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Gesetzentwurf zu ausländischen Früh-EhenKinder-Ehen bleiben nichtig

Bundesjustizminister Buschmann wollte eigentlich zu einer Einzelfallprüfung zurückkehren. Nun schlägt er jedoch eine generelle Unwirksamkeit vor.

Bundesjustizminister Marco Buschmann bemüht sich um den Koalitionsfrieden Foto: Britta Pedersen/dpa

Freiburg taz | Die automatische Nichtigkeit von im Ausland geschlossenen Kinderehen soll bestehen bleiben. Das sieht ein Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vor. Er ist damit der SPD entgegengekommen.

In der Flüchtlingswelle 2015 und 2016 waren viele Paare in Deutschland angekommen, bei denen die Partnerin noch minderjährig war, oft sogar unter 16 Jahren. Dies führte in Deutschland zu Empörung. „Kinder gehören in die Schule, nicht in die Ehe“, proklamierte damals die Union. Die Große Koalition verschärfte daher 2017 die Rechtslage und erklärte im Ausland geschlossene Ehen generell für unwirksam, wenn bei Eheschluss ein:e Part­ne­r:in jünger als 16 Jahre war.

Die Fachwelt – vom Deutschen Juristinnenbund bis zum Kinderhilfswerk – lehnte das Gesetz überwiegend ab. Es sei für viele Mädchen keine Hilfe, sondern eher ein Schock, wenn ihnen nach der gemeinsamen Flucht der Ehemann weggenommen wird und sie in ein Heim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kommen. Die bisherige Einzelfallprüfung entspreche eher dem Kindeswohl. Auch der Bundesgerichtshof hielt das Gesetz für verfassungswidrig, weil es keine Einzelfallprüfung vorsah, und bat das Bundesverfassungsgericht um Prüfung.

Doch das Bundesverfassungsgericht billigte in seinem Urteil Anfang 2023 den Kern des Gesetzes, die automatische Nichtigkeit von im Ausland geschlossenen Frühehen. Eine oft langwierige Einzelfallprüfung schütze das Kindeswohl nicht besser. Es erklärte das Gesetz dennoch für verfassungswidrig und forderte in zwei Punkten Nachbesserungen: Das Mädchen soll trotz der Nichtigkeit der Ehe Unterhaltsansprüche haben. Außerdem soll das Mädchen, wenn es volljährig wurde, die Möglichkeit bekommen, die nichtige Ehe wiederaufleben zu lassen.

Federführend für die Umsetzung der Karlsruher Vorgaben ist Justizminister Buschmann. In einem ersten Entwurf vom Oktober schlug er eine Abkehr von der automatischen Nichtigkeit vor und berief sich auf die Kritik der Fachleute. Ein Gericht sollte jeweils entscheiden, ob die Frühehe im Interesse des minderjährigen Teils aufgehoben werden soll oder nicht. Doch die SPD blockierte. Die Aufhebenslösung sei ein „völlig falsches Signal“, kritisierte SPD-Fraktions-Vize Dirk Wiese Anfang März im Spiegel.

CDU und CSU griffen den Zwist der Ampelkoalition auf und mahnten, dass das Bundesverfassungsgericht für die Neuregelung eine Frist bis Ende Juni 2024 gesetzt hatte. Natürlich forderte auch die Union die Beibehaltung der automatischen Nichtigkeit von Frühehen.

Nun hat Minister Buschmann eingelenkt. Auch sein Gesetzentwurf „zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen“ sieht nun vor, dass eine Ehe, die unter Beteiligung einer Person geschlossen wurde, die bei der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nach deutschem Recht automatisch unwirksam ist. Dies gilt auch, wenn die Eheschließung im Herkunftsland rechtmäßig war.

