Terrorunterstützer in Deutschland: Hamas-Freunde verbieten?

In Berlin, München oder Duisburg relativieren propalästinensische Gruppen den Terror gegen Israel. Verbotsforderungen werden lauter.

Demonstration von Pro-palästinensische Aktivisten in Duisburg-Hochfeld, sie schwenken palästinensische Flaggen und Flaggen von Samidoun. einer hält ein kleines Plakat: "From the river To the sea, palestine will be free"

Demonstration von Pro-palästinensischen Aktivisten in Duisburg-Hochfeld, die den Angriff der Hamas gegen Israel rechtfertigen Foto: Jochen Tack/picture alliance

BERLIN taz | Bereits am Montagabend standen Sympathisierende mit den Hamas-Angriffen auf Israel in München und Duisburg auf der Straße. Am Mittwoch sollte eine weitere Demonstration in Berlin „für ein freies Palästina“ folgen. Organisiert werden die Proteste von Gruppen wie Samidoun oder „Palästina Spricht“. Nun werden Stimmen immer lauter, schärfer gegen diese Gruppen vorzugehen – bis hin zum Verbot.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) drohte am Dienstag Menschen, welche die „grausamen Taten“ der Hamas auf deutschen Straßen feierten, „mit strafrechtlichen Konsequenzen oder sogar einer Ausweisung“. Man stehe „fest und entschlossen an der Seite Israels“.

Auch eine Sprecherin von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte „die unerträglichen und widerwärtigen Solidaritätskundgebungen mit dem Terror der Hamas gegen Israel scharf“. Gegen jegliche Unterstützung des Terrors der Hamas müsse „mit allen rechtsstaatlichen Mitteln vorgegangen werden“. Dies gelte für das Versammlungsrecht, ebenso wie für eine konsequente Verfolgung jeder dort begangener Straftaten.

Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, sagte der taz, Samidoun habe bereits „mehrfach Demonstrationen organisiert, auf denen antisemitische Parolen skandiert wurden und von denen Gewalt gegen die Polizei ausging“. „Das Feiern der hundertfachen Morde an Jüdinnen und Juden in Israel durch die Gruppe ist ein neuer Tiefpunkt“, kritisierte Klein. „Gegen Samidoun sollte ein Betätigungsverbot rasch geprüft werden.“

Auch Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, hatte gefordert, alle Vereine, die mit der Hamas oder Fatah verbunden seien oder sich mit ihnen solidarisierten, müssten „überprüft und, wenn nötig, verboten werden“. Auch für alle Menschen, die nun das Ermorden von Israelis auf deutschen Straßen bejubelten, müsse der Rechtsstaat Konsequenzen prüfen.

Gleiche Forderungen kommen auch aus der Ampel. Der FDP-Innenpolitiker Manuel Höferlin nannte es „unfassbar, dass auf den Straßen Deutschland offen die brutalen Attacken auf Israel gefeiert und terroristische Angriffe hierzulande bejubelt werden“.

Es brauche international wie national „schnellstmöglich Sanktionen gegen die Unterstützergruppierungen“, sagte Höferlin zur taz. Bundesinnenministerin Faeser müsse daher „ein Verbot von Organisationen, die in Deutschland ihre Unterstützung und ihren Jubel über die brutalen Attacken öffentlich zur Schau stellen, prüfen“. Zugleich müsse eine Finanzierung von propalästinensichen Terrororganisationen unterbunden werden.

Auch die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic nannte es „abscheulich, Hass und Terror gegen Jüdinnen und Juden auf deutschen Straßen zu feiern“. Das Innenministerium müsse „konsequent gegen die Hamas und ihr Unterstützerumfeld sowie gegen die PFLP und Vorfeldorganisationen wie Samidoun vorgehen“.

Die SPD äußerte sich vorsichtiger. Verbote müssten gut vorbereitet sein, sagte SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler der taz. Er habe da „vollstes Vertrauen“ in die Behörden. „Rufe aus dem politischen Raum von der Seitenlinie helfen da gar nicht. Im Zweifel schaden sie nur.“

Baklava und antisemitische Töne

Samidoun hatte bereits kurz nach Beginn der Hamas-Angriffe auf Israel in Berlin-Neukölln Baklava an Passanten verschenkt – und dies auf Social-Media-Kanälen als „Feier des Sieges des Widerstands“ begründet. Am Abend folgte auch eine kleine Kundgebung in Berlin. Die Terrorattacken der Hamas bejubelte die Gruppe: „Der Widerstand erhebt sich“. Auf Protesten ertönte immer wieder die Parole: „From the river to the sea“.

