Kampf gegen hohe Mieten: 100 Jahre billige Miete

Der Hamburger Senat hat sich mit der Mieterbewegung geeinigt. Er soll keinen Grund mehr verkaufen und Sozialwohnungen mit „ewiger“ Bindung bauen.

Ein Schiff liegt am Kai vor der Hamburger Hafencity mit Kränen

Wohngrundstücke können künftig nur nach Bürgerschaftsbeschluss verkauft werden: Hafencity Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Es könnte ein Modell sein, das den sozialen Wohnungsbau in Deutschland revolutioniert: Am Dienstag stellten der rot-grüne Hamburger Senat und die Volksinitiative „Keine Profite mit Boden und Miete“ einen Kompromiss vor. Er soll gewährleisten, dass städtischer Grund und Boden künftig grundsätzlich nicht mehr verkauft wird. Außerdem werden die Sozialwohnungen auf städtischem Grund mit einer ewigen Preisbindung versehen.

Die Hamburger Koalition setze „damit auch ein bundespolitisches Zeichen“, sagte Dominik Lorenzen, Fraktionschef der Grünen in der Bürgerschaft. Es könne die von der Berliner Ampelkoalition vereinbarten Bemühungen voranbringen, in Zukunft wieder gemeinnützigen Wohnungsbau zu ermöglichen

„Keine Profite mit Boden und Miete“ wird von 30 Organisationen aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum getragen – von den Mietervereinen über örtliche Mieter- und Stadtteilinitiativen, über Attac und Ver.di bis hin zum Plenum des autonomen Stadtteilzentrums Rote Flora.

Mit der Einigung reagiert der Senat auf den enormen Druck auf dem Wohnungsmarkt – und er verhindert, dass die Initiative die nächste Stufe im Verfahren der Volksgesetzgebung zündet. Zudem dürfte der Kompromiss einer weiteren Initiative unter dem Titel „Hamburg enteignet“ den Wind aus den Segeln nehmen.

Zwei Erfolge

„Keine Profite mit Boden und Miete“ besteht aus verfassungsrechtlichen Gründen aus zwei Ini­tiativen. Beim ersten Teil zum Grundeigentum reicht die Vereinbarung mit dem Senat sogar über das ursprünglich Angestrebte hinaus: Die Nichtveräußerung städtischer Wohnungen und Wohngrundstücke erhält Verfassungsrang. Bauplätze sollen nur noch im Wege des Erbbaurechts vergeben werden. Ausnahmen bedürfen eines Beschlusses der Bürgerschaft.

Außerdem werden „die Schaffung, die Erhaltung und die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen in die Verfassung aufgenommen.“ Möglich macht das die Zweidrittelmehrheit von Rot-Grün in der Bürgerschaft. „Es wird auch für spätere Senate nicht mehr so einfach möglich sein, das städtische ‚Tafelsilber‘ Grund und Boden leichtfertig durch Verkauf zu Spekulationsobjekten zu machen“, sagte Marc Meyer vom Verein „Mieter helfen Mietern“.

Bei ihrem zweiten Anliegen, sämtliche Neubauwohnungen auf städtischem Grund als Sozialwohnungen zu vermieten und beim Mietpreis entsprechend zu deckeln, musste die Initiative Abstriche vornehmen: Künftig sollen 33 Prozent der neu gebauten Wohnungen auf städtischem Grund Sozialwohnungen im ersten Förderweg, also besonders günstig sein.

Dass es nur ein Drittel ist, wird aus Sicht von „Keine Profite mit Boden und Miete“ dadurch ausgeglichen, dass die mit der Förderung verbundene Bindungsfrist von den üblichen 20 oder 30 Jahren auf 50 Jahre verlängert wird. Im Anschluss daran soll die Miete weitere 50 Jahre an die Verbraucherpreise und die Reallöhne gekoppelt werden. „Dauerhafte Mietpreisbindungen über Zeiträume von 100 Jahren sind in Hamburg, aber auch bundesweit, einmalig“, sagte Paul-Hendrik Mann vom Mieterverein zu Hamburg.

Anstoß für einen Paradigmenwechsel

Nach der Vereinbarung sollen im Fünfjahresdurchschnitt mindestens 1.000 solcher Wohnungen jährlich gebaut werden. „Ich hoffe, dass das einen Anstoß geben, kann von dem üblichen Sozialwohnungsmodell wegzukommen“, sagt der Anwalt und Mieteraktivist Bernd Vetter.

Die Verbände der Hamburger Wohnungswirtschaft bezeichneten den Kompromiss zwischen Senat und Initiative als „dramatische Fehlentscheidung“. Um mit einer 100-jährigen Mietpreisbindung bauen zu können, müsse die Förderung drastisch erhöht werden, was der Senat mit der Verlängerung auf 50 Jahre ja auch vorsieht.

Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) versicherte, dass hierfür auch an die Finanzierung gedacht sei und insgesamt nicht weniger Sozialwohnungen etwa im zweiten Förderweg oder auf privaten Grundstücken gebaut werden sollten. Diese sind im Hamburger Bündnis für das Wohnen zwischen dem Senat, den Bezirken und der Wohnungswirtschaft vereinbart, wonach bei Neubauprojekten 35 Prozent Sozialwohnungen gebaut werden sollen.

Die wohnungswirtschaftlichen Verbände befürchten, dass sich Sozialwohnungen in bestimmten Quartieren ballen und diese instabil werden könnten. Dort könne „der Anteil der geförderten Wohnungen noch steigen, wenn die Stadt nicht jährlich Flächen für mindestens 3.000 Wohneinheiten zur Verfügung stellt“, warnen die Verbände. Dabei seien Baugrundstücke ja schon seit Langem Mangelware.

Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapeldfeldt (SPD) wies darauf hin, dass die Fördertöpfe für den sozialen Wohnungsbau bisher nicht ausgeschöpft würden. Insofern sieht sie jetzt schon finanziellen Spielraum für eine längere Förderdauer.

Marc Meyer von „Mieter helfen Mietern“ wies darauf hin, dass sich eine lange Bindung lohne, weil dann nicht ständig aus der Bindung gefallene Sozialwohnungen durch Neubauten ersetzt werden müssten. „Ein noch so bemühter Senat kann da nicht hinterherbauen“, sagte er. Zudem sei das wegen des Ressourcenverbrauchs unsinnig.

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