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Klimaurteil zu Landnutzung rechtskräftigAmpel muss Klima besser schützen

Die Deutsche Umwelthilfe gewinnt endgültig eine Klimaklage gegen die Regierung. In einem anderen Verfahren legt Robert Habeck jedoch Revision ein.

Keine schwammigen Gesetze mehr im Bereich Landnutzung – Umweltministerin Steffi Lemke muss nachschärfen Foto: dpa

Berlin taz | Erstmals hat ein Umweltverband die gerichtliche Verurteilung der Bundesregierung zu sofortigen Klimaschutzmaßnahmen erreicht. Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin Brandenburg von Mitte Mai sei nun rechtskräftig, teilte Deutsche Umwelthilfe am Freitag mit. Die Regierung ist nun verpflichtet, umfassende Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Landnutzungssektor zu ergreifen.

„Die Regierung Scholz wird damit gezwungen, auch in der Land- und Forstwirtschaft endlich mehr für den Klimaschutz und die Natur zu tun“, so DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Die DUH fordert daher konkrete Schritte, wie eine reduzierte Holzentnahme in Wäldern, die Wiedervernässung von mindestens 50.000 Hektar Moor pro Jahr sowie das Ende der Holzverbrennung in Kraftwerken. „Von den Ministerien darf es kein Wunschdenken geben. Ihre Maßnahmen müssen auf realistischen, wissenschaftlich fundierten Annahmen beruhen“, sagte Müller-Kraenner der taz.

Das Urteil ist rechtskräftig, weil das Bundesumweltministerium unter Steffi Lemke (Grüne) keine Revision eingelegt hat. Dies hätte bis Donnerstag, dem Ende der Revisionsfrist, geschehen müssen. Das Ministerium erklärte, dass es „die Begründung des Urteils sorgfältig geprüft und keine Ansatzpunkte für eine Revision“ gefunden habe.

Robert Habecks Ministerium legt Revision ein

Nun ist Lemke verpflichtet, das Urteil umzusetzen und die Treibhausgasemissionen im Landnutzungssektor – also wie der Mensch mit Böden und Wäldern umgeht – zu senken. Dazu verweist ihr Ministerium auf das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, das 69 Maßnahmen in Bereichen wie Moore, Waldökosysteme und Küsten vorsieht. Die DUH fordert jedoch bis Ende Oktober einen detaillierten Maßnahmenplan. Andernfalls droht sie mit einem Zwangsvollstreckungsverfahren.

Im Gegensatz dazu hat Robert Habecks Wirtschafts- und Klimaschutzministerium (BMWK) Revision gegen ein weiteres Urteil eingelegt, das ebenfalls im Mai 2024 erging. Dieses Urteil vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg verpflichtet die Regierung, das Klimaschutzprogramm für Sektoren wie Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude und Verkehr zu verschärfen.

Die entsprechende Klage der DUH war bereits 2021 eingereicht worden. Sie richtete sich gegen die damaligen Klimaschutzprogramme, die konkrete Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen in verschiedenen Sektoren festlegten.

Die DUH kritisierte, dass diese Maßnahmen nicht konkret genug seien. So könne aus allgemeinen Ankündigungen, wie der „Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs“, nicht abgeleitet werden, wie viele Tonnen Treibhausgas tatsächlich eingespart würden.

Welches Gesetz ist entscheidend?

Mittlerweile hat sich das Klimaschutzgesetz aber verändert. Seit Juli 2024 gibt es keine verbindlichen Sektorenziele mehr, etwa für Verkehr, Gebäude oder Abfallwirtschaft. Stattdessen ist die Bundesregierung als Ganzes verantwortlich, die Klimaziele zu erreichen.

Deswegen fallen auch die Sofortprogramme weg. Diese waren in der Vergangenheit noch verpflichtend, falls ein Sektor seine Einsparungsziele nicht erreicht hatte. Die Sofortprogramme galten als Korrektiv und drängten die zuständigen Ministerien zum direkten Nachsteuern.

Für die angekündigte Revision des BMWK soll jedoch das alte Klimaschutzgesetz gelten, so die DUH. Da die Klage 2021 eingereicht wurde, sei das damalige Gesetz rechtlich bindend.

Das BMWK hält jedoch dagegen. Noch sei unklar, welchen Beitrag die einzelnen Sektoren nach der Novellierung des Klimaschutzgesetzes leisten müssen, teilte ein Sprecher der taz mit: Die „Revision soll Klarheit über die Anforderungen an Klimaschutzprogramme nach neuer Rechtslage“ schaffen.