Samidoun unterstützt palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen. Auf Kundgebungen wurde aber wiederholt auch die Beseitigung Israels gefordert. Das Netzwerk ist mit der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) verbandelt, die von Sicherheitsbehörden als terroristisch eingestuft wird. Samidoun wurde 2011 in den USA gegründet, hat international Ableger und gilt zumindest in Israel ebenfalls als terroristisch.

Die Pro-Palästina-Demo am Montagabend in Duisburg war ebenso von Samidoun beworben worden. Die Polizei sprach von rund 100 Teilnehmenden, von denen zwei in Gewahrsam genommen worden seien. Der Kundgebung hätten rund 70 Gegenprotestierende gegenübergestanden.

Die Kundgebung in München hatte die Gruppe „Palästina Spricht“ beworben. In einem Aufruf wandte diese sich „gegen die israelische Brutalität“, welche Menschen „in Gaza niedermetzelt“. Die Hamas-Terrorangriffe feierte „Palästina Spricht“ zugleich als einen „revolutionären Tag“ gegen die „Apartheid“, auf den man „stolz sein könne“. „Wir sind überwältigt.“

Bundesinnenministerium gibt sich wortkarg

Faesers Bundesinnenministerium äußert sich zu Verbotsforderungen generell nicht. Ein Sprecher sagte nur, dass alle Sicherheitsbehörden, insbesondere der Verfassungsschutz, seit dem Ausbruch der Angriffe auf Israel am Samstag „stark sensibilisiert“ seien, um Solidarisierungen mit der Hamas in Deutschland zu erkennen und möglichst zu unterbinden.

Im Fall Samidoun wäre ein Verbot indes nicht ganz trivial – denn die Gruppe ist nicht fest als Verein organisiert. Der Antisemitismusbeauftragte Klein verweist aber auf das Hisbollah-Verbot in Deutschland im Jahr 2020. Da es sich um eine ausländische Gruppe handelt, konnte kein Vereinigungsverbot erteilt werden – wohl aber ein Betätigungsverbot hierzulande.

In den Fokus gerät nun auch wieder das Islamische Zentrum in Hamburg (IZH). Dieses betreibt in der Hansestadt die schiitische „Imam Ali-Moschee“ und gilt als verlängerter Arm des Iran – der die Hamas offensiv unterstützt. Der Verfassungsschutz hat das IZH schon seit Jahren unter Beobachtung und als extremistisch eingestuft. Bereits im November 2022 hatte der Bundestag einen Ampel-Antrag beschlossen, in dem gefordert wurde, eine Schließung des IZH „als Drehscheibe der Operationen des iranischen Regimes in Deutschland“ zu prüfen.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) tritt auch beim IZH für ein Verbot ein. Der Verein sei „eine extremistisch ausgerichtete islamistische Organisation“, sagte seine Sprecherin der taz. „Der Senat würde ein Verbotsvorhaben ausdrücklich begrüßen.“ Ein Verbot müsste aber über Faesers Bundesinnenministerium erfolgen. „Wir gehen davon aus, dass das Bundesinnenministerium die gesetzlichen Spielräume hier voll ausschöpfen wird“, so die Sprecherin.

Der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein sieht das ähnlich. Das IZH in Hamburg müsse „von Polizei und Verfassungsschutz intensiv beobachtet und gegebenenfalls mit Vereins- oder Betätigungsverboten belegt werden“, sagte Klein der taz. Gleiches gelte für andere islamistische Strukturen in Deutschland, von denen judenfeindliche Hetze ausgehe. „Wir können die Verherrlichung mörderischen Judenhasses auf deutschen Straßen nicht folgenlos geschehen lassen.“

Auch die Grüne Mihalic erklärte, ein Verbot des IZH müsse „dringend in Betracht gezogen werden“, ebenso wie ein Betätigungsverbot der iranischen Revolutionsgarden. Faesers Ministerium äußerte sich jedoch auch zur Verbotsforderung gegen das IZH nicht.

Den Samidoun-Protest am Mittwoch in Berlin unterband derweil die Polizei am Dienstagabend: Sie verbot die Versammlung, wegen Erfahrungen aus den früheren Protesten. Zudem hatte die Polizei bereits am Montag einen Samidoun-Aktivisten in Gewahrsam genommen, der in Neukölln trotz politischen Betätigungsverbots propalästinensische Sticker auf Stirn und Brust trug und sich weigerte, diese abzulegen. Laut Polizei ist der 26-Jährige ein „polizeibekannter Rädelsführer“.

Aktualisiert am 10. Oktober 2023 um 18.10 Uhr

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