Neue Fragen im Einbürgerungstest: Kein Mittel gegen Antisemitismus

Mit den veränderten Einbürgerungstests wird der Antisemitismus in Deutschland kaum weniger werden. Deutlich zielführender sind Aufklärung und Bildung.

Eine israelische Flagge flattert im Wind vor blauem Himmel

Hilflose Aktion: Wer eingebürgert werden möchte, sollte beim Test auch das Gründungsjahr des Staates Israel kennen Foto: Sven Hoppe/dpa

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat das Mittel gegen Antisemitismus gefunden: Wer eingebürgert werden will, soll künftig Auskunft darüber geben, warum Deutschland Israel gegenüber eine besondere Verantwortung hat. Er soll außerdem erklären können, wie ein jüdisches Gebetshaus heißt, welche Strafe auf Holocaustleugnung steht, wann der Staat Israel gegründet wurde und wer Mitglied bei den jüdischen Makkabi-Sportvereinen werden darf.

Wenn es doch nur so einfach wäre. Für den Fall, dass Sie gerade überlegen, ob Sie Ihren Pass per Eilpost abgeben müssen: Die Antworten lauten: Holocaust, Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, Synagoge, 1948 und jeder. Das nicht zu wissen aber sagt wenig darüber aus, ob jemand Antisemit ist oder nicht. Dass Faeser diese Fragen jetzt einführen will, liegt neben der gerade vollzogenen Einbürgerungsreform auch an der aktuellen Debatte in Deutschland.

Seit dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober fokussiert sich diese auf antiisraelischen Antisemitismus. Den gibt es, und dagegen etwas zu tun ist wichtig. Doch kann man getrost davon ausgehen, dass gerade diese Zielgruppe die Jahreszahl 1948 zuverlässig nennen kann. Auch sind Holocaustleugner nicht aus Versehen Antisemiten, weil sie nicht wüssten, dass Holocaustleugnung strafbar ist.

Solche Fragen sind geeignet, grundsätzliches Misstrauen gegenüber Menschen zu schüren, die eingebürgert werden wollen – und seien wir ehrlich: vor allem jenen gegenüber, die aus muslimisch geprägten Ländern kommen. Zur Sicherheit jüdischer Menschen in Deutschland aber trägt dieser Fragenkatalog nichts bei. Deutschland hat ein massives Antisemitismusproblem. Doch dieses zieht sich durch die gesamte Bevölkerung, ob arm oder reich, mit Hauptschulabschluss oder Doktortitel, mit oder ohne Migrationsbiografie.

Ein langer, teurer Prozess

Richtig ist, dass der Bildung beim Kampf gegen Antisemitismus eine zentrale Rolle zukommt. Dabei geht es aber um mehr als um das Auswendiglernen von Fakten zu Judentum und Israel. Vielmehr geht es um eine Auseinandersetzung mit dem Thema Antisemitismus und seinen heutigen Erscheinungsformen. Was es braucht, ist eine Förderung demokratischer Bildung und Erziehung – und zwar für alle Menschen in diesem Land.

Das aber kann man leider nicht einmal schnell einführen und dann abhaken. Es ist ein langer und bedauerlicherweise vermutlich nie endender Prozess. Und es kostet Geld. Das aber sollte ein Staat bereit sein zu investieren, wenn es ihm ernst ist mit dem Kampf gegen Antisemitismus und andere Formen von Menschenfeindlichkeit. Alles andere ist Populismus.

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leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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