald Schmidt schon vor vielen Jahren sagte:



      „Ein Künstler ist in der Regel erfolglos und arm…“ 😉

  • Für Nasr, Manna und Abuarafeh - die in ihrem "antikolonialem Kampf" fein säuberlich jede Verfehlung der "weißen, cis-männlichen" Mehrheitsgesellschaft bemerken - sehen in vor der Hamas fliehenden Festival-Besuchern "poetische Gerechtigkeit". Wenn das kein faschistisches Gedankengut ist, was soll es dann sein?

  • ... das peinlichste bei solchen Verhandlungen sind die unwürdigen Ausreden: "Gleitschirmflieger", "kein Netz im Berghain" etc. etc. Und mit dem "J´accuse" — da würde ich auch eher von peinlichst verbogener Argumentation sprechen.



    Gruß



    Fritze

  • Ein begrüßenswertes Urteil; insbesondere die Tatsache, dass man den Angeklagten nicht mit seinen lauwarmen Ausflüchten hat durchkommen lassen. Es muss ein klare Zeichen gesendet werden gegen diesen Judenhass und anti-israelische Hetze.