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Aufklärung von sexualisiertem MissbrauchEs liegt jetzt an der Kirche

Linda Gerner
Kommentar von Linda Gerner

Für die Münchner Justiz ist der Missbrauch in der katholischen Kirche abgehakt. Jetzt muss es an die Ursachen gehen: an klerikale Machtstrukturen.

Rudolf Voderholzer, Bischof von Regensburg auf dem Weg zur Synodalversammlung Foto: Arne Dedert/picture alliance

D ie Staatsanwaltschaft München hat die Ermittlungen zum Missbrauchsgutachten eingestellt. Das darf für die katholische Kirche aber keinerlei Pause in Sachen Aufklärung über sexuelle Gewalt bedeuten. Jeder Bischof und andere Ent­schei­dungs­trä­ge­r*in­nen in der Kirche tragen diese immense Verantwortung: Entschieden daran zu arbeiten, dass sich das System Kirche, das den Missbrauch möglich macht, ändert.

Eine Chance, den Willen dazu zu zeigen, hatten die Bischöfe bei der letzten Synodalversammlung. Sie scheiterten krachend. Wehe, ihr rüttelt an unserer Macht, war das Signal aus den Reihen einiger Bischöfe. Von einem „Ohnmachtsgefühl“ sprachen danach junge Engagierte in der Kirche.

Studien zeigen, dass klerikale Macht Missbrauch begünstigt. Anstatt dies ändern zu wollen, erpressten die Bischöfe die Lai*innen: Hätte die Synodalversammlung die weitgreifenden Änderungswünsche der Bischofskonferenz an den Reformtexten nicht angenommen, hätten die Bischöfe sie komplett durchfallen lassen. In den späteren Abstimmungsergebnissen zeigte sich: Es gibt konservative Hardliner unter den Bischöfen, einige davon kommen aus Bistümern in Bayern. Der Bischof von Regensburg, der Bischof von Passau und der Bischof Eichstätt stimmten etwa gegen den Text „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“. Zuvor hatten Frauen in Redebeiträgen klargemacht, dass sich viele Betroffene sexualisierter Gewalt mehr weibliche Ansprechpersonen wünschen.

Es ist ein Armutszeugnis, dass Betroffene sexualisierter Gewalt in der Versammlung nicht als stimmberechtigte Mitglieder dabei waren – die katholische Kirche will wegen der vielen Missbrauchsfälle einen Reformprozess anstoßen und schließt die Menschen aus, die unbequeme Wahrheiten sagen könnten. Die Aufzählung der Punkte, die schlecht laufen bei der Erneuerung der katholischen Kirche, kann man noch lange weiterführen.

Klar ist: Es kann noch so oft beteuert werden, dass Missbrauch in der Zukunft verhindert werden soll und das Leid der Opfer ernst genommen werde. Solange nur wenige Taten folgen, bleiben das nur hohle Worte.

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Linda Gerner
Nachrichtenchefin/CvD
Schreibt seit 2017 für die taz und arbeitet seit 2020 als Redakteurin bei der taz. Studierte Kommunikationswissenschaften, Germanistik, Anglistik sowie Kulturjournalismus in Berlin und Essen.
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5 Kommentare

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  • Dass auch der Staat Missbrauch in der Kirche nicht ahnden wird, wurde in einem ZEIT-Interview mit Katarina Barley sehr deutlich:

    www.zeit.de/2018/4...erin-spd-interview

    Missbrauchsopfer sind bei der Kirche übrigens mehrfach verratzt. Allein die Entschädigungssummen um die 20.00, maximal 50.000 Euro sind ein Hohn. In den USA geht es eher um 700.000 Dollar und mehr.

    Und das, obwohl die kath. Kirche mit einem Vermögen in Deutschland von rund einer Billion Euro megareich ist, das größte kapitalistische Unternehmen hier, mit weitem Abstand. Und die Einnahmen laufen glänzend.

    Verabschieden wir uns.

    Warum Menschen glauben, wollte Sigmund Freud wissen. Seine Antwort: Weil sie nicht erwachsen sind, sondern wie ein Kind Trost und Hilfe von einem Vater im Himmel erhoffen.

    Stattdessen kommt sexueller Missbrauch.

    U. a. auch deswegen, weil die Beziehung der Kirche zu einer natürlichen Sexualität vollkommen kaputt ist.

  • Auch für die katholische Kirche gilt das Rechtsstaatsprinzip. Wenn ein Fall verjährt ist, hat der Staatsanwalt da nichts mehr zu suchen. Die katholische Kirche ist die einzige Organisation in Deutschland, die darüber hinausgeht und Fälle untersuchen lässt, die bis zu 70 Jahre zurückliegen. Nur aus diesem Grunde wird über die oben angeführten Fälle überhaupt geredet.

    Sportvereine, staatliche Stellen und auch die evangelische Kirche ziehen sich auf den Grundsatz zurück: Wir rücken keine Akten zu verjährten Fällen heraus (mit anderen Worten: nichts was früher ist als 21. Jahrhundert), denn das ist Persönlichkeitsschutz.

    Alle dort Verantwortlichen werden sich genau anschauen, wie die katholische Kirche zur Zeit auseinandergenommen wird, und werden aus diesem Grunde auf gar keinen Fall in eine detailliertere Aufarbeitung einsteigen.

    • @Breitmaulfrosch:

      "Auch für die katholische Kirche gilt das Rechtsstaatsprinzip."



      Lustige Idee.



      Wenn dem so wäre, wie könnte es sein dass die katholische Kirche jeden auch noch so zögerlichen Versuch einer Aufklärung der Ereignisse durch staatliche Stellen jahrzehntelang schlicht unterbunden hat?



      Nach allem, was bekannt geworden ist (ob das überhaupt ein einstelliger Prozentsatz der tatsächlichen Taten war, sei mal dahingestellt), wären kirchliche Amtsträger mindestens moralisch, vermutlich auch rechtlich verpflichtet gewesen, in einer Vielzahl von Fällen Strafanzeige gegen Mitarbeiter zu erstatten.



      Hätte sie das getan, gäbe es in vielen Fällen die Verjährung nicht.



      Aus DIESEM Grund wird über die Fälle geredet, und auch über einen möglichst großen Teil der anderen genannten Fälle geredet werden.

  • Natürlich muss und musste die katholische Kirche auch jenseits der juristischen Aufarbeitung aufklären, wobei Letztere ja ohnehin auf die noch nicht verjährten Straftaten begrenzt war. Alleine der Eindruck, die Kirche bräuchte den juristischen Druck, ist fatal. So gewinnt man keine Glaubwürdigkeit und schon gar kein Vertrauen zurück. Dass die Kirche sich grundsätzlich verändert, ist natürlich auch für Missbrauchsaufarbeitung und Prävention wichtig, aber beim Synodalen Weg kann und muss sich auch nicht alles um diese eine Frage drehen.

  • WESHALB wird das Aufarbeiten von Kriminellem an die KRIMINELLEN delegiert ?