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Nach Razzia bei Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nenZweifel an Rechtmäßigkeit

Parteiübergreifend kritisiert die Politik den Vorwurf, dass die Klima­gruppe eine kriminelle Vereinigung sei. Die Staatsanwaltschaft räumt Fehler ein.

Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft München Fehler eingeräumt Foto: Florian Boillot

Berlin taz/afp | Zwei Tage nach den Razzien gegen Mitglieder der Letzten Generation mehrten sich am Donnerstag parteiübergreifend Zweifel, ob die Klimaschutzgruppe als kriminelle Vereinigung einzustufen ist. Mehrere Po­li­ti­ke­r:in­nen machten am Donnerstag klar, dass sie zwar die Methoden der Gruppe ablehnen, aber auch das Vorgehen der Behörden kritisch sehen. Gleichzeitig schaltete die Letzte Generation nach der Beschlagnahme ihrer Website einen neuen Internetauftritt frei und rief zu weiteren Protesten auf.

Im Auftrag der bayerischen Anklagebehörde hatten Er­mitt­le­r:in­nen am Mittwoch in sieben Bundesländern insgesamt 15 Wohnungen in mehreren Bundesländern durchsucht. Zudem wurden Konten der Letzten Generation gesperrt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich hinter die Behörden gestellt. „Die letzte Generation ist keine kriminelle Vereinigung“, sagte dagegen der frühere Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) dem Berliner Tagesspiegel. Er kritisierte das Vorgehen der Behörden als „Irrweg“.

Auch der Linken-Politiker Gregor Gysi warnte, die Razzien würden nur eine weitere Eskalation befördern. Grünen-Rechtsexperte Helge Limburg äußerte im Redaktionsnetzwerk Deutschland juristische Zweifel an der „Pauschalannahme einer kriminellen Vereinigung“.

Dagegen sagte der SPD-Rechtsexperte Sebastian Hartmann den RND-Zeitungen, die Razzien seien für die Ermittlungen gegen die Letzte Generation wichtig. Allerdings betonte er, bei dem Vorwurf der kriminellen Vereinigung gehe es bisher um „einen Anfangsverdacht“.

Nur Gerichte können als „kriminelle Vereinigung“ labeln

Nach harter Kritik an ihrem Vorgehen räumte die Staatsanwaltschaft München Fehler ein. Sie hatte Nut­ze­r:in­nen nach der Sperrung der Webseite an eine Adresse der Polizei umgeleitet, auf der die Aussage „Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß §129 StGB dar!“, sowie die Warnung „Spenden an die Letzte Generation stellen mithin ein strafbares Unterstützen der kriminellen Vereinigung dar!“ zu lesen war.

Allerdings gibt es derzeit lediglich einen Anfangsverdacht, der die Ermittlungen begründet. Ob die Letzte Generation aber tatsächlich eine „kriminelle Vereinigung“ ist, müssen die Gerichte noch feststellen. Bislang wurde noch kein solches Urteil gefällt.

Max Wallstein, ein Sprecher der Letzten Generation kündigte an, rechtliche Schritte gegen das Vorgehen der Behörden einzuleiten. Der Shutdown der Webseite solle durch eine Unterlassungsklage aufgehoben werden, sagte Wallstein der taz.

Momentan sammelt die Gruppe Spenden für die „Initiative Gesellschaftsrat“. Die Initiative steht der Letzten Generation nahe und setzt sich für die Einrichtung eines Gesellschaftsrats als politisches Gremium ein – die Hauptforderung der Letzten Generation.

Max Wallstein hat nach den Durchsuchungen eine „Welle der Solidarität“ erfahren. Zu einem Protestmarsch am Mittwoch in Berlin seien 800 Menschen erschienen, weit mehr als bei bisherigen Aktionen. „Das hat mich nochmal darin bestätigt, dass das der richtige Weg ist“, sagte der Sprecher. Die Gruppe plant nun, jeden Mittwoch in möglichst vielen Städten Protestmärsche abzuhalten.

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16 Kommentare

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  • "Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich hinter die Behörden gestellt."



