Xis Warnung an Moskau: Eine schlechte Nachricht für Putin
Mit Pekings Warnung, Atombomben einzusetzen, distanziert sich Xi erstmals von Russland und dem Angriffskrieg. Scholz kann das als Erfolg verbuchen.
A ls sich im September Russland, China, Indien und andere nichtwestliche Staaten der Shanghai Cooperation Organization trafen, gab es einen interessanten Moment. Indiens Premier Modi warnte, höflich, aber klar, neben Waldimir Putin stehend vor einer Eskalation des Ukrainekriegs. Genauso bemerkenswert war die Reaktion Chinas: keine. Eisernes Schweigen. Keine Kritik an Russland.
Nun hat Xi Jinping die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen verurteilt. Und damit genau das kritisiert, was Putin seit acht Monaten immer wieder tut. Das mag keine namentlich adressierte Mahnung sein. Aber dies ist die erste kristallklare Warnung von Peking an Moskau: Macht das bloß nicht. Das folgt wohlverstandenem Eigeninteresse. Wenn Putin wirklich ernst machen würde, das Tabu des Atomwaffeneinsatzes fallen sollte – es wäre für Asien mit den konkurrierenden Atommächten Indien, Pakistan und China eine besonders gefährliche Entwicklung.
Kanzler Scholz kann diesen diplomatischen Erfolg auf seinem Konto verbuchen. Der Kanzler bemüht sich zu Recht seit Monaten darum, Staaten, die beim Ukrainekrieg zwischen dem Westen und Putin stehen, günstig zu stimmen. Die Ansage aus Peking an Putin ist in dieser Strategie ein echter Erfolg. Denn sichtbar ist nun ein feiner Riss in dem bislang engen chinesisch-russischen Bündnis.
Für Putin ist das eine schlechte Nachricht. Denn seine atomare Erpressungstaktik verliert an Glaubwürdigkeit. Jetzt ist für alle der Preis sichtbar, den ihn eine nukleare Eskalation kosten würde: der mögliche Bruch mit Xi Jinping. Den braucht Putin aber als Machtstütze unbedingt – und mehr als umgekehrt.
Alles gut also? Trotz des Erfolges von Scholz’ Reise kann davon keine Rede sein. Die hochkomplexe Arbeit beginnt erst. Berlin muss die guten Beziehungen der Vergangenheit zu Peking bewahren und gleichzeitig zügig aus den einseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten aussteigen. Klar ist: Auch das gelingt nur realpolitisch und pragmatisch – nicht mit den selbstgefälligen moralischen Appellen, wie sie ständig von den Grünen kommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja