Rechtes Attentat in Hanau: Ausschuss bekommt lesbare Akten

Der hessische Untersuchungsausschuss zum Terror von Hanau erzielt einen Erfolg gegen die Bundesanwaltschaft. Er bekommt ungeschwärzte Akten.

Glasscherben auf dem Aspahalt einer Straße

Scherben am Tatort, aufgenommen am 21. Februar 2020 Foto: Michael Probst/ap

FREIBURG taz | Generalbundesanwalt Peter Frank muss die Akten zum Anschlag von Hanau weitgehend ungeschwärzt an den hessischen Untersuchungsausschuss herausgeben. Das entschied jetzt das Bundesverwaltungsgericht in einem Eilbeschluss, der der taz vorliegt.

Der Rechtsextremist Tobias Rathjen erschoss am 19. Februar 2020 in Hanau neun Menschen mit Migrationshintergrund, anschließend tötete er seine Mutter und sich selbst. Die Bundesanwaltschaft hatte die Ermittlungen bald eingestellt, da der Täter tot war. Im hessischen Landtag wurde im Juli 2021 ein Untersuchungsausschuss eingerichtet, der mögliche Behördenfehler und Lehren für die Zukunft feststellen soll. Er forderte auch bei der Bundesanwaltschaft alle Akten an, doch bekam die 79 Ordner nur mit umfassenden Schwärzungen. Beim Täter wurde die gesamte Krankenakte geschwärzt. Auch große Teile der Obduktionsberichte der Opfer und des Täters wurden unleserlich gemacht.

Der Generalbundesanwalt argumentierte, die Schwärzungen hätten „keine erkennbare Relevanz für die Aufklärung etwaiger Versäumnisse hessischer Behörden“. Außerdem widerspreche eine Veröffentlichung dem „postmortalen Persönlichkeitsschutz“. Dagegen klagte der U-Ausschuss Ende November 2022 und beantragte eine einstweilige Anordnung. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das zuständig ist, weil es sich um einen Streit zwischen einem Landesorgan und einer Bundesbehörde handelt, gab dem hessischen Ausschuss nun weitgehend Recht. U-Ausschüsse können selbst darüber befinden, heißt es, „welche Beweiserhebungen sie zur Aufklärung des Sachverhalts als notwendig erachten“. Die Anforderung von Beweisen könne auch allgemein darauf abzielen „Licht ins Dunkel“ eines Untersuchungskomplexes zu bringen.

Auch der postmortale Persönlichkeitsschutz hindere die ungeschwärzte Herausgabe nicht. Nach dem Tod sei nur noch die Menschenwürde geschützt, die den Verstorbenen vor Herabwürdigung oder Verfälschung seines Lebensbildes schütze. Beides sei bei Herausgabe der medizinischen Berichte nicht zu befürchten. Die Akten sollen nur in der Geheimschutzstelle des Landtags einsehbar sein. Geschwärzt bleibt lediglich der Bericht einer medizinischen Untersuchung von Hans-Gerd Rathjen, dem militanten Vater des Attentäters, weil der Mann noch lebt und die Untersuchung nach der Tat erfolgte. Für den Ausschuss ging es wohl vor allem um die Grundsatzfrage, dass er sich nicht vom Generalbundesanwalt sagen lassen muss, was er wie zu untersuchen hat. Vor der Sommerpause muss der Bericht fertig sein.

Generalbundesanwalt Peter Frank

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Am 19. Februar 2020 erschoss der Rechtsextremist Tobias R. an drei verschiedenen Tatorten in der Hanauer Innenstadt neun Menschen:

Kaloyan Velkov, ermordet mit 33 Jahren.

Fatih Saraçoğlu, ermordet mit 34 Jahren.

Sedat Gürbüz, ermordet mit 30 Jahren.

Vili Viorel Păun, ermordet mit 22 Jahren.

Gökhan Gültekin, ermordet mit 37 Jahren.

Mercedes Kierpacz, ermordet mit 35 Jahren.

Ferhat Unvar, ermordet mit 22 Jahren.

Hamza Kurtović, ermordet mit 22 Jahren.

Said Nesar Hashemi, ermordet mit 21 Jahren.

Später ermordete der Attentäter seine Mutter Gabriele R., 72 Jahre alt.

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Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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