    (Und damit) auch hinter die geniale Aktion der Behörden, VOR rechtmäßiger Verurteilung die Letzte Generation als "Kriminelle Organisation" zu bezeichnen? Wenn, sollte sie ihr Amt schleunigst niederlegen.

    • @Uranus:

      Ja. Eine merkwürdige verdruckste Meldung, die null auf die Begründungen von Frau Faser eingeht und diese wiedergibt oder da weiter nachfragt. Es verwundert, dass die Stellungnahme des DE Innenministeriums so wenig Bedeutung beigemessen wird. Eigentlich ein Unding.

      • @Rudolf Fissner:

        Das DE-BUMI irrt sich ja auch, soweit es wörtlich oder sinnentsprechend der StA "Minga" folgt. Das ist dann in der Tat in Ihrem Sinne völlig übersehensbefähigt und kein Unding. 👻

  • 800 Menschen, nicht gerade viele, wenn man berücksichtigt, was für eine Lobby diese kleine Gruppe bei vielen Medien hat, die Tag für Tag deren Aktionen begleiten und zum Interview bitten. Trotzdem ist die Bevölkerung überwiegend genervt…und damonstriert nicht.

    • @Dr. McSchreck:

      Ich denke, dass es kritische Leute gibt, die bislang oder gar nicht zur Demo gehen, aber klug genug sind, das Thema richtig einzuordnen und an der Wahlurne entsprechend, also u.a. gegen die CDUCSUSPDFDPAfD, entscheiden.

  • Traurig, finde die Maßnahmen zwar teilweise grenzwertig aber muss auch sagen verstehe die Staatsanwaltschaft nicht in dem Fall denn auch wenn es Stau gab hatte dieser zumindest für Rettungsdienste durch bilden von Rettungsgassen durch die vorgewärmten Autofahrer vermieden werden können, und jeder bis auf die Rettungsdienste und andere Notensatzfahrzeuge ja ma mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können, da wären sie schneller gewesen und ohne Stau insofern können die protestler nichts für den Egoismus der Autofahrer, ansonsten ist das Vorgehen der Letzten Generation und co insgesamt richtig nur die Umsetzung mancher geht zu weit, dh zb das abseilen an der Autobahn, das sehe ich im Gegensatz zum angekündigten festkleben als Straftat an , nuja zum Punkt der Sache es ist nur ein weiterer Stein im rollen gegen die Glaubwürdigkeit der Staatsanwaltschaft, Polizei und vieler Politiker die ja schon in meiner Kindheit vor 40 Jahren was für die Umwelt hätten tun können



    , Denn sie wussten damals schon was sie der Umwelt antun

  • Auch wenn das in den asozialen Medien anders läuft,



    ein Verdacht ist in unserem Justizwesen noch kein Urteil.



    Das Vorgehen der Polizei kann ebenso fize Vorwürfe entkräften, wie erhärten.



    Dass Menschen außerhalb von Recht und Gesetz stehen, weil sie Irgendwem sympathisch sind, ist ebenso falsch, wie das Gegenteil.



    Die Empörung der Anhänger der LG ist nachvollziehbar, aber sie stehen nicht außerhalb des Gesetzes.



    Wie sich, im Vorfeld der Bundestagswahl, beim Vorgehen der Osnabrücker Staatsanwaltschaft gegen das Finanzministerium und den damaligen Bundesfinanzminister Scholz, im Nachhinein gerichtlich herausstellte, war das Vorgehen unangebracht.



    Es ist durchaus möglich, dass ein ähnliches Urteil am Ende für die LG gefällt wird.



    Was fehl am Platz ist, unser Rechtssystem infrage zu stellen.



    Sollte Fehlverhalten vorliegen, wird das auch ans Licht kommen.



    Ich erinnere hierzu an das juristische Nachspiel zum Thema Heiligendamm.

  • Rechtsbeugung ist nun mal die große Kunst von Politik und Justiz.

