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Streit zwischen Grünen und SPD in BerlinScheiden tut weh

Nach dem Aus für Rot-Grün-Rot greift die SPD die Grünen frontal an. Es scheint, als sei das Tischtuch zerrissen zwischen beiden Parteien.

So stellt sich die SPD derzeit die Grünen vor Foto: imago

Berlin taz | Wer die einführenden Absätze aus dem Bericht der Sondierungskommission der SPD liest, fragt sich schon, wie die Sozialdemokraten seit mehr als sechs Jahren – oder zumindest seit der Regentschaft von Franziska Giffey – mit den Grünen regieren konnten. Von „stark überwiegenden Eigeninteressen der Grünen“ ist da die Rede. Sie hätten zudem „erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Verabredungsfähigkeit aufkommen lassen“.

Der Bericht war die Grundlage für die Sitzung des SPD-Landesvorstands, der am Mittwochabend für eine Koalition mit der CDU stimmte. Und weiter heißt es: „Die Verbindlichkeit von Absprachen“ sei „in Abrede“ gestellt worden. Übersetzt heißt das nicht weniger als: Die Grünen seien ein unzuverlässiger, machthungriger Haufen. Eine erneute Koalition mit ihnen sei eigentlich unmöglich.

Dieser Frontalangriff auf den Noch-Koalitionspartner sorgte für Aufsehen, nachdem das Papier am Mittwochabend umfassend unter Jour­na­lis­t*in­nen gestreut worden war. Zwar beeilte sich Co-Landeschef Raed Saleh nach der Vorstandssitzung zu betonen, man habe „viele Jahre gut mit Linken und Grünen zusammengearbeitet“.

Und natürlich war auch bekannt, dass die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey – um es vorsichtig zu formulieren – nicht der größte Fan der Grünen ist. Aber der Eindruck bleibt, dass sich SPD und Grüne in wenigen Tagen in nur drei gemeinsamen Sondierungsgesprächen derart voneinander entfremdet haben, dass aktuell nicht vorstellbar ist, wie beide in absehbarer Zeit wieder zusammen arbeiten können.

Eigentlich viel erreicht

Dabei hatte Giffey die erste Runde der Sondierungen mit einem Lob auch an Linke und Grüne eröffnet. Man habe viel erreicht, etwa bei der Bewältigung der Krisen von Corona über die Versorgung der Ukraine-Flüchtlinge bis hin zur Abfederung steigender (Energie-)Preise.

Wichtige Punkte wurden nicht mehr so ernst genommen, wie wir uns das gewünscht haben.

Franziska Giffey, SPD

Im Verlauf der Gespräche seien die Grünen dann aber immer fordernder geworden, so eine SPD-Sondierer*in zur taz; auch habe man sich erpresst gefühlt, weil auf Seiten der Sozialdemokraten der Eindruck entstanden sei, die Grünen wollten eigentlich lieber mit der CDU regieren. Am Ende, sprich am Mittwoch, sagte Giffey: „Wichtige Punkte wie die Verkehrspolitik und die Schulbauoffensive wurden nicht mehr so ernst genommen, wie wir uns das gewünscht haben.“

Auch auf grüner Seite beschreiben Teilnehmende die Atmosphäre mit der SPD zuletzt als wenig einladend. Man habe zumindest während der dritten und letzten Runde am Montag das Gefühl gehabt, dass Giffey mit einer Fortsetzung der rot-grün-roten Koalition nicht glücklich würde.

Dennoch sei man an jenem Tag in der Überzeugung auseinander gegangen, das Bündnis gehe weiter. Trotz anders lautender Absprache habe die SPD tags darauf ihre Entscheidung für die CDU öffentlich gemacht – während die Grünen im letzten Sondierungsgespräch mit den Christdemokraten saßen und ohne zuvor darüber informiert worden zu sein.

Grüne wollten sich ehrlich machen

In den Gesprächen mit der SPD sei es den Grünen darum gegangen, dass Rot-Grün-Rot sich ehrlich mache und den Bür­ge­r*in­nen vermittle, dass eben nicht alle Probleme der Stadt schnell gelöst sein würden, hieß es weiter. Angesichts der Schwierigkeiten etwa durch steigende Kosten und fehlende Fachkräfte dürfe man nichts versprechen, was dann nicht haltbar sei. Entsprechend müssten Ziele angepasst, also eher reduziert werden.

