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Marathon und KlimaprotesteSchneller auf den Müll

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Der große Klima-Protest blieb beim Berliner Marathon aus. Gut so – dabei gibt es genug Gründe, Großevents dieser Art aus Öko-Sicht zu kritisieren.

Weltrekord auch dank wenig nachhaltiger Schuhe: Tigist Assefa Foto: Markus Schreiber / ap

R echt haben und Recht bekommen, das sind zwei Paar Schuhe. Das mussten die Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation am Sonntag mal wieder erfahren, die sich diesmal nicht Au­to­fah­re­r:in­nen in den Weg setzten, sondern beim Berlin-Marathon für eine radikale Wende in der Klimapolitik demonstrierten. Sie kippten ein paar Eimer Farbe auf die Laufstrecke, wurden umgehend von der Polizei geräumt, und der Marathon konnte ohne Probleme gestartet werden.

Zum Glück, muss man sagen. Denn hätten sich die Kli­ma­kämp­fe­r:in­nen in gewohnter Manier auf den Asphalt geklebt, wäre das Medienecho fatal gewesen – für die Klimapolitik. Eine Blockade von Läufer:innen, die die ökologischste Fortbewegungsart überhaupt nutzen, wäre schlichtweg nicht kommunizierbar gewesen.

Dabei ist in Zeiten der Klimakrise auch Nachdenken über solche Megaevents unumgänglich. Zwar werden Läu­fe­r:in­nen neuerdings an der Strecke mit wiederverwertbaren Plastikbechern versorgt. Aber gleicht das die CO2-Emissionen, die durch die Anreise der Massen aus aller Welt nach Berlin entstehen, etwa aus?

Zudem ist das Laufwochenende leider längst nicht mehr nur ein faszinierender Ort der Begegnung, sondern ein Werbeevent für die Wegwerfgesellschaft. Das zeigt nichts besser als die Äthiopierin Tigst Assefa, die am Sonntag nach nur 2:11:53 Stunden ins Ziel lief. Sie unterbot den alten Weltrekord damit um mehr als zwei Minuten.

Ultra-unökologische Schuhe

Mitverantwortlich für die Fabelzeit sind Assefas neue Schuhe, die am Sonntag erstmals im Einsatz waren. Sie sind rund 40 Prozent leichter als andere Topschuhe. Sie sind mit 500 Euro ultrateuer. Und sie sind ultra-unökologisch. Denn sie sind nur für einen einzigen Marathonlauf konstruiert. Damit erreicht der Anbieter mit den drei Streifen, der seinen Wunderschuh direkt nach dem lukrativen Weltrekord in den Handel wirft, Dimensionen, die selbst unter Marathon-Enthusiasten als krass gelten. Klassische Laufschuhe sind nur halb so teuer. Und erst nach bis zu 1.000 Kilometern durch.

Schneller ins Ziel, schneller auf den Müll. Diesen ökologischen Fußabdruck der Läuferszene hat die Letzte Generation mit Farbe sichtbar gemacht. Nur verstehen wird es kaum jemand.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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15 Kommentare

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  • "Weltrekord auch dank wenig nachhaltiger Schuhe"

    Da wäre es doch mal super, wenn in der taz ein Artikel über nachhaltige Sportschuhe kommen würde.

    • @Kommen Tier:

      Nachhaltige Sportschuhe?

      Nachhaltige Schuhe bitte! Sportschuhe ersetzen modebedingt zwar zu 90% Halbschuhe, Damenschuhe etc., aber das Modependel schlägt irgendwann zurück, und die Sportschuhe und sportschuh-ähnlichen "Sneaker" fallen zurück auf einen natürlicheren Anteil von 50%, aber wegen des Dauererfolges von reinen nicht sportorientierten Plastikkultschuhen wie "Crocs" wird dann Leder nicht wieder bei 50% sein, jedenfalls nicht von Allein. Bis es soweit ist, muss es also soweit sein, dass wir nicht nur über Sportschuhe, sondern über alle Schuhe nachdenken sollten bezüglich etwaig möglicher Ökologizität ihres Produktionskreislaufes, aber auch Mikroplastik-Rückstände ihres Sohlenabriebs. Da haben uncool unvegane Schuhe mit Ledersohle evtl. am Ende die Nase vorn. Weil Leder ein natürliches, also von der Natur eher abbaubares Material ist. Vegane Alternative für RadikalveganerInnen: Traditionelle japanische, jahrhundertelang bereits bewährte, aus Gras selbstgeflochtene Sandalen. Da weiß man/frau, was man/frau hat ;-)