  • Von einer Welle der Unterstützung wird im Artikel gesprochen. Na wenn dann zu einer Unterstützerdemo gerade mal ein paar hundert kommen... in einer Millionenstadt wie Berilin. Dann zeigt das doch eher eine Welle der Ablehnung.

    • @Kristina Ihle:

      Danke für den Hinweis.

      In Bremen war in den Medien (Weser Kurier, Buten und binnen) auch nichts von einer Welle zu spüren. Es gab nicht mal ein Nieselregen.

      Ich vermute da irgend eine Form von Internetblase, auf die man sich da bezieht.

  • Umso wichtiger, dass die Verantwortlichen unbarmherzig und mit voller Staatsräson persönlich in die Haftung kommen.



    Allerdings fürchte ich, dass das schön unter den Teppich gekehrt wird und selbst ein UA kein Licht ins Dunkel bringen wird.



    Denn wir haben ja keine Opposition mehr.



    Nur noch potentielle Koalitionspartner.



    Insbesondere interessiert:



    - Wer hat das an die Presse durchgestochen ?



    - Wer hat die wahrheitswidrige Behauptung auf die Webseite platziert ?



    - Wer hat den entscheidenden Richtern mutmaßlich falsche ode gefälschte Indizien vorglelegt ?

  • Der Versuch des Staatsanwaltes, "die letzte Generation" als kriminell einzustufen, ist ein weiterer Missbrauch der Justiz und der Gesetzgebung, auch wenn noch kein entsprechendes Urteil existiert. Es handelt sich um rechte politische Justiz, um eine rein politische und keineswegs in erster Linie juristische Sache.

    Ich empfehle hierzu die Studie des Journalisten und Juristen Joachim Wagner: "Rechte Richter. AfD-Richter, -Staatsanwälte und -Schöffen: eine Gefahr für den Rechtsstaat?"

    Rezension z.B. in der Süddeutschen, zitiert von Perlentaucher:



    perlentaucher.de/b...echte-richter.html

    • @Uns Uwe:

      Interessant. Dass Angehörige der "Letzten Generation" kriminell sind, steht ja in einigen Fällen bereits rechtskräftig fest. Die Staatsanwaltschaft stuft übrigens gar nichts ein, sondern ermittelt in einem Anfangsverdacht. Dieser Anfangsverdacht ist gerichtlich bestätigt. Ob er sich erhärten wird, wird sich noch zeigen. Mit einer angeblich rechten Gefahr in der Justiz hat das alles nichts zu tun. Aber Hauptsache, wieder mal alles schön ins links-rechts-Schema pressen, wobei links natürlich die Guten sind.

    • @Uns Uwe:

      Wobei die LG vermutlich ganz heiß (pun intended) ist, die Sache vor Gericht klären zu lassen.

      Es liegt hier ja immerhin ein schwerer Verfassungsbruch seitens der Regierungen Merkel vor, der von der Regierung Scholz nicht mit dem gegebenen Nachdruck angegangen wird.

    • @Uns Uwe:

      Und das in Deutschland wieder. Das sollten wir uns nicht leisten. Schlimm genug, was gerade im politisch / religiösen Israel abgeht. Da müssen nicht wir Deutschen auch noch in solche Verhaltensmuster weiter ab-, bzw. zurückrutschen.

      Die Anständigkeit wäre meiner Meinung nach eigentlich Grundvoraussetzung für bestimmte (viele) Ämter und Berufe. Aus meiner Erfahrung und/oder Wissen heraus, würde ich dieser A. weitreichend das Fehlen attestieren.



      RichterInnen, StaatsanwältInnen und PolitikerInnen - diesen Berufsgruppen und anderen auch würde eine geführte Nachhilfe im Bereich Demokratie nur gut tun. Mit anschließender Kontrolle, ob's auch gefruchtet hat.

      • @Zebulon:

        ...na ja, wenn ich Ihnen eine Generalvollmacht gebe, muss ich halt fressen - was Sie mir geben. Nichts anderes macht doch der deutsche Wähler, indem er seine Stimme bei den Wahlen abgibt....



        Weiterhin " Guten Appetit " ...