Wie vom BVerfG gefordert, erhält das Mädchen jetzt aber einen Unterhaltsanspruch gegen den Mann, der nun nicht ihr Ehemann ist. Außerdem soll die junge Frau, nachdem sie volljährig wurde, vor dem Standesamt erklären können, dass sie die Ehe „aufgrund eines selbstbestimmten Entschlusses fortführen will“. Das Justizministerium schätzt, dass der Gesetzentwurf rund 150 Ehen in Deutschland betrifft.

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12 Kommentare

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  • "im Herkunftsland rechtmäßig" ist nun wirklich kein Kriterium. Es gibt so viele in unseren Augen haarsträubende Dinge, die in irgendeinem Land der Welt ohne weiteres dem dortigen Recht und Gesetz entsprechen: Todesstrafe, Auspeitschung, Vielehe, Genitalverstümmelung, mildernde Umstände für "Ehrenmorde" usw.

    Unser Weltbild und unser Menschenbild in Deutschland ist ein anderes. Wer nach Deutschland kommt, muss sich darauf einstellen.

  • "Die Fachwelt – vom Deutschen Juristinnenbund bis zum Kinderhilfswerk – lehnte das Gesetz überwiegend ab. Es sei für viele Mädchen keine Hilfe, sondern eher ein Schock, wenn ihnen nach der gemeinsamen Flucht der Ehemann weggenommen wird und sie in ein Heim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kommen."



    Geht`s eigentlich noch!



    Der Schock ist wohl eher durch das Kinderheim bedingt.



    Das die Fachwelt ein Abhängigkeitsverhältnis eines Kindes als Rechtfertigung verwendet dieses Abhängigkeitsverhältnis zu rechtfertigen ist ein Skandal, da ein Rückschritt in das tiefste Mittelalter. Das Kinderhilfswerk sollte sich vielmehr darum kümmern, dass Kinderheime mit einer notwendigen Qualität ausgestattet und geführt werden. Da wundert es nicht warum es rückblickend so viele Heime mit Missbrauchsfällen gegeben hat und gibt. Die kolportierte Zahl von nur 150 Betroffenen ist wohl stark untertrieben, wenn wir uns allein nur die weitverbreitete Praxis in den bekannten Fluchtländern ansehen.

  • "Kinder-Ehen bleiben nichtig"

    Ich finde das richtig und befürworte es. Die weiblichen (?) Kinder können ja vermutlich immer noch Kontakt zu ihren "Ehemännern" haben, wenn sie das möchten, sie sind ihnen eben nur nicht mehr alternativlos ausgeliefert.



    Sie können zur Schule gehen oder eine Ausbildung machen, wenn sie das möchten. Das ist etwas, was ihnen in ihren Herkunftsländern (beispielsweise Afghanistan) oft verweigert wird und wofür sich die Kinder, wenn der "Ehemann" sie nicht mehr unter Druck setzen kann, dann entscheiden können.

  • > Die Fachwelt – vom Deutschen Juristinnenbund bis zum Kinderhilfswerk – lehnte das Gesetz überwiegend ab.

    Dass man hier eine bestehende Abhängigkeit als Rechtfertigung ansieht, Kinderehen zu akzeptieren, finde ich schon krass. Zumal das Gesetz ja vorsieht, dass Ansprüche weiterhin bestehen bleiben. Dass Kinder in einer Situation bleiben sollen, in die sie nur durch Missbrauch hineingerutscht sind, weil sie durch diesen Missbrauch so viel Leid erfahren haben, dass sie sich mental abhängig fühlen, finde ich einfach nur grausam.

    Da müssen sich die Übeltäter nur genug bemühen, um eine Art Stockholm-Syndrom ins Rollen zu bringen und alles ist in Ordnung.

    • @Chris12:

      Es gibt, leider sehr selten, Einzelfälle, in denen das verheiratete Kind tatsächlich nicht missbraucht wird, sondern die Ehe lediglich eine zukünftige Beziehung festigen soll.



      Immer noch mies, weil es eine Abhängigkeit schafft, aus der auch eine 18jährige nicht so einfach herauskommt.



