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Zu viel Methan in der AtmosphäreRätsel um gefährliches Klimagas gelöst

In der Atmosphäre steigt die Konzentration von Methan massiv an – warum, das scheint nun geklärt. Die Folgen sind gravierend.

Auch aus Biogasanlagen kann Methan entweichen, wenn sie nicht gut gewartet werden Foto: Paul Langrock

Berlin taz | Es sind beunruhigende Messwerte, welche die Weltwetterorganisation (WMO) in Genf vorgestellt hat: Seit Anfang der 2020er Jahre steigt die Konzentration von Methan in der Atmosphäre sprunghaft an. Das Gas erhitzt die Atmosphäre über 20 Jahre betrachtet 80-mal so stark wie die gleiche Menge Kohlendioxid. Deshalb gehen Experten davon aus, dass eine Halbierung binnen der kommenden zehn Jahre wesentlich im Kampf um das 1,5-Grad-Ziel ist – und im Idealfall den Anstieg der Globaltemperatur um bis zu 0,3 Grad Celsius abbremsen könnte.

Doch statt zu sinken, steigen die Emissionen massiv: Im Jahr 2021 kam mit 18 ppb (parts per billion, Methanteile pro Milliarde Teile Atmosphäre) so viel wie nie hinzu, erstmals stieg die Konzentration über 1.900 ppb – fast dreimal so viel wie vor Beginn der Industrialisierung. Die WMO erklärte zu dem Anstieg, man stehe vor einem Rätsel.

Das könnte nun gelöst sein: US-amerikanische Wissenschaftler haben den „Fingerabdruck“ verschiedener Methan-Isotope in der Atmosphäre untersucht. Dieser verrät den Ursprung: Methan, das Mooren entweicht, hat einen anderen chemischen Fingerabdruck als Methan, das bei der Verbrennung von Biomasse entsteht, beispielsweise in Biogasanlagen. Während die Konzentration jener Isotope, die aus der Verbrennung stammen, nicht sonderlich zulegte, stieg das Methan aus mikrobiellen Quellen sehr stark an, wie die Wissenschaftler im renommierten Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences schreiben.

Tropische und subtropische Biotope gehören zu den größten natürlichen Methanquellen weltweit. Wenn es wärmer wird, sind die dort lebenden Mikroorganismen produktiver. Sie erzeugen mehr Methan. In Deutschland hat Methan am Gesamtausstoß einen Anteil von 6 Prozent, wobei der Agrarsektor wesentlichste Quelle ist: Mikrobielles Methan entsteht hier in den Mägen von Wiederkäuern oder wenn Bakterien Abfall zersetzen. Auch wenn zu viel Dünger in Gewässer eingeleitet wird, steigt das Bakterienwachstum – und somit die Methanproduktion.

Nicht der erste Hinweis

Die jetzt vorgelegte Studie ist nicht die erste mit diesem Befund: Ein chinesisch-amerikanisches Forscherteam hatte im vergangenen Jahr eine Studie mit ähnlichem Ergebnis vorgelegt: Die globale Erwärmung regt Stoffwechsel und Vermehrung von Mikroorganismen an, es entsteht mehr Methan. Den Messwerten zufolge ist offensichtlich ein Punkt erreicht, an dem die Erderwärmung sich selbst anheizt.

Neben den Feuchtgebieten ist auch der Permafrost eine potenziell große Methan-Quelle. Weite Teile Sibiriens, Nordeuropas, -kanada und Alaskas sind dauergefrorene Erde. Allerdings führt die Klimaerhitzung dazu, dass sich die Grenze immer weiter nach Norden zurückzieht, stellenweise bereits um mehr als einhundert Kilometer. Der tauende Boden gibt Pflanzenreste frei, die von Mikroorganismen zersetzt werden – unter anderem zu Methan. Anfang 2022 kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass der Permafrost in Skandinavien bereits in den 2040er Jahren verschwindet. Das Forscherteam der aktuellen Studie rät deshalb, die Auswirkungen besser zu erforschen.

Die neuen Erkenntnisse entlasten die Menschheit im Kampf gegen Methan allerdings nicht, wie etwa Kontrollen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zeigen: Der Verband hatte Messungen an fünf Biogasanlagen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen durchgeführt sowie an einer Gasverdichterstation und einem schwimmenden LNG-Importterminal in Schleswig-Holstein.

