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RAF-Fahndung in BerlinMit der Kavallerie durch F'hain

Drei Razzien, keine Festnahme: Die Suche nach zwei Ex-RAF-Mitgliedern hält den Kiez rund ums Ostkreuz weiter in Atem.

Zweiter Einsatz auf dem Wagenplatz: Kri­mi­nal­tech­ni­ke­r*in­nen am Montag vor dem Gelände am Markgrafendamm in Friedrichshain Foto: Britta Pedersen/dpa

Berlin taz | Ganz schön vollgestellt ist er, der Parkplatz vor dem Lidl an der Ecke Markgrafendamm/Persiusstraße in Friedrichshain: Am Montagmittag reiht sich dort ein Mannschaftswagen der Polizei an den nächsten. Besonders beschäftigt wirken die Dutzenden Po­li­zis­t*in­nen nicht, die, wie ihre Kennzeichen verraten, aus Braunschweig angereist sind. Ab und zu kommt ein Uniformierter aus dem Supermarkt, Verpflegung unterm Arm. Mahlzeit.

Nur einen Steinwurf entfernt, auf der anderen Straßenseite, läuft schon wieder ein Einsatz auf dem Gelände des Wagenplatzes, auf dem am Sonntag mutmaßlich die spartanische Wohnstätte des Bankräubers und Ex-RAF-Mitglieds Burkhard Garweg entdeckt wurde.

Anders als bei der martialischen Razzia inklusive SEK, Blendgranaten und „sondergeschütztem Offensivfahrzeug“ – besser bekannt als Polizeipanzer Typ „Enok“ – geht es am Montag weitaus ruhiger zu. Auf dem abgeriegelten Gelände verrichten Kri­mi­nal­tech­ni­ke­r*in­nen in weißen Schutzanzügen ihr Werk, bewacht von Flatterband und zwei wortkargen Polizisten.

Was sie dort suchen, nachdem Garwegs mutmaßlicher Bauwagen in der Früh bereits abtransportiert wurde, bleibt unklar. Es ist bereits der vierte Einsatz im Kiez rund ums Ostkreuz seit Sonntagmorgen.

Spontandemo gegen Razzia im Kiez

Nach der großen Razzia auf dem Wagenplatz war die Polizei am Sonntagabend ebenfalls mit dem gepanzerten Enok in der Grünberger Straße nahe dem Boxhagener Platz vorgefahren und hatte eine Wohnung durchsucht, dort allerdings niemanden angetroffen. Zum Misserfolg gesellte sich dann in guter alter Friedrichshainer Manier noch eine spontane Soli-Demo für die Gesuchten.

Am Montagmorgen schließlich klingelten die Ermittler eine Person in der Corinthstraße aus dem Bett – es war aber wieder keiner der gesuchten Räuber. Wirklich verwundern kann das nicht, denn bereits am Donnerstag war die Polizei mit der Vermutung an die Öffentlichkeit gegangen, dass sich die RAF-Rentner Garweg und Ernst-Volker Staub in Berlin aufhalten. Spätestens dann, wahrscheinlich aber schon nach der Verhaftung ihrer ehemaligen Komplizin Daniela Klette, dürften sie sich vom Acker gemacht haben.

LKA experimentiert mit Photoshop

Ein bisschen kurios ist es schon, dass Garweg offenbar mitten in Berlin, wenige hundert Meter von den Liegenschaften des Bundeskriminalamts am Treptower Park entfernt, untergetaucht war, sich als „Martin“ ausgab und trotz erfolgreicher Banküberfälle ein prekäres Leben führte.

Fotos aus Klettes Wohnung zeigen den Hundeliebhaber mit einem Teller Fusilli mit Tomatensauce (oder Ketchup?), daneben eine ausgedrückte Kippe. Ebenso kurios wirken die gephotoshoppten Bilder, auf denen die Ermittler Garweg ein Basecap, eine Brille und eine Glatze auf den Kopf montiert haben.

Wohl aus gutem Grund fürchten linke Gruppen in Friedrichshain und Kreuzberg nach den jüngsten Razzien, dass auch bei ihnen demnächst die Polizei mit ihrer gesamten Kavallerie einreiten und alles nach Garweg und dessen Hunden durchkämmen könnte.

