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Jugendliche klagen wegen KlimawandelStaaten vor Gericht

Sechs portugiesische Jugendliche haben mehr als 30 Staaten verklagt. Der Vorwurf: zu wenig Klimaschutz. Das verletze die Menschenrechte.

Mariana und Claudia Agostinho treffen am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein, 27. September 2023 Foto: Jean-Francois Badias/ap

Berlin taz | Schon die Anwaltsbank zeigt das Kräfteverhältnis: sechs gegen mehr als achtzig. Die kleine Gruppe an Ju­ris­t:in­nen vertritt sechs portugiesische Jugendliche. Die große steht für die mehr als dreißig Regierungen, die sie mangels Klimaschutz verklagen. Auch Deutschland ist darunter. Am Mittwoch wurde der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verhandelt.

„Wenn nicht sofort gehandelt wird und die Emissionen sinken, wird der Ort, an dem ich lebe, bald zu einem unerträglichen Heizkessel“, sagte der 20-jährige Kläger Martim Duarte Agostinho. Wie mehrere seiner 12- bis 24-jährigen Mitstreiter:innen, unter anderem seine Schwestern Cláudia und Mariana, kommt er aus der Region Leiria.

Dort hatte es im Jahr 2017 extreme Waldbrände gegeben, die durch heißeres und trockeneres Wetter begünstigt werden – der Erwachungsmoment für die Jugendlichen. „Unsere Botschaft an die Richter ist ganz einfach: Bitte bringen Sie diese Regierungen dazu, das Nötige zu tun, damit wir eine lebenswerte Zukunft haben“, so Agostinho.

Deutschlands Rolle doppelt vor Gericht

Der Fall zieht sich schon über einige Jahre. Im September 2020 reichten die Por­tu­gie­s:in­nen die Klage ein. Betroffen sind die 27 EU-Staaten sowie Norwegen, Russland, Türkei, Schweiz und Großbritannien. Seither hatten auch die Regierungen Zeit, Stellung zu dem Vorwurf zu nehmen. Der wiegt schwer: Das Handeln der Staaten verletze durch die Klimakrise die Menschenrechte der Kläger:innen. Ein finales Urteil wird erst im kommenden Jahr erwartet. Bei einem Erfolg der Klage würden die Rich­te­r:in­nen die verklagten Staaten auffordern, strengere Klimaziele zu beschließen und einzuhalten.

Deutschlands Rolle in der Klimakrise wird damit gleich doppelt vor dem Straßburger Gericht verhandelt. Neben den Por­tu­gie­s:in­nen haben dort auch neun deutsche Jugendliche die Bundesregierung verklagt. Zuerst hatten sie das vor dem Bundesverfassungsgericht versucht, nachdem dieses die Regierung schon vor zwei Jahren einmal zum Nachbessern beim Klimaschutzgesetz gezwungen hatte. Diesmal wiesen die Rich­te­r:in­nen in Karlsruhe die Klage allerdings ohne Begründung ab.

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12 Kommentare

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  • @FILOU

    Die Autos blockieren sich doch selber. Dumm wie Auto, halt.

  • @FILOU

    Dann kleben sich die Jungen Leute auf die Strasse. Und @FILOU meckert [1]

    [1] taz.de/Umfrage-zu-...bb_message_4567000

    • @tomás zerolo:

      Ne, die blockieren jetzt mit Autos. Haben die diese Autos eigentlich zur Blockade geschoben ?

  • Warum nicht die Staaten mit der höchsten Pro-Kopf-Co2-Ausstoß?

    Palau 60,17 Tonnen



    Saudi-Arabien16,6 Tonnen



    Kanada 14,9 Tonnen



    Australien 14,3 Tonnen



    USA 14,2 Tonnen



    Russische Föderation13,5 Tonnen



    Republik Korea 12,1 Tonnen



    Luxemburg 13,8 Tonnen



    China 8,7 Tonnen



    Japan 8,6 Tonnen

    Außer Bhutan sind es wohl nur wenige Länder, die man nicht verklagen kann.

  • Was geschieht eigentlich wenn die Kläger Recht bekommen und die verklagten Staaten trotzdem Nichts zusätzlich tun ?

    • @Filou:

      Was passiert, wenn ich neben einem Kinderspielplatz einen Brunnenschacht grabe, und die Baustelle nicht absichere, und irgendwelche Eltern klagen, und das Gericht verurteilt mich dazu, die Baustelle abzusichern?

      Und ich mache es nicht, und ein Kind fällt in den Schacht und verletzt sich?

      Einfache Antwort: das wird teuer. Aber so richtig.

      Im Fall des Fehlverhaltens von Regierungen zahlt natürlich das gesamte Volk.



      Es sei denn, das Volk beschließt, dass die betreffenden Politiker mit ihrem Handeln ihr Eigentum und ihre bürgerlichen Ehrenrechte verwirkt haben, oder wählt direkt die "libysche Lösung" (necessitas non habet leges, sed plumba).

      • @Ajuga:

        Also bevor "das" Volk (das es ja ohnehin als homogene Masse nicht gibt) die Politiker zum Teufel jagt, wird die Hölle zufrieren :D

    • @Filou:

      Egal ob Europäischer Gerichtshof oder zb. Bundesverfasungsgericht. In Deutschland Zb. sin die Abgeordneten des Bundestags, Bundesrats und Landtage für Gesetzesänderungen oder neue Gesetze verantwortlich. Kein Gericht kann darüber bestimen das Gesetzesänderungen oder neue Gesetze von mindestens 50 % der Abgeordneten zugestimmt werden. Das ist auch gut so, unsere Abgeordneten sins unabhängig, und Gerichte sind keine Ersatzgesetzgeber

      • @Martin Sauer:

        Es geht nicht um Gesetzesänderungen sondern um die Nicht-Einhaltung geltender Gesetze, also um Rechtsbruch. Und auch Regierungen und Abgeordnete stehen nicht über dem Gesetz.

        • @Fritz Lang:

          Nein, aber sie sind halt mehreren Zielen verpflichtet, von denen eines der Klimaschutz ist.

        • @Fritz Lang:

          Nach dem Artikel ist die Klage aber darauf gerichtet, dass die verklagten Staaten "strengere Klimaziele" beschließen. Und wenn das Gericht sie dazu verpflichtet, dann ist das nichts anderes als eine Verpflichtung, neue Gesetze oder Gesetzesänderungen zu erlassen. Und wenn Richter dem Gesetzgeber alles Wesentliche vorgeben, gefährdet das die Demokratie, weil die gewählten Parlamente entmachtet werden.

          Das Klima kümmert sich übrigens nicht darum, wenn ein paar europäische Staaten irgendwelche "Klimaziele" beschließen und ihre CO2-intensiven Industrien deswegen in Staaten verlegt werden, denen die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte schnurzegal sind.

    • @Filou:

      Dasselbe wie bisher: nichts.