Bewegungstermine in Berlin: Der einäugige Voltaire

In dieser Gesellschaft wird nicht gleichermaßen auf die Rechte von Menschen geachtet. Witze über Donald Trump sind Tabu, rassistische Hetze nicht.

Demonstranten stehen mit Banner Bleiberecht für Alle! auf einer Wiese am Dorint Hotel, dem Tagungsort der Innenministerkonferenz, während einer Demonstration gegen Abschiebungen anlässlich der Innenministerkonferenz (IMK) in Potsdam, 20. Juni 2024.

Tough choice: Menschenrechte oder Anbiederung an rechte Menschen? Foto: IMAGO / Martin Müller

Kurz nachdem Donald Trump angeschossen wurde witzelte der Satiriker El Hotzo, die Kugel habe Trump leider knapp verpasst wie er den letzten Bus. In den Kommentaren schob der Witzemacher noch hinterher, er finde es übrigens absolut fantastisch, wenn Faschisten sterben. Natürlich brach sofort ein Shitstorm aus, die Posts sind inzwischen gelöscht. Die liberale Politbubble entdeckte mal wieder ihren inneren Voltaire und erklärte mit stolzgefüllter Brust, man missbillige zwar alles an Donald Trump, werde aber niemals vor Menschenverachtung, vor der Billigung von Gewalt einknicken – auch nicht in Form von Satire.

Es ist schon faszinierend, für was sich Liberale in die Bresche werfen. Hier, beim Witzeln das über ein gescheitertes Attentat gegen Trump, dessen politisches Projekt unmittelbar Freiheit, Leben und Würde von unzähligen Menschen gefährdet, wird eine Linie durch den Sand gezogen. Die Sache wird zur Prinzipienfrage erklärt. Also muss El Hotzo weg, für seine Kunstfreiheit wird kein Volatire bemüht. Der „rbb“, wo El Hotzo gelegentlich eine Sendung moderierte, hat ihn inzwischen rausgeworfen. Vielleicht darf sich auf dem Sendeplatz in Zukunft ja Dieter Nuhr über linke Cancel Culture echauffieren.

Beim rechtsradikalen Demokratiefeind Donald Trump wachen Liberale also peinlichst genau über jede Ehrverletzung. Was für eine Welt wäre das, in der diese Aufmerksamkeit für alle gelten würde! Wenn mit solcher Inbrunst auch die Ehre der an den europäischen Außengrenzen ertrinkenden Menschen verteidigt würde, die derjenigen, die durch deutsche Waffen weltweit sterben, die derer, deren Abschiebung mit schmutzigen Behördentricks versucht wird oder die der Sozialhifeempfangenden, die mit unwürdigen Auflagen gegängelt werden.

„Wo ein Wille ist, da ist auch kein III. Weg“

Doch in dieser Gesellschaft wird nicht gleichermaßen über die Einhaltung von Rechten gewacht. Wer sprechen darf, wessen Probleme gehört werden – das wird von Fall zu Fall sehr unterschiedlich gehandhabt. Geht es nach Innenministerin Nancy Faeser, soll etwa zukünftig schon ein falsches Like im Internet ausreichen, um als Aus­län­de­r:in das Aufenthaltsrecht zu verlieren. Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird so an die Staatsbürgerschaft gekoppelt. Um das geplante Gesetz noch zu stoppen, findet am Mittwoch (17. 7.) ein Protest statt. Los geht es um 18 Uhr am Oranienplatz.

Indes ist wahrscheinlich, dass sich Nazis hinter verschlossener Tür über die Dummheit der liberalen Gesellschaft ins Fäustchen lachen, die ihre offenen Attacken auf dieselbe auch noch verteidigt. Die Faschos vom „III. Weg“, die mutmaßlich erst Anfang diesen Monats An­ti­fa­s mit Schlagstöcken und Holzknüppeln verprügelt haben, trauen sich jedenfalls immer offener, ihre Gewalt auszuleben. Um dem etwas entgegen zu setzen, will ein Infovortrag über Strukturen, Strategien und Personen der neonazistischen Kleinpartei aufklären. Das Motto: „Wo ein Wille ist, da ist auch kein III. Weg“ (Donnerstag, 18. 7., JUP e.V., Florastraße 84, 19 Uhr).

Sich der autoritären Logik zu widersetzen heißt auch, sich den Kai Wegners dieser Welt entgegenzustellen, die soziale Probleme und Ungerechtigkeiten mit den immergleichen Mittel beantworten: Zäunen, Po­li­zis­t:in­nen und Überwachung. Im Görli testen CDU und SPD gerade, wie weit sie ihr Stadtkonzept treiben können, das auf die möglichst große Kontrolle öffentlicher Räume abzielt. Dagegen will ein Aktions-Tag & Nacht gemeinsame Solidarität aufbauen. Es gibt eine Kids- und eine Kiezversammlung, Ausstellungen, Filmscreenings, einen Nachtspazierung und vieles mehr (ab Donnerstag, 18. 7., Görlitzer Park, 16 Uhr).

Ferhat Mayouf – Kein Vergeben, Kein Vergessen!

Überhaupt ist es höchste Zeit, eine Allianz der Betroffenen vom Rechtsruck aufzubauen. Der Blick in die Geschichte zeigt, wie vielfältig die Menschen sind, die der Faschismus bedroht. Ein Workshop des Educat Kollektivs befasst sich etwa mit einem weiterhin wenig beachteten Thema, der Verfolgung von trans* Menschen im Nationalsozialismus. Entwickelt werden soll ein Stadtspaziergang entlang verschiedener Orte im Leben der in der NS-Zeit verfolgten Käte Rogalli – um so die queere Geschichte während des Nationalsozialismus besser erfahrbar zu machen (Freitag, 19. 7., Tiergarten, Gedenksäule für das Institut für Sexualwissenschaft, 14 Uhr).

Auf dem Soli-Flohmarkt für das Netzwerk Polylux e.V. lässt sich derweil ein schöner Nachmittag mit der Unterstützung von Antifas und anderen linken Initiativen in Ostdeutschland verknüpfen. Das Netzwerk unterstützt Initiativen der kritischen Zivilgesellschaft in Ostdeutschland, die vom Rechtsruck bedroht werden. Es gibt Drinks und Musik, Kleiderspenden sind erwünscht. Los geht es am Freitag (19. 7.) ab 15 Uhr in der Türrschmidtstraße 1. Übrigens: Auch unabhängig vom Flohmarkt freut sich das Netzwerk über Spenden (Netzwerk Polylux e.V., DE19 8306 5408 0004 1674 06).

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Am Dienstag (23. 7.) findet schließlich die Gedenkdemonstration für Ferhat Mayouf statt. An diesem Datum vor vier Jahren starb der 37-jährige Mayouf an einer Rauchvergiftung in der JVA Moabit, wo er lediglich wegen eines Diebstahlvorwurfs einsaß. Obwohl er um Hilfe rief, öffneten die Wär­te­r:in­nen 20 lange Minuten nicht die Tür seiner brennenden Zelle. Für die In­itia­to­r:in­nen ist deshalb klar: „Das war Mord! Mord durch diesen Staat und seine rassistischen Institutionen.“ Die Demo unter dem Motto „Kein Vergeben – kein Vergessen“ startet um 17:30 Uhr am U-Bahnhof Turmstraße.

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