Maßnahmen gegen Gaskrise: Einmalzahlung und Preisbremsen
Die Kommission legt Vorschläge zur Entlastung von Bürger:innen und Unternehmen vor. Verdi-Chef Werneke kritisiert die fehlende soziale Balance.
Die Kommission arbeitet seit September an Vorschlägen zur Dämpfung der hohen Gaspreise. Viele Privathaushalte, aber auch soziale Einrichtungen und Unternehmen sehen sich nicht oder kaum in der Lage, die drastisch gestiegenen Abschlagszahlungen zu stemmen.
Bis zum frühen Montagmorgen um 6.25 Uhr haben die 21 Vertreter:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Sozialverbänden und Gewerkschaften getagt, damit die drei Vorsitzenden am Montagvormittag einen Zwischenbericht mit konkreten Empfehlungen vorlegen konnten. „Wir wollten in der Entlastungswirkung schnell sein“, sagte Michael Vassiliadis, einer der Kommissionsvorsitzenden und Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie.
Um rund 24 Millionen Privathaushalte und Betriebe zu entlasten, soll der Staat im Dezember eine Einmalzahlung in Höhe der Abschlagszahlung vom September leisten, was über den Versorger abgewickelt wird. „Das ist ein sehr pragmatisches Vorgehen“, sagte die weitere Kommissionsvorsitzende und Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Eine schnelle Entlastung anders zu organisieren, wäre schwerer gewesen.
Preisbremse kommt nächstes Jahr
Darüber hinaus soll im Frühjahr eine Preisbremse für diese Verbraucher:innen greifen. Die Kommission möchte sie ab März. Schaffen die Versorger das nicht, könnte sie auch erst im April kommen. Für ein Grundkontingent soll ein Preis von 12 Cent pro Kilowattstunde gelten. „Das Grundkontingent beträgt 80 Prozent des Verbrauchs, der der Abschlagszahlung aus September 2022 zugrunde gelegt wurde“, heißt es in den Empfehlungen. „Der erhaltene Betrag muss nicht zurückgezahlt werden, selbst wenn der tatsächliche Verbrauch in der Jahresendabrechnung von der angenommenen Menge abweicht.“ Für den Verbrauch oberhalb des Grundkontingents wird der – voraussichtlich sehr hohe – Marktpreis fällig.
Der subventionierte Preis entspricht ungefähr dem Niveau, das in Zukunft erwartet wird, sagte Grimm. Die Bremse soll bis Ende April 2024 gelten. Für Verbraucher:innen, die mit Fernwärme heizen, soll der gleiche Mechanismus gelten. Hier liege der Zielpreis bei 9,5 Cent, sagte Grimm. Die Kommission habe sich auf Gas fokussiert, weil die Kund:innen hier sehr viel stärker belastet seien als die mit anderen Heizungsarten.
Rund 96 Milliarden Euro Kosten
Für die Einmalzahlung geht die Kommission von Kosten in Höhe von 5 Milliarden Euro aus. Die Preisbremse für Haushalte und kleinere Betriebe kostet voraussichtlich rund 66 Milliarden Euro. Für die Entlastung der Industrie sind 25 Milliarden Euro vorgesehen. Die Rabatte sind einkommensteuerpflichtig, ein Teil des Gelds fließt also an den Staat zurück. Die Kommission empfiehlt zwar hohe Freibetragsgrenzen, nennt aber kein Zahlen. Finanziert werden sollen die Hilfen für Privatleute und Wirtschaft aus dem 200 Milliarden Euro schweren Wirtschaftsstabilisierungsfonds, dessen Reaktivierung Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor Kurzem als „Doppelwumms“ angekündigt hatte. Aus dem Fonds werden auch weitere Maßnahmen finanziert, etwa die Rettung der Gasversorger.
Industriebetriebe erhalten keine Abschlagszahlung. Für bis zu 25.000 Unternehmen soll bereits ab Januar für 16 Monate eine Preisbremse greifen, die bei einem Beschaffungspreis von 7 Cent pro Kilowattstunde liegt. Sie soll für 70 Prozent des Verbrauchs im Jahr 2021 gelten. Diese Unternehmen haben spezielle Großkundentarife. Für sie lägen mehr Daten vor, weshalb die Preisbremse eher greifen könne, sagte Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie und dritter Vorsitzender der Kommission. Der Beschaffungspreis für die Industrie entspräche etwa dem Preis für Privathaushalte, sagte er. Der Unterschied bestehe darin, dass im Preis für Privatkund:innen alle Gebühren enthalten sind, in dem für die Industrie nicht.
Kritik von Verdi und Linkspartei
Ein Sondervotum zu den Vorschlägen der Kommission abgegeben hat der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke. „Das vorgeschlagene Modell der Gaspreisbremse ist nicht ausreichend sozial ausbalanciert“, kritisierte er. „Durch das Modell wird eine Zweizimmerwohnung genauso behandelt wie eine Villa mit Pool.“ Um Gering- und Durchschnittsverdienende finanziell nicht zu überfordern, sollte nach seinen Vorstellungen ein Kontingent pro Haushalt, zum Beispiel 4.000 Kilowattstunden, zu einem Preis aus der Zeit vor der Krise bezuschusst werden.
Als „zutiefst unsozial“ kritisierte der Linkspartei-Vorsitzende Martin Schirdewan die Kommissionsvorschläge. „Das ist Krisenpolitik für Besserverdienende“, sagte er. Hoher Energieverbrauch werde subventioniert, Leute ohne Geld müssten weiter dramatisch sparen. Wirtschaftsvertreter:innen begrüßten die Vorschläge hingegen.
Das Ergebnis sei insgesamt positiv zu bewerten, sagte dagegen der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags Peter Adrian. „Es ist ein starkes Signal, dass sich die Kommission auf eine schnelle und einfache Preisbremse geeinigt hat, die für die Unternehmen eine klare Perspektive bringt.“
Auch aus dem Kreis der Länderchefs kommt Lob. „Mein erster Eindruck ist sehr positiv“, lobte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, der seit 1. Oktober auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist, den Vorschlag der Kommission. Der Gedanke des Abschlags sei einleuchtend, wenn man zügig und unbürokratisch handeln wolle, sagte Weil. Er lobte auch, dass die Kommission Unternehmen von Anfang an in ihre Überlegungen einbezogen habe. „Wir hören wirklich alarmierende Nachrichten aus der Industrie“, so Weil. Ein Grundpreis von 7 Cent ließe sich hören, auch wenn man für besonders energie- und exportorientierte Bereichen vielleicht noch nachsteuern müsse.
Weil regte an zu prüfen, ob es möglich sei, das verbilligte Basiskontingent für Verbraucher:innen schon vor dem 1. März einzuführen. „März wird für manche noch ziemlich weit weg zu sein, die aber jetzt schon den Eindruck haben, sie bräuchten jetzt bereit Hilfe“, sagte er.
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