Weniger los auf Fernstraßen: Verkehr nimmt ab – trotz mehr Autos
Der Verkehr außerhalb von Städten nimmt ab. Grund ist unter anderem das Homeoffice. Dabei sind so viele Autos zugelassen wie nie zuvor.
![Bild zeigt Autoverkehr vor dem Elbtunnel Hamburg Bild zeigt Autoverkehr vor dem Elbtunnel Hamburg](/picture/7106131/624/35746707-1.jpeg)
Auf Fernstraßen ist weniger los als vor der Pandemie Foto: dpa
BERLIN dpa | In Deutschland gibt es so viele Autos wie nie. Trotzdem ist auf den Bundesstraßen und Autobahnen weniger los als vor Corona, wie eine neue Studie zeigt. Der öffentliche Verkehr profitiert davon aber nicht.
Obwohl die Zahl der Autos in Deutschland zunimmt, ist auf den Fernstraßen des Bundes nach wie vor weniger los als vor der Coronakrise. „Es bleibt festzuhalten, dass das Verkehrsaufkommen auf den Fernstraßen nach der Pandemie zwar wieder gestiegen ist, dass es aber auch im Jahr 2023 noch um etwa 7 Prozent unter dem Niveau von 2019 lag“, heißt es einer Studie, die das Beratungsunternehmen KCW im Auftrag der Politikberatung Agora Verkehrswende durchgeführt hat. „Ganz ohne Lockdowns.“
Dabei waren Ende vergangenen Jahres nach Daten des Kraftfahrt-Bundesamts, die in der Studie zitiert werden, mehr als 49 Millionen Pkw zugelassen und damit so viele wie niemals zuvor.
Der Grund, dass dennoch weniger auf den Straßen los ist, sei vermutlich, dass weniger gependelt werde. Einer Erhebung des Ifo-Instituts zufolge arbeiteten im Februar 2024 rund ein Viertel aller Menschen von zu Hause aus. „Dieser Wert ist seit April 2022 – kurz nach Aufhebung der pandemiebedingten Homeoffice-Pflicht – nahezu konstant geblieben“, schreiben die Wissenschaftler der Agora Verkehrswende. Das führt der KCW-Studie zufolge dazu, dass an Werktagen zu den Stoßzeiten das Verkehrsaufkommen vor allem am Morgen um mehr als zwölf Prozent niedriger ist als im Jahr 2019.
Busse, Bahnen und Fahrrad profitieren kaum
Allerdings kann der öffentliche Verkehr – also Busse, Bahnen oder das Fahrrad – von dieser Entwicklung kaum profitieren. Zwar lag das Verkehrsaufkommen auf der Schiene sowohl im Regional- als auch im Fernverkehr im vergangenen Jahr über dem Vor-Corona-Niveau. Die Anzahl der Menschen, die den öffentlichen Verkehr nutzen, liegt aber nach wie vor darunter. Das bedeutet: Weniger Fahrgäste legen längere Strecken zurück.
„Insgesamt hat sich der Anteil der verschiedenen Verkehrsträger an den zurückgelegten Wegen, der Modal Split, daher auch nur wenig verändert“, schreibt die Agora-Verkehrswende. So lag der Anteil des öffentlichen Verkehrs an der gesamten Verkehrsleistung sowohl im Mai 2017 als auch Ende 2023 bei etwa zehn Prozent. Der motorisierte Individualverkehr, also vor allem das eigene Auto, kam auf knapp 60 Prozent. Unabhängig vom Verkehrsträger sind also generell weniger Menschen unterwegs als vor der Pandemie.
Leser*innenkommentare
Herma Huhn
Wieso wird behauptet der ÖPNV würde nicht profitieren?
Die Mobilität ist insgesamt heruntergegangen, davon profitieren alle.
Mehr Platz im Bus, um weitere Autofahrer zum umsteigen zu motivieren besteht ja nun. Müssen nur noch die Fahrpläne angepasst werden, damit die Menschen nicht die dreifache Fahrtzeit hinnehmen müssen, wenn sie umweltfreundlich unterwegs sein möchten.
