Aktion gegen Nazi-Merchandise: Das Recht an rechter Kleidung

Bei Neonazis sind Klamotten mit rechten Codes beliebt, in der Szene fließt dafür viel Geld. Ein Verein will darüber aufklären – mit dem Markenrecht.

Ein Teilnehmer einer Demonstration trägt eine Jacke mit dem Aufdruck '88' in einem Lorbeerkranz.

Rechtsextremisten und Neonazis signalisieren ihre Ideologie immer häufiger mit bestimmten Zahlen- und Buchstabenfolgen Foto: Heribert Proepper/picture alliance

ERFURT taz | Auf den ersten Blick sieht der Schriftzug auf dem weißen T-Shirt aus wie das Logo der beliebten Sportmarke „ellesse“. Doch dann fällt auf: Statt des orange-roten Halbkreises ist über der Schrift offenbar ein Hakenkreuz angedeutet, schwarz, auf weißem Grund, mit rotem Rand. Und statt „ellesse“ steht dort „enness“ – gesprochen wie NS, der Abkürzung für den Nationalsozialismus.

Das ist kein Zufall, denn Anbieter dieses T-Shirts und ähnlicher Artikel waren Onlineversandhändler, deren Zielgruppe ein Faible für Hakenkreuze oder den Nationalsozialismus hat: Neonazis und andere Rechtsextreme. Die Abkürzung „enness“ ist einer von vielen Codes, die sie etwa als Erkennungszeichen nutzen. Doch obwohl das T-Shirt bei mehreren Shops unter den Bestsellern lief, haben einige es an diesem Dienstag offline genommen.

Der Grund: Sie haben nicht die Markenrechte, um Kleidung mit der Abkürzung „enness“ zu verkaufen. Das darf ganz offiziell, laut europäischem Markenamt, nur die antifaschistische Initiative „Laut gegen Nazis“. Sie versucht seit vergangenem Oktober mit der Aktion „Recht gegen Rechts“ die Markenrechte an in der Szene beliebten Codes für Kleidung zu bekommen. Wenn das gelingt, kann die Initiative anderen verbieten, solche zu verkaufen.

Bei „enness“ hat es geklappt, und nun mahnt die Initiative Neonazi-Shops ab. Wie die meisten Shops darauf reagieren, weiß Jörn Menge, Vereinsvorsitzender von Laut gegen Nazis, mittlerweile. Auf frühere Unterlassungserklärungen hätten die meisten Shops „ganz höflich“ geschrieben, dass sie die Sachen aus dem Sortiment nehmen. „Mit Anrede und Grußformel, wie das so üblich ist in einem Business“, so Menge. „Mehr ist das für die eben nicht.“ Wenn die Shops die Kleidung nicht aus dem Shop nehmen, schalten sich die Anwälte der Initiative ein.

Hunderte Nazi-Codes

Und dieses Business ist offenbar ziemlich einträglich, wie die Vielzahl der Shops zeigt. Sie machen Reizworte unkenntlich, etwa indem sie Vokale weglassen oder Zahlen verwenden: „I love Htlr“ auf Baby-Stramplern, „HKNKRZ“ (Hakenkreuz) auf T-Shirts oder eine 88 im Ehrenkranz (steht für den verbotenen Nazi-Gruß „Heil Hitler“) auf Pullovern. Auch der bundesweit bekannte Neonazi Tommy Frenck, der es bei der Thüringer Kommunalwahl in die Stichwahl geschafft hat, verkauft und trägt Klamotten dieser Art.

„Die Kleidung sieht man bei Rechtsrockkonzerten oder Kameradschaftstreffen. Da sind die in“, erzählt Jörn Menge der taz. Er ist seit rund 20 Jahren aktiv und kennt einige Codes. An allen könne „Laut gegen Nazis“ allerdings nicht die Rechte erwerben. Zum einen dürfen Marken nicht gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen. Zum anderen dürfen sie nicht zu allgemein sein.

Alle Kleidung mit Nazi-Codes vom Markt zu nehmen, sei aber auch nicht die Idee, sagt Menge. „Unser Ziel ist vor allem Aufklärungsarbeit darüber, wie sich die Neonazi-Szene finanziert. Der finanzielle Schaden für die Shops ist ein Nebeneffekt.“

Um über die Codes aufzuklären, rief der Verein „Laut gegen Nazis“ zudem im April zusammen mit mehreren Firmen aus der Modebranche ein weiteres Projekt ins Leben: „Fashion against Fashism“. Das ist eine öffentliche Datenbank, die rechte Codes sammelt, um sie bekannter zu machen. Mode-Plattformen können ihre Angebote damit abgleichen, um Neonazi-Codes zu erkennen. Unter anderem der Onlinehändler Zalando und die Second-Hand-Plattform Vinted unterstützen das Projekt. Aktuell hat die Datenbank mehr als 190 Einträge.

Das geht schneller und ist günstiger als die Anmeldungen von Codes beim Markenamt. Für einen Code wendet „Laut gegen Nazis“ nach eigenen Angaben rund 1.600 Euro auf – spendenfinanziert. „Es dauert wirklich lange und ist zeitintensiv“, sagt Menge. Dann lacht er: „Aber wir hören trotzdem nicht auf.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.