Umsturz-Pläne von Reichsbürgern: Druck auf Verfassungsfeinde

Bundesinnenministerin Faeser will nach Razzien bei Reichsbürgern das Waffen- und Disziplinarrecht verschärfen. Die AfD gerät ins Visier.

Vermummte Polizisten bei einer Razzia

Polizeirazzia gegen sogenannte Reichsbürger in Thüringen am 7. Dezember Foto: Bodo Schackow/dpa

BERLIN taz | Nach den Festnahmen von 25 Reichs­bür­ge­r:in­nen, denen Umsturzpläne vorgeworfen werden, entbrennt eine Debatte über Konsequenzen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte eine weitere Entwaffnung der Szene und ein härteres Vorgehen gegen extremistische Beamte an. Ins Visier gerät auch die AfD.

Am Mittwoch waren im Auftrag der Bundesanwaltschaft 25 Beschuldigte festgenommen worden, denen vorgeworfen wird, die Regierung stürzen zu wollen – darunter ein Adliger, mehrere frühere Bundeswehrsoldaten und die Richterin und AfD-Politikerin Birgit Mal­sack-­Winkemann. Schwerpunkt war Baden-Württemberg mit acht Festnahmen. Am Donnerstag waren 23 der Haftbefehle richterlich bestätigt. Zwei Männer, die im österreichischen Kitzbühl und im italienischen Perugia festgenommen wurden, mussten noch nach Karlsruhe gebracht werden.

Laut Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), stieg die Zahl der Beschuldigten inzwischen auf 54 Personen, mehr als 150 Wohnungen wurden durchsucht. Mit weiteren Durchsuchungen sei aufgrund der Auswertungsergebnisse der ersten Festnahmen zu rechnen. Bereits jetzt seien in 50 Wohnungen Waffen gefunden worden, von der Armbrust bis zur Langwaffe, erklärte Münch im ZDF.

Den Obleuten des Bundestags waren dagegen am Mittwoch zunächst nur zwei gefundene Langwaffen, eine Kurzwaffe sowie Schwerter, Armbrüste und Schreckschusswaffen gemeldet worden. Die Bundesanwaltschaft wollte sich zu Waffenfunden nicht äußern. Einige der Festgenommenen besaßen indes legal Waffen.

Bisher bremste die FDP beim Waffenrecht

Münch forderte eine genauere Überprüfung von Sicherheitskräften: Man müsse sich darauf verlassen können, dass diese „uneingeschränkt“ hinter der demokratischen Grundordnung stünden. Auch Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang plädierte für eine noch gründlichere Überprüfung von Sicherheitsbediensteten. Extremisten dürften dort keinen Platz und Zugang zu Waffen bekommen.

Gleichzeitig warnte Haldenwang, von der Reichsbürgerszene gehe „eine anhaltend hohe Gefahr aus“. Die Szene war im vergangenen Jahr um 1.000 Personen auf 21.000 An­hän­ge­r:in­nen gewachsen. Ein Zehntel davon gilt den Behörden als gewaltorientiert.

Faeser kündigte eine weitere Entwaffnung des Reichsbürgermilieus an. Dies bleibe „eines der wichtigsten Ziele“, sagte ihre Sprecherin der taz. Ein Gesetzentwurf zur Verschärfung des Waffenrechts solle „zeitnah“ in die Ressortabstimmung gehen. Bisher hatte die FDP das Vorhaben ausgebremst. Eine Waffenrechtsverschärfung hatte Faeser bereits in ihrem Aktionsplan gegen Rechtsextremismus im Frühjahr angekündigt.

Dort wurde auch eine Verschärfung des Disziplinarrechts versprochen, um Verfassungsfeinde schneller aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Faeser kündigte auch hier ein rasches Vorgehen an: Der Gesetzentwurf solle noch dieses Jahr ins Kabinett gehen.

Als Modell könnte das Disziplinarrecht in Baden-Württemberg dienen, wo eine Beweislastumkehr besteht: Bei Anhaltspunkten auf eine Verfassungsfeindlichkeit können Beamte erst einmal aus dem Dienst entfernt werden – und müssen dann nachweisen, dass diese Annahme falsch ist.

In den Fokus gerät auch die AfD. Neben Malsack-Winkemann wurde der frühere sächsische AfD-Stadtrat Christian W. festgenommen. CDU-Generalsekretär Mario Czaja forderte im ZDF eine schärfere Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Darüber müsse man „völlig neu nachdenken“.

Thüringens Innenminister ­Georg Maier (SPD) warf in der taz der AfD vor, Umsturzfantasien zu verbreiten. Die Linken-Abgeordnete Martina Renner erinnerte, dass die Festnahmen nicht der erste Bezug der AfD zum Rechtsterrorismus seien. Deshalb sei es Zeit, „zu prüfen, ob die Bedingungen für ein Verbot erfüllt sind“, sagte sie der taz.

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