Der Verein „Edelrost“ vom Bauwagen-Gelände am Markgrafendamm etwa wehrte sich am Montag in einer Mitteilung gegen die „Stigmatisierung unseres Projektes“ infolge der Durchsuchungen: „Wir wussten bis gestern von der gesuchten Person weder seinen echten Namen noch dass es Ermittlungen gegen ihn gab – und sind selbst von den Vorgängen vollkommen überrascht worden“, stellte der Verein klar.

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12 Kommentare

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  • Ziemlich unsolidarisch sich im Bauwagenprojekt zu verstecken und das dadurch zu gefährden.

  • So wie Pofalla damals die NSA-Affäre für beendet erklärt hat und gut war mit der NSA?



    Ich hab da eine ganz krasse Idee: Einfach Gesetze abschaffen, dann ist Kriminalität ein abgeschlossenes Kapitel der BRD-Geschichte XD



    Nur entsteht dann neues Theater, dass aufgearbeitet werden muss.

  • Die mit Photoshop bearbeiteten Bilder der niedersächsischen Polizei wirken amateurhaft genug, warum aber in wirklich jeder Pressemitteilung dazu und auch hier in der taz von einer Basecap geschrieben wird ist mir ein Rätsel. Allenfalls eine glatte Mütze lässt sich erkennen, haubengleich über den Kopf gestülpt. Keine Basecap weit und breit. Ist das nun journalistischer Herdentriebautomatismus oder sind die Bilder wirklich so peinlich schlecht (eine Brille mit ungleichen Brillengläsern..) und es soll eine Basecap darstellen?

  • Täusche ich mich oder bekommen hierzulande per Haftbefehl gesuchte "gewaltbereite" Rechtsextreme viel weniger fahndungstechnische Aufmerksamkeit?



    Letztes Jahr waren 674 Neonazis vor deutschen Sicherheitsbehörden auf der Flucht, waren untergetaucht. 169 Neonazis galten demnach als gewaltbereit. Die meisten der untergetauchten Neonazis werden in Bayern vermutet.



    de.statista.com/in...te-rechtsradikale/



    www.praeventionsta.../news/details/7267

    • @Thomas Brunst:

      Wie viele sind denn von denen Mörder und Räuber?

    • @Thomas Brunst:

      Die Zahl der untergetauchten Neonazis, die schweren bewaffneten Raub verübt haben und dabei auf Wachleute geschossen haben ist ganz erheblich kleiner. Bitte keine Relativierungen.

      • @TheBox:

        Was heisst denn diesbezüglich "erheblich kleiner"? Straftaten der per Haftbefehl gesuchten Neonazis gegen die "körperliche Unversehrtheit": "(...)..überwiegend Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. (...)", schreibt praeventionstag.de.



        Das ist m. E. bei knapp 170 gewaltbereiten und gesuchten Neonazis eine ganze Menge von Personen, welche nicht vor rechtsextremen Verbrechen zurückscheuen.

        • @Thomas Brunst:

          Richtig, aber zwischen z.B. einer Körperverletzung und dem Schießen auf Wachleute im Zuge eines Raubüberfalls ist eben ein Unterschied, weshalb hier entsprechend intensiv(er) gefahndet wird.

  • Die Beute aus den Überfällen musste seit 1999 bisher 25 Jahre reichen, das durch drei... so viel ist das auch wieder nicht, zumal sie wahrscheinlich kein anderes Einkommen hatten und womöglich auch keine Krankenversicherung etc. Und ob sie noch weiter mit Überfällen an Geld kommen wollten, kann man irgendwann schon rein aus Altersgründen auch bezweifeln. Prekäres Leben, durchaus.

    • @Mustardman:

      Im Gefängnis bräuchte man sich um Obdach und Verpflegung keine Sorgen zu machen.

      • @Suryo:

        Ja, aber will man lieber nach Jahrzehnten in Freiheit mit 65 in den Knast oder mit 65 wieder rauskommen und mittellos dastehen?

        Wie auch immer, dass der Staat damals die Selbstauflösung der RAF nicht zum Anlass genommen hat, das ganze Theater mal aufzuarbeiten, einschließlich Gesprächsangeboten an und Deals mit den übriggebliebenen Mitgliedern kann man durchaus als Fehler betrachten. Das hätte schon längst ein abgeschlossenes Kapitel der BRD-Geschichte sein können.

        • @Mustardman:

          Wieso sollte man da von Seiten des Staates irgendetwas anbieten?

          Ein faires Gerichtsverfahren, das ist alles. Wie kommt man dazu, für diese Leute Privilegien einzufordern? Sind deren Straftaten etwas besseres, oder was?