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11 Kommentare

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  • Endlich wird mal die Landnutzung betrachtet, und nicht nur auf technische Lösungen zur CO2-Reduzierung gesetzt. Das stärkt das BMU, welches die Strategie zum natuerlichen Klimaschutz nun vielleicht doch noch mit Leben fuellen kann. Rätselhaft bleibt nur, wie das trotz Sparhaushalt finanziert werden soll.

  • "Nun ist Lemke verpflichtet, das Urteil umzusetzen..."



    Da wäre es doch schön, wenn darüber berichtet würde, was in dem Urteil explizit drin steht. Und nicht nur darüber, wie die DUH das Urteil interpretiert.



    BTW: Die Pressemitteilung der DUH ist nicht lichtvoller:



    www.duh.de/presse/...sregierung-rechts/

  • Interessant, dass Gerichte die Regierung zwingen müssen ihren Job zu machen.

    Noch interessanter, dass Habeck dagegen klagt, seinen Job zu machen.

  • Vielen Dank für das ausdauernde Engagement DHU👍

    • @Huber Ursula:

      DUH, DHU ist Hömöopathie

  • Auch wenn Fr. Lemke bzgl eines engagierten Umwelt- und Naturschutzes weit hinter den berechtigten Erwartungen zurückgeblieben ist: Das Ausbleiben einer verzögernden Revision muß man den Grünen mittlerweile schon als "Engagement" anrechnen.



    Die Kollegen Habeck und Özdemir sind, mitsamt großen Teilen ihrer Partei, da ganz anders unterwegs.

    Eine andere Frage ist, ob dieses Urteil irgendwelche Konsequenzen für die Regierungspolitik haben wird.



    Die relative Folgenlosigkeit des BVG-Urteils lässt natürlich Zweifel aufkommen, ob unliebsame Gesetze dann auch zeitnah umgesetzt werden.

    Und leider sind ja Klimaschutz, Energiewende, nachhaltige Landwirtschaft und Naturschutz für die Grünen unliebsame Themen geworden.

    Der Weg der DUH ist richtig, und leider auch der einzig mögliche, um diese dysfunktionale, neoliberale Regierung in die Schranken zu weisen.

  • 》Mittlerweile hat sich das Klimaschutzgesetz aber verändert.Seit Juli 2024 gibt es keine verbindlichen Sektorenziele mehr, etwa für Verkehr, Gebäude oder Abfallwirtschaft. Stattdessen ist die Bundesregierung als Ganzes verantwortlich, die Klimaziele zu erreichen.《

    Gesetze verändern sich nicht, sie werden verändert - es war die Ampel, die es als Reaktion auf das Klimaurteil



    des Bundesverfassungsgerichts - 》Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Regelungen des Klimaschutzgesetzes vom 12. Dezember 2019 (Klimaschutzgesetz ) über die nationalen Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen insofern mit Grundrechten unvereinbar sind, als hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen.《 - abgeschwächt, die Sektorenziele aufgegeben hat.

    Und Habeck versucht jetzt, über den Instanzenweg Zeit zu gewinnen.

    Vor vier Jahren war ein Tempolimit noch Bedingung für ne Regierungsbeteiligung

    taz.de/Gruenen-Vor...mpolimit/!5694881/

  • Deutsche Umwelthilfe ♥

    Und offensichtlich sind Frau Lemkes und ihr Haus weitaus mutiger als Habecks und seins. Also: Chapeau, Frau Lemke!

  • Wenn sich die Revision nur auf das alte Gesetz beziehen kann, weil die Klage hierzu geführt wurde, wie kann dann ein Rechtsdetail des neuen Gesetzes geklärt werden. Das klingt mehr nach Zeitgewinnen und in die Zukunft verschieben, also konstruktives Wirken in der Politik. Da sollte Habeck mal mehr Verwaltungseffizienz in seinem Ministerium durchsetzen.

    • @Sonnenhaus:

      Das ist die Auffassung der DUH, dass nur das alte Gesetz berücksichtigt werden kann. Muss ja nicht stimmen. Das Ministerium sieht das offenbar anders. Sollte es tatsächlich so sein, dann wäre die Klage im Prinzip hinfällig, denn dann könnte ja höchstens ein Verstoß in der Vergangenheit festgestellt werden, aber keine Verpflichtungen für die Zukunft.

      • @sonicprisma:

        Bei Rechtsfällen wird generell der Sachstand zur Zeit der Anklage beachtet. Anders ergibt es wenig Sinn.