„Unsere Messungen zeigen, dass täglich signifikante Mengen Methan unkontrolliert entweichen“, erklärte Jürgen Resch, der DUH-Geschäftsführer. Das habe verheerende Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung und für das Klima. Grund für die Lecks sei unzureichende Wartung und unregelmäßige Kontrollen.

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22 Kommentare

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  • Ist es dann wirklich Klimaschutz, wenn in Deutschland die Landschaft vernässt werden soll?

    Oder entsteht dann noch mehr schädliches Methan?

  • Ich erinnere mich an diverse Zeitungsartikel, die suggerierten, man müsste nur endlich alle Kühe umbringen, dann sei das Klimaproblem zur Hälfte gelöst.

    Die Sündenkuh als moderne Variante zum Bock.

    Das konnte nicht stimmen, weil die Sprünge sich nicht auf Steigerungen in der Rinderhaltung zurückführen ließen.

    Ein Fiasko für den Klimaschutz waren solche Mythen.

  • Liggers. But



    “Auch aus Biogasanlagen kann Methan entweichen, wenn sie nicht gut gewartet werden.“



    Schonn. Nur ist das bekanntlich ein -



    Schlagobers - Problem! Wollnich



    Na aber Si‘cher dat. Dat wüßt ich ever. Da mähtste nix. •



    Normal Schonn

    unterm——Däh —



    Negative Umwelteinflüsse durch Intensivierung der Landwirtschaft (z. B. Artenrückgang).[19]



    Regionale Flächenkonkurrenzen zwischen den Anbauflächen zur Nahrungsmittel-, Futtermittel- und Energiepflanzenerzeugung.[19] Besonders in Entwicklungsländern droht die Verknappung von Anbauflächen[20] zur Nahrungsmittelversorgung.



    Der Anstieg der Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen und hohe Investitionen durch die Landwirte führen mittelbar zum Anstieg der Lebensmittelpreise.[19]



    In der Biogasanlage entstehende Gase können zur Explosion, Erstickung oder Vergiftung führen. Proteinreiche Substrate erhöhen den Anteil des hochgiftigen Schwefelwasserstoffs im Biogas.



    Unplanmäßig entweichendes Methan hat einen 25-fach höheren Treibhauseffekt als Kohlendioxid.



    de.wikipedia.org/wiki/Biogasanlage

  • "Methan, das Mooren entweicht, hat einen anderen chemischen Fingerabdruck..."



    Gemeint ist wohl "hat eine andere Isotopenverteilung". Fossiles Methan (Erdgas) hat ein anderes C12/C13-Verhältnis als rezentes (aktuell durch Vergärung entstehendes) Methan.



    "...als Methan, das bei der Verbrennung von Biomasse entsteht"



    Wirre Aussage. Bei Verbrennungsprozessen entsteht kein Methan, da wird Methan zu CO2 und H2O verbrannt. Gemeint ist wohl "bei der Vergärung von Biomasse".



    Kernaussage der Studie [1]: "...the record-high CH4 growth in 2020–2022 was accompanied by a sharp decline in δ13CCH4, indicating that the increase in CH4 abundance was mainly driven by increased emissions from microbial sources such as wetlands, waste, and agriculture."



    Woraus man z.B. schließen könnte, dass es sinnvoll wäre, "waste" in Biogasanlage reinzustopfen, das entstehende Methan aufzufangen und zu verbrennen. Und dass "wetlands" zu erzeugen eine zweischneidige Sache ist.



    [1] www.pnas.org/doi/1...73/pnas.2411212121

  • Ich bin erstaunt. Ich dachte, das sei schon lange bekannt. Weiß nicht mehr, wann ich das erste Mal von der Methankatatrophe durch die Erwärmung der Permafrostgebiete z.B. in Sibirien gelesen haben. Aber neu ist das nicht.

    • @Jalella:

      Der Zusammenhang ist in der Tat schon lange bekannt. Neu sind die wissenschaftlichen Hinweise, dass die in den 2020ern ansteigenden Methankonzentrationen tatsächlich (zu großen Teilen) diesen Ursprung haben.

  • Der Finanzminister sagt, wir lösen die Probleme mit Technik und Innovation. Na dann!