Durch ihre Äußerungen habe die SPD seit Mittwoch viel Vertrauen verspielt, bilanziert die grüne Fraktionschefin Silke Gebel. „Das ist bedauerlich. Wir müssen nun bewerten, was das für uns Grüne heißt.“ Hierfür nutzen könnte die Partei den kleinen Parteitag am kommenden Dienstag. Der war eigentlich dafür vorgesehen, eine Koalitionsempfehlung auszusprechen.

Am Donnerstag verteilte die Partei schon mal einen dreiseitigen „Faktencheck Sondierungspapier der SPD“. Darin werden Vorwürfe des Noch-Koalitionspartners aufgegriffen und „richtig gestellt“, etwa was die Kritik an der fehlenden Verbindlichkeit oder inhaltliche Fragen zum Beispiel zum 29-Euro-Ticket oder der Lehrkräfteausbildung angeht. Zu Anfang des Schreibens heißt es zusammenfassend: „Klar ist: Die SPD arbeitet mit verkürzten Aussagen bis hin zur Unwahrheit.“ Der Streit zwischen beiden wird heftig werden.

Etwas besser weg als die Grünen kommen bei der SPD die Linken. Aber auch bei ihnen würden die Unzuverlässigkeiten in einer Koalition eher zunehmen, heißt es in dem Bericht: „Die Aufweichung von Beschlüssen und die Verzögerung von Prozessen“ werde sich nicht nur verstetigen, sondern sogar verstärken.

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17 Kommentare

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  • Die zum Teil markigen Aussagen führender Politiker der alten Koalition zeigen, dass in allen drei Parteien keine Begeisterung für die Fortsetzung von RGR dominiert. Auch ein Ausdruck von Ehrlichkeit.

  • Man muss sich bei dieser Serie von Artikel von Herrn Schulz schon fragen, wo er die letzten Jahre war. Der Bruch zwischen Berliner SPD und Grünen hat sich schon lange abgezeichnet. Genauso war klar, dass Giffey und Jarasch keinen Wert auf ein friedliches Auseinandergehen legen.

    Allgemein eilt den Berliner Grünen ein gewisser Ruf voraus, dessen Kern nicht unbedingt aus Pragmatismus und Kompromissbereitschaft besteht. Dass jetzt weder SPD noch CDU mit ihnen koalieren möchten, inklusive des aktuellen Rosenkriegs, passt leider in dieses Bild.

    Natürlich wird Schwarz-Rot nichts reißen. Status quo wird verwaltet und hier und da wird noch ein lukrativer Posten geschaffen werden. Aber wenn man ehrlich ist, ist das eventuell besser als drei weitere Jahre über Enteignungen zu diskutieren, während man weder diese noch sonst irgendetwas hinbekommt.

    • @Fairchild670:

      Die SPD ist seit mehr als 30 Jahren in dieser Stadt in der Regierungsverantwortung. Der katastrophale Zustand der Verwaltung und der Schulen kann der SPD vor die Tür gelegt werden. Von daher erwarte ich von einer schwarz-roten Koalition nichts. Hoffentlich kassiert die SPD dann bei der nächsten Wahl ein Ergebnis von 10% oder weniger.

    • @Fairchild670:

      Die SPD war zum Ende hin nur noch der nützliche Idiot von Grünen und Linken. Enteignung privater Unternehmen, komplette Autoverbote für ganze Straßenzüge ... alles radikale Entscheidungen. Da Grüne und Linke dafür alleine keine Mehrheit stellen können, wurde eben die SPD gebraucht. Das die dadurch tlw. gegen ihr eigenes Klientel Politik betreibt, egal, dafür durfte Giffey Bürgermeisterin bleiben, dass muss als Kompensation reichen. Im Gegenzug wurde jeder Vorschlag der SPD wahlweise als Lobbyismus oder Populismus diffamiert, mit kräftiger Unterstützung einiger Medien. Das sich das die SPD nicht mehr antun will, kann ich absolut verstehen.

  • " Wer hat uns verraten ? Sozialdemokraten ! "

    Über hundert Jahre alt, wird von der SPD gerne aufgefrischt.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @frank:

      „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten !“ - Google findet ca. 79600 Ergebnisse in 0,41 Sekunden.