Aber bei allem Nutzen des ÖPNV: weniger Strecke würde allen guttun, egal, mit welchem Vehikel.
guzman
Ist volkswirtschaftlich völlig unsinnig, dass immer mehr, mit riesigen Aufwand produziertes Blech, von dem ein Großteil lediglich zur Protzgründen angeschafft wird, den öffentlichen Raum vollstellt und gut ausgebildete Arbeitskräfte bindet, die anderswo dringend gebraucht werden.
Offebacher
Der ÖPNV ist stark belastet, teilweise überlastet. Würde ein nennenswerter Teil der Pendler vom PKW auf ÖPNV umsteigen, würde der ÖPNV völlig zusammenbrechen. Ist aber eher theoretisch, da es für viele gar keinen ÖPNV gibt (für mich als Offebacher funktioniert der ÖPNV, solange die Fahrziele in der Nähe der S-Bahn sind).
Bolzkopf
Damit sind dann wohl die ohnehin über vierzig Jahre alten Studien endgültig widerlegt, die von der Anti-Strassen-Bewegung jedesmal aufs Neue exhumiert werden, wenn es mal wieder darum geht dringend erforderliche Ortsumfahrungen zu torpedieren.
Bambus05
Eigentlich paradox, immer mehr Leute haben eine eigene Kiste vor der Tür stehen, nutzen sie aber immer weniger. Okay, das Home Office ist eine Erklärung. Gleichzeitig ist es aber auch eine Bankrotterklärung für die Verkehrpolitik. Die Öffis sind und bleiben grottig schlecht und sind selbst wenn man nicht hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen wohnt oft keine ernsthafte Alternative. Ein starker ÖPNV, dazu sinnvoll-ergänzende und erschwingliche Zusatzangebote wie Mietwagen, Carsharing usw. würden es vielen leicht machen, auf das eigene Auto zu verzichten. Hätte, hätte...Volker Wissing.
thomys
"Das bedeutet: Weniger Fahrgäste legen längere Strecken zurück."
Das ist eigentlich auch logisch, sehr viele Dienstreisen sind ebenfalls entfallen und werden durch Teams o.ä. ersetzt oder als hybrides Meeting abgehalten.
Von meinen 15 - 20 Dienstreisen p.a. mit der Bahn in der Zeit vor Corona sind jetzt noch ca. 2-3 Reisen p.a. übrig geblieben.
Erfahrungssammler
Aber am Sonntag haben die meisten Homeoffice-Beschäftigten frei, und das ist nicht zu übersehen und zu überhören, riechen kann man es auch.
Don Geraldo
Es mag solche Leute geben, aber die meisten Menschen fahren nicht zum Spaß durch die Gegend, sondern weil sie es müssen.
Mein täglicher Arbeitsweg dauert mit dem Auto einfach 20 Minuten. Im Sommer mit dem Fahrrad, zumindest als ich das körperlich noch konnte, benötigte ich dafür 40-45 Minuten.
Die 75 Minuten mit dem ÖPNV dagegen sind ein Witz, da nützt auch das Deutschlandticket nichts.
Und wenn ich nicht fahren muss steht das Auto halt nur Rum.
guzman
@Don Geraldo Viele fahren aus purer Bequemlichkeit, sozusagen von Brötchentaste zu Brötchentaste und gehen dabei buchstäblich über Leichen.
Lesenswertes Interview DLF mit dem Verkehrsexperten Hermann Knoflacher:
www.deutschlandfun...ine-sucht-100.html
„Manche fordern ja sogar, der Öffentliche Nahverkehr sollte kostenlos für alle sein. Ich, Herr Knoflacher, kann mir – ehrlich gesagt – nicht vorstellen, dass ein BMW-SUV-Fahrer auf die U-Bahn umsteigt, weil sie nichts mehr kostet. Ich glaube, das ist nicht das Problem, oder?
Hermann Knoflacher: Da haben Sie vollkommen Recht. Es hat diese kostenlose ÖV-Benutzung noch nie irgendwo eine wesentliche Änderung erzeugt. Was eine Änderung erzeugt, sind die Eingriffe in den Parkraum.“