    • @Manzdi:

      Der Jung is aussem Bergischen! Woll - 🏎️ -



      Da hamses schwer mit anne 🧇 - 🙀🥳🧐 - •

  • Nochmals : der Name Resch ist berüchtigt. Seine Forderung vor Jahren: die Konzentration von Abgas quasi auf Auspuffhöhe zu messen, als ob Fußgänger auf allen Vieren unterwegs sind. Viele Kommunen ließen sich kujonieren und legten völlig nutzlose Vermeidungsstrategien auf. In ganz Europa eine Lachnummer. Alles , was von der DUH kommt, ist wissenschaftlich fragwürdig und dient allein der Imagepflege, um weiter Geld vom Staat einsammeln zu können.

    • @Schö51:

      Schon klar, die vielen Naturwissenschaftler, die bei der DUH arbeiten, sind allesamt völlig unseriös und Sie haben die Weisheit mit dem Löffel gefressen. Allein Ihr "quasi" verrät hier schon wie wenig glaubwürdig Sie sind.

    • @Schö51:

      Hm, bin kein Experte im Thema valide Messmethoden, mir kam da nur gleich der Gedanke: sind ja nur die Kinder auf "Auspuffhöhe".

    • @Schö51:

      Wie hoch ist/war Ihr Baby so über dem Erdboden unterwegs?



      Sind Sie denn nicht froh, dass die gefährdende Untätigkeit der Kommunen wenigstens so beendet wird?



      Menschen und unsere Zukunft wichtiger sind als die seltsam rabaukige Bequemlichkeit Einzelner?

  • "Dieser verrät den Ursprung: Methan, das Mooren entweicht, hat einen anderen chemischen Fingerabdruck als Methan, das bei der Verbrennung von Biomasse entsteht, beispielsweise in Biogasanlagen. "

    Ich weiß ja nicht ob ich die technische Weiterentwicklung von Biogasanlagen verschlafen habe, bei den mir bekannten Modellen findet keine Verbrennung von Biomasse statt.

    • @0 Substanz:

      Das ist ja kein Fachartikel. Biogas wird (hoffentlich ohne viel Entweichen) irgendwann verbrannt, sei es eher ineffizient für Strom oder gar Transport oder sinnvoller für Heizung, die noch auf Gas läuft.



      Mich irritierte nur, dass bei einer guten Verbrennung ja das energiereiche Methan umgewandelt werden sollte.

  • Permafrost als sichselbstverstärkende Rückkopplung ist leider altbekannt, die weiteren Quellen gehören untersucht und angegangen. Auch das entweichende Erdgas.



    Moore wiedervernässen, solange sie noch nicht degradiert sind, ist auch so ein Aktionspunkt, der uns etwas Zeit gäbe.

    Insgesamt gilt es aber, mit Fossilverbrennung zügig (fast) völlig aufzuhören, sonst wären wir es selbst schuld gewesen. Und es würde drecksteuer.

    • @Janix:

      "Moore wiedervernässen..."



      Leider kommt dann zuerst mal wieder... Methan raus [1].



      [1] www.deutschlandfun...rnaessung-100.html

      • @sollndas:

        Ja, Sie haben meine Einschränkung ja gelesen. Manchmal ist ein Moor schon degradiert, sprich: "durch". Und auch Ihr Hinweis verweist darauf, dass man Dinge wie den Wasserstand beachten muss.

  • Was ist mit Fracking von Öl und Gas vorwiegend in USA, wie viel Methan entweicht da durch Leckagen und im Grundwasser?

  • Der Mensch ist entlastet. Es sind die bösen Mikroorganismen.



    Bis auf die Lecks in technischen Anlagen.



    Witzig. Sehr witzig.

    • @OhneNamen:

      Wieso entlastet das den Menschen?



      Wenn natürliche Prozesse sich plötzlich ändern, hat das eine Ursache.



      Und die Möglichkeit, dass wir hier einen Kipppunkt überschritten haben, macht doch die Reduktion der anderen Emissionen umso wichtiger.

  • Und mir haben Biogasanlagenbetreiber versichert, dass ihr Anlagen dicht seien und regelmässig geprüft würden.



    Die hatte ich nämlich in Verdacht.



    Tja.



    So kann man sich täuschen (lassen)!