Von Notz (Grüne) zu Reichsbürger-Razzien: „Wir müssen wachsam bleiben“

Umsturzpläne müssen ernst genommen werden, fordert der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz und lobt die Entschlossenheit der Sicherheitsbehörden.

Vermummte Polizisten führen eine Person ab

Polizisten mit einem Verdächtigen bei einer Razzia bei Reichsbürgern in Berlin am 7. Dezember Foto: Paul Zinken/dpa

taz: Herr von Notz, Reichsbürger sollen einen gewaltsamen Umsturz geplant haben. Wie gefährlich war das Netzwerk, das nun in einer groß angelegten Razzia ausgehoben wurde, Ihrer Einschätzung nach?

Konstantin von Notz: Viele haben Reichsbürger lange als harmlose „Spinner“ abgetan. Das ist brandgefährlich. Der Generalbundesanwalt hält die Planungen offenbar für so konkret und fortgeschritten, dass er nun diese massiven Maßnahmen veranlasst hat. Die fraglichen Personen haben oft Zugang zu Waffen und ihre bekannt gewordenen Umsturzpläne sind offensichtlich weit fortgeschritten. Ich kann allen Beteiligten nur raten, diese Gefahren sehr ernst zu nehmen und wachsam zu bleiben.

Es geht also um mehr als nur ein paar Spinner? Vieles, was über die Gruppe bekannt ist, klingt skurril.

Vieles, was Donald Trump die letzten Jahre gesagt hat, klang auch skurril bis hart abwegig. Das ändert nichts an der Ernsthaftigkeit und der Massivität der Umsturzpläne gegen eine gefestigte Demokratie, wie wir sie am 6. Januar 2021 in den USA gesehen haben.

Thesen von Extremisten klingen eben häufig abwegig, das ändert wenig an den von ihnen ausgehenden tödlichen Gefahren, ob bei dem Mord an Walter Lübke, an einem Polizisten in Georgensgmünd oder den rassistischen und antisemitischen Anschlägen von Hanau und Halle. Vom Blick in unsere eigene Geschichte ganz zu schweigen.

Das Netzwerk scheint weit verzweigt zu sein. Verbindungen gibt es offenbar zur Gruppe, die die Entführung von SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach plante. Wie viel unsichtbares Gefahrenpotential könnte es in der Szene noch geben?

51, ist stell­vertretender Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Bundestag und Vorsitzender des für die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums.

Die heutigen Durchsuchungen haben gezeigt, dass die Sicherheitsbehörden hier durchaus entschlossen agieren. Mit den jetzigen Durchsuchungen ist es aber zweifellos nicht getan. Die Behörden müssen am Ball bleiben und die genauen Hintergründe, aber auch Verbindungen zu anderen Netzwerken nun sehr entschlossen weiter aufklären.

Diesen Aufgaben müssen sich alle Verantwortlichen stellen – auch das Parlament. Daher haben wir Grüne für die kommende Sitzungswoche entsprechende Berichte in den zuständigen Ausschüssen und Gremien auf die Tagesordnung gesetzt.

Wieder mal gibt es Verbindungen zur Bundeswehr. Reichen die bisherigen Maß­nahmen gegen Rechtsextreme in den Sicherheitsbehörden und vor allem beim Kommando Spezialkräfte (KSK) nicht aus?

Das werden die weiteren Ermittlungen zeigen. Klar ist aber doch, dass gerade diejenigen, die unseren Staat dienen und ihn repräsentieren, in einer ganz besonderen Verantwortung stehen. Ihre Integrität darf nicht in Frage stehen.

Reichen die Sicherheitsvorkehrungen des Bundestags aus?

Spätestens seit dem Angriff auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 wissen wir sehr genau, dass antidemokratischer Rhetorik auch schlimmste, gegen Demokratie und Parlament gerichtete Taten folgen können. Die Frage nach der Sicherheit des Deutschen Bundestags wird, das wurde gerade noch einmal deutlich, auch in Zukunft von großer Relevanz bleiben. Das Herz unserer Demokratie gilt es bestmöglich zu schützen.

Welches Sicherheitsrisiko stellt die AfD für den Bundestag dar? Berichten zufolge hatte die Richterin Frau Malsack-Winkemann als Ex-Abgeordnete der AfD immer noch Zugang zu Bundestagsgebäuden.

Deutlich wird, dass Privilegien wie der Zugang zum Parlament von amtierenden und ehemaligen Abgeordneten ausgenutzt werden können, auch um Personen in die Gebäude zu bringen, denen Demokratie, Parlamentarismus und frei gewählte Abgeordnete ein Dorn im Auge sind. Nach ähnlichen Vorkommnissen in der Vergangenheit, bei denen immer die AfD-Fraktion eine Rolle spielte, wurden die Sicherheitsvorkehrungen und Zugangsbeschränkungen bereits angepasst. Ob es angesichts der jüngsten Vorfälle weiterer Restriktionen bedarf, gilt es nun sehr genau zu prüfen.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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