  • Sport...Laufen...viele glückliche Menschen...einfach ein tolles "MEGA-EVENT", da darf natürlich nichts hinterfragt werden, das muss einfach nur super sein. Schuhe für 500€, kein Ding, was kostet die Welt:). Und 163€ Teilnahmegebühr x 47000 macht über 7 Millionen € auf der Einnahmeseite für die SCC EVENTS GmbH. Einfach nur Sport und fair und es geht mal nicht ums Geld. Braucht es da eigentlich noch Sponsoren wie BMW? Ach ja, die stehen ja auch seit Jahren für Nachhaltigkeit, nach eigener Aussage. Und "BMW-Berlin-Marathon" klingt ja auch nach was. Dann ist ja alles ok.



    Weiterschlafen...

  • Ohne Superschuhe kein Weltrekord, ohne Superkleber keine Aufmerksamkeit!

  • Dieses Ding mit dem für nur einen Marathonlauf ausgelegten 500-Euro-Laufschuh halte ich für vernachlässigbar.

    -- In der Formel 1 gab es vor einer Weile mal einen Streit darum, ob es eine Regel geben sollte, die vorschreibt, dass ein Motor während des Rennens nicht getauscht werden darf. Man darf jetzt nur noch einen Motor pro Rennen "verbrauchen".

    Da ist ein Laufschuh, der ein ganzes Rennen durchhalten soll, doch deutlich preiswerter und ressourcenschonender.

    Es ist Spitzensport, und da kommen halt hochoptimierte Sportgeräte zum Einsatz, seien es Laufschuhe oder auf 1000 PS aufgebohrte 2-Liter-Motoren. Die sind naturgemäß nicht für den Dauereinsatz ausgelegt, sondern für Hochleistung auf begrenzten Strecken.

    -- Und da finde ich das Laufen dann immer noch ökologischer als das Fahren, zumal wenn es 40k+ Teilnehmer gibt.

  • Jetzt wird also ernsthaft über den ökologischen Fußabdruck eines Turnschuhs diskutiert, und über wiederverwertbare Plastikbecher.

    Vergleicht das mal mit den Forderungen der LG (9€-Ticket, Geschwindigkeitsbegrenzung, Gesellschaftsräte für sozial-ökologische Transformation).

    • @derzwerg:

      Über den Turnschuh wird diskutiert, weil der Autor ihn als nachträgliche Rechtfertigung, oder Deutung der Beweggründe, für die LG-Aktion anführt. M.E. der falsche Ansatz, weil es der LG völlig egal ist, welchen ökologischen Fußabdruck der Marathon hat oder nicht hat. Es geht der LG nur um die Störung des Alltags der Bevölkerung, und nicht darum irgendwelche speziellen "Klimasünden" aufzuzeigen. Aber selbst Befürworter der Aktionen projizieren immer einen tieferen Sinn in die Aktionen, wenn Autos blockiert werden gehe es gegen Autos in der Stadt, wenn Kunstwerke angegriffen werden gegen Verschwendung, etc.

      • @sonicprisma:

        Es geht um Aufmerksamkeit und die ist erreicht. Jeder, ob Latzhosenträger oder SUV-Fahrerin fangen an zu denken!

        • @A.S.:

          "Es geht um Aufmerksamkeit"

          Sag ich doch. Wenn es aber sowieso nur darum geht, irgendwie zu nerven, um Aufmerksamkeit zu bekommen, dann braucht man auch nicht drüber zu diskutieren, welchen ökologischen Fußabdruck ein Marathon hat, oder ob die blockierten Fahrten größtenteils sinnfrei sind etc. Denn darum geht's ja gar nicht.

