Deutsche Nahost-Unterstützung: Hilfe unter unsicheren Umständen
Die Bundesregierung hat die Hilfen für die Palästinensischen Gebiete geprüft – und setzt sie nun fort. Eine Zweckentfremdung sei nicht feststellbar.
Bei der deutschen Entwicklungshilfe für die Palästinensischen Gebiete geht es vor allem um die grundlegende Versorgung der Zivilbevölkerung in der Region. Dazu zählen auch finanzielle Mittel für UNRWA, dem UN-Hilfswerk für palästinensische Geflüchtete. Das Ministerium unter Schulze hält die Hilfen wichtig für die Linderung des Leids der Menschen im Gazastreifen und für die Stabilisierung der Lage im Westjordanland sowie in Jordanien und im Libanon. Es geht ihr um bessere Lebensbedingungen, aber auch um Zukunftsperspektiven.
Und noch eine recht versteckte politische Botschaft soll die Wiederaufnahme aufzeigen. Diese wird in diesen Tagen zwar international gefordert, scheint aber angesichts des andauernden Kriegs im Nahen Osten in weite Ferne gerückt. Nur mit „leistungsfähigen Institutionen“ – also mit Verwaltungsstrukturen, mit Behörden, mit Einrichtungen, die wertebasiert und auf einem demokratischen Fundament arbeiten, könne die Basis für eine Zweistaatenlösung geschaffen werden. Begründet wird das Engagement Deutschlands auch mit der „besonderen historischen Verantwortung für die Sicherheit Israels und als Beitrag zu einer Friedenslösung im Nahen Osten.“
Für Cornelia Möhring, Mitglied im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, ist die Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit in den Palästinensischen Gebieten „alternativlos und ein Gebot der Solidarität mit Menschen in akuter Not“. „Ein Stopp dieser Hilfe würde selbst in Friedenszeiten Hunderttausende in Hunger, Not und Krankheit stürzen“, sagte die Linken-Sprecherin für Entwicklungspolitik und Globale Gerechtigkeit der taz. Möhring bezieht sich darauf, dass insbesondere die Zivilbevölkerung am Tropf internationaler Organisationen hängt. Seit Jahren sorgen das Welternährungsprogramm, kirchliche Organisationen oder eben UNRWA dafür, dass die Menschen mit Nahrungsmitteln und medizinischer Hilfe versorgt werden. Auch der Aufbau von Schulen oder Infrastruktur wäre ohne internationales Geld nicht möglich. Allein aus Deutschland erhält UNRWA 91 Millionen Euro.
Betreibt die UNRWA Hamas-Propaganda?
Allerdings gibt es nicht erst seit dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober scharfe Kritik an den Zahlungen und den UN-Organisationen vor Ort. Ihnen wird Hamas-Propaganda vorgeworfen, dass Terroristen die Hilfsgüter für ihre Zwecke nutzen. Linken-Politikerin Möhring hält die Prüfmechnismen des Auswärtigen Amts, des Bundesentwicklungsministeriums sowie der deutschen Sicherheitsbehörden für valide. „Wer behauptet, dass Deutschland Terror, Hamas und Judenfeinde finanziert, verbreitet wissentlich Fake News und torpediert damit den Frieden in Nahost und das friedliche Zusammenleben in Deutschland.“
Um zu einem Ergebnis zu kommen, werden alle lokalen Partnerorganisationen einzeln kontrolliert. Es geht um Verbindungen zur Hamas und anderen Terrorgruppen, es wird kontrolliert, ob zu Hass und Gewalt aufgerufen wird, ob das Existenzrechts Israel infrage gestellt wird. „Zudem werden keine Vorhaben von Organisationen gefördert, die sich in der BDS-Bewegung engagieren“, heißt es aus dem Ministerium.
Verläuft die Prüfung positiv, dann bescheinigen Auswärtiges Amt und Bundesentwicklungsministerium „außenpolitische Unbedenklichkeit“. Alles an Material, das in den Gazastreifen gelangen soll, kann nur eingeführt werden, wenn die israelischen Behörden entsprechend zustimmen. Bestimmte Geräte, etwa Bohrer, werden videoüberwacht. Deutsches Geld soll auf keinen Fall in falsche Hände geraten. Geht es um Schulen im Gazastreifen gibt es sogar Beauftragte im jeweiligen Projekt, die die die Finanzströme kontrollieren. Die Palästinensischen Behörde wird nicht direkt aus Bundesmitteln gefördert.
Rund 2,3 Millionen Menschen leben im Gazastreifen. Die UN gehen davon aus, dass rund 1,9 Millionen innerhalb des Küstengebiets vertrieben wurden. Ein Großteil davon sind Kinder und Frauen. Wie dramatisch die Lage im Gazastreifen ist, bestätigte in dieser Woche erneut UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini. „Es gibt keinen sicheren Ort in Gaza“, sagte er beim Global Refugee Forum in Genf. Und Lazzarini wies auch auf diesen Umstand hin. „Von unseren Kollegen wird verlangt, dass sie in einer unmöglichen Situation das Unmögliche tun.“
Wie kann humanitäre Hilfe – auch die der Bundesregierung – in dieser schwierigen Lage überhaupt eingesetzt werden? Eine BMZ-Sprecherin sagte der taz: „Maßnahmen im Gazastreifen müssen, mit Blick auf die Situation, aktuell auf akute Unterstützung bei der Basisversorgung beschränkt bleiben.“ Längerfristige Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit, auch mit UNRWA, sind unter den aktuellen Umständen nicht umsetzbar. Aber dies bedeute nicht, dass UNRWA im Gazastreifen nicht mehr arbeite.
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