      Aber in diesen sehr selten Fällen besteht keine akute Gefährdung für das Kind.



      Eine Unterbringung in der Jugendführsorge hat nun einmal Nebenwirkungen, die in jedem Fall abgewogen werden müssen.



      Wenn es um 150 Fälle in Deutschland geht, wäre es vielleicht in einem Fall so, dass die Unterbringung einen größeren Schaden anrichtet als ein ruhiges Abwarten.



      Extrem niedrige Quote, aber auch dieses eine Kind hat eine faire Behandlung verdient.



      Trotzdem ist wahrscheinlich die automatische Annulierung besser, aber nur, weil die Ämter für eine Einzelfallbetrachtung, die dem Ernst der Lage gerecht wird, schlicht zu langsam arbeiten.

  • Warum ist das überhaupt diskussionswürdig? Was irgendwo im Ausland legal ist, muss hier trotzdem nicht richtig sein. Mir geht diese permanente Rücksichtnahme auf irgenwelche archaischen Bräuche, die nach D importiert werden, und hier illegal sind, oder nicht in die Lebensrealität passen, grandios auf den Wecker!!

    • @wheredallthegoodpeoplego:

      +1!

      Kategorisch für Null und nichtig erklären ist der einzig richtige Weg. Wem das nicht passt, der muss wieder gehen oder gleich fern bleiben. Ende.

    • @wheredallthegoodpeoplego:

      Es geht in dieser ganzen Diskussion aber nicht darum, dass deutsche Behörden sich "archaischen Bräuchen" verpflichtet fühlen, sondern darum, was für die Betroffenen -und zwar je einzeln - am Besten ist. Welche Lösung in diesem Fall sinnvoll ist, weiss ich auch nicht, aber man sollte zumindest die Motive derjenigen verstehen, die für Einzelfallprüfungen plädieren - die sind nämlich tief in unserer Rechtstradition verankert.

      • @O.F.:

        Ich weiß, was Sie meinen aber so tief und lange ist das Kindeswohl in unserer Rechtstradition aber auch in vielen anderen Traditionen noch nicht verankert. Gerade jetzt wieder an dem unwürdigen Verhalten der sog. Liberalen zu sehen.

        • @BrendanB:

          Hier war meine Formulierung vielleicht unklar: mit dem Verweis auf Rechtstradition ging es um den Anspruch, dem Einzelfall gerecht zu werden, nicht spezifisch um das Kindeswohl. Und gerade hier sind die Einzelfälle ja durchaus verschieden: es ist klar, dass der Staat eingreifen muss, wenn ein 60-Jähriger eine 12-Jährige geheiratet hat (was auch nicht zur Disputation steht: Gesetze gegen Kindesmissbrauch bleiben auf jeden Fall wirksam); aber was ist mit der 16-Jährigen, die mit ihrem 20-Jährigen Mann geflohen ist? Nun kann man auch in diesem Fall dafür argumentieren, dass das zu jung ist und der Staat die Ehe nicht anerkennen sollte; ich würde mich aber dafür hüten, hier jedem, der in einem solchen Fall zu einem anderen Ergebnis kommt, den Kniefall vor archaischen Bräuchen vorzuwerfen.

          • @O.F.:

            Die 16jährige darf verheiratet bleiben - solange sie zum Zeitpunkten der Eheschließung schon 16 war. Das Alter des Ehemannes spielt keine Rolle.



            Aber wie schon gesagt, ich weiß was Sie meinen und stimme Ihnen grundsätzlich zu.

  • Unter dem Aspekt, dass in patriarchalischen Gesellschaften in der Regel nicht ge- sondern verheiratet, wird, ist das Gesetz richtig. Der befürchtete „Schock“ nach Aufhebung der Ehe könnte auch als Befreiung bezeichnet werden. Außerdem gelten in Europa die Werte der Aufklärung. Diese gilt es zu achten. Immer und überall, wo in Recht gesprochen wird.