          "Jeder, ob Latzhosenträger oder SUV-Fahrerin fangen an zu denken!"

          So weit die Theorie.

    • @derzwerg:

      Das 9 Euro Ticket ist eine nette Idee, doch wie schon so oft hier dargelegt, führt es zu nichts wenn das Angebot an ÖPNV nicht stimmt. Und was den Gesellschaftsrat angeht: was soll der denn machen außer gute Ratschläge erteilen? Davon gibt es schon jetzt mehr als genug.

  • Das ist reichlich konstruiert. Anreisende hat jeder Event, jedes Festival, jede Demo. 500€ für die Schuhe einer Weltrekordlerin sind recht wenig, zumal der Autor selbst schreibt, dass das Gros der Laufschuhe nur die Hälfte kostet, und 1000km hält. Der "ökologische Fußabdruck der Läuferszene", den die LG angeblich sichtbar gemacht hat, dürfte ziemlich gering sein, Laufen kann man überall, und muss nicht speziell irgendwohin fahren, wie bei vielen anderen Sportarten.

    • @sonicprisma:

      Der ökologische Fußabdruck der Deutschen, mal wörtlich genommen:

      Nicht nur Renn-, Lauf- und Joggingschuhe sowie sonstige Sportschuhe, sondern längst die meisten Schuhe überhaupt: Laufsohle aus Plaste und Elaste! Ledersohle? vielleicht noch bei zwei drei Prozent. Der Abrieb aller Schuhsohlen auf den rauhen Bürgersteigplatten unserer Fußwege ist ... dreimal raten ... Mikroplastik, das der nächste Regen in die Gullis spült, sprich in die Kanalisation. Wird eigentlich am Ende alles Mikroplastik, dass so in rauhen Massen ensteht, in den Kläranlagen rausgefiltert und recycelt? Zu 500-Euro-Weltrekordschuhen zum Beispiel? Fragen über Fragen.

      Deutschland gilt als einer der großen Emittenden von Mikroplastik in den aquatischen Teil der Biosphäre! Irgendwo muss dass ja her kommen.

  • Alle Achtung, die LG hat mit minimalen Aufwand maximale Reichweite erzielt. Siehe z.B. ZEIT Forum: Tausende Forenteufel kommentieren höchst erregt die angekündigte Aktion, dreißig halbwegs Sportinteressierte (die Hälfte davon äußert sich auch wieder nur zur LG) diskutieren den Artikel zum sportlichen Wettbewerb mit immerhin Weltrekord-Ergebnis der Läufe.

  • "Zwar werden Läu­fe­r:in­nen neuerdings an der Strecke mit wiederverwertbaren Plastikbechern versorgt. Aber gleicht das die CO2-Emissionen, die durch die Anreise der Massen aus aller Welt nach Berlin entstehen, etwa aus?"



    Natürlich gleichen Plastikbecher keine Mobilitäts-Emissionen aus. Das hat auch niemand behauptet. Sollen wir denn gar nicht mehr reisen dürfen und in den Klima-Lockdown gehen, bis die Klimaziele erreicht sind?

    Um die Laufschuhe sollten Sie sich übrigens nicht weiter sorgen. Wenn die so sündhaft teuer sind und nur einmal nutzbar, dürfte der Kreis der Abnehmer extrem klein bleiben.

    • @Mark_Sch:

      "Sollen wir denn gar nicht mehr reisen dürfen und in den Klima-Lockdown gehen, bis die Klimaziele erreicht sind?"

      Prima Idee, - aber weit weg von der Realität:



      "Wir" reisen mehr denn je, stoßen mehr Co2 aus denn je und halten mehr Klimaschutzmaßnahmen nicht ein, als man hätte befürchten können.

      Schlimm, wie man hierzulande unter all den Klimamaßnahmen leiden muss ...



      Ist aber nur der Anfang, denn der Klima-Lockdown wird wohl kommen.