      Auch diesen: www.vorwaerts.de/a...mokraten-kommt-ruf



      (Falls Ihnen mal die Phrasen ausgehen - Bei spiegel.de in den Kommentaren finden Sie garantiert neue.)

      • @95820 (Profil gelöscht):

        War das nicht das Gedöns mit der Räterepublik 1919, wo die deutschen Anhänger der sowjetischen Räte nicht die Macht erlangten im Nachkriegstrubel und schon dort bei den ersten freien Wahlen hoffnungslos abgestraft wurden?

    • @frank:

      Wirklich von der SPD oder vielleicht doch von jenen, die es auffrischen wollen?

  • tja, wenn Grüne Visionsphantasie, ähnlich wie Käßmann´s Bergpredigt, nicht mehr viel mit der wahrzunehmenden Realität zu tun hat, dann wirds Zeit. Ich habe das selbst zu spüren gekriegt, als ich Grüner (schon sehr FfF-Öko), nicht in diese teils (zu) linksdrehende Partei aufgenommen wurde, weil ich schon damals in Aleppo pro ein entschlosseneres Vorgehen gegen Putins Vasallendiktatur ARGUMENTIERTE - potentielle Flüchtlinge zu eine zukunftsweisende EU-Politik möglichst in ihrer Heimat halten, notfalls geschützt von demokratischem Militär, usw. Dazu braucht man aber einen langen philosophischen, gefestigten Atem, den der (nicht allein Berliner?) "Mainstream"-Grüne aber oft nicht hat.... Womit ich nicht Baerbock und auch nicht unbedingt Habeck meine!

  • "dürfe man nichts versprechen, was dann nicht haltbar sei. Entsprechend müssten Ziele angepasst, also eher reduziert werden."



    Klingt ja erstmal ganz vernünftig, allerdings sehr allgemein. Aber um welche Ziele geht es hier? Nur um Ziele, die der SPD wichtig sind? Oder auch um die Ziele der Grünen?



    Das unhaltbarste Ziel überhaupt in der aktuellen politischen Debatte dürfte das Klimavolksbegehren für Klimaneutralität in 7 Jahren sein. Aber gerade das will Jarasch unterstützen. Offensichtlich geht es den Grünen beim Ziele-Reduzieren nur darum,



    SPD-Anliegen von vorneherein abzuschmettern. Verständlich, daß die SPD davon nicht begeistert ist.

    • @yohak yohak:

      War wohl relativ konkret: Offenbar wollte die SPD mal wieder volle Lehrerzimmer und klare Wohnungsbauzahlen versprechen, wie es die SPD immer tut: "xxxxx bezahlbare Wohnungen jetzt".



      Spricht für die Grünen, dass sie den Quatsch nicht mitmachen.

  • Man muss der SPD zu ihrer Analysefähigkeit zu dem bestehenden rgr-Bündnis



    Gratulieren. Die Erkenntnis der Berliner SPD das Die Grünen ein unzuverlässiger, machthungriger Haufen sind Teile ich. Schade das auf absehbare Zeit wohl reine rot-rote Bündnisse in Berlin nicht mehrheitsfähig sind . vermutlich wird das SPD Fazit über die grünen im Bund nach Beendigung der rot-grün-gelb Koalition ähnlich ausfallen wie das aktuelle Fazit über die Berliner grünen.

  • "Man habe viel erreicht, etwa bei der Bewältigung der Krisen von Corona über die Versorgung der Ukraine-Flüchtlinge bis hin zur Abfederung steigender (Energie-)Preise."

    Das hört sich alles nach einer nachhaltigen Verbesserung des Lebens in Berlin an. Da fragt man sich doch, warum neben all dem "Krisenmanagement" nicht auch einmal eine Verwaltungsreform angestoßen wird. Komisch, während Corona und beim Ankommen von Flüchtlingen ist auf einmal auch vieles möglich...

  • 6G
    664901 (Profil gelöscht)

    Nur eine Koalition CDU/SPD kann die 360 Grad- Wende in der Berliner Politik verhindern.

    • @664901 (Profil gelöscht):

      Hm, mathematisch ist eine 360-Grad-Wende aber mit einer 0-Grad-Wende identisch?

      • @Achim Kniefel:

        war wohl auch so gemeint!

      • 6G
        664901 (Profil gelöscht)
        @Achim Kniefel:

        Um es mit Annalena zu sagen: „Ebend“!