Kosten der Energiekrise: Umlage auch für profitable Konzerne
Auch Gas-Importeure, die nicht vor der Pleite stehen, kriegen etwas von der Gas-Umlage ab. Das kritisieren Verbraucherschutz und Sozialverbände.
Ursprünglich ist die Umlage als Instrument zur Vermeidung von Insolvenzen angelegt – speziell um den Gasimporteur Uniper zu retten, der derzeit gezwungen ist, wegen gedrosselter russischer Lieferungen teure Alternativen einzukaufen. Bei anderen Importeuren zeigen sich allerdings erhebliche Mitnahmeeffekte, weil sie von den aktuellen Rekordpreisen beim Verkauf von Strom, Öl oder Gas profitieren.
Namentlich genannt wird zum Beispiel die EnBW-Tochter VNG. EnBW-Chef Frank Mastiaux bezeichnete gegenüber der Zeitung das Risiko für die Firma als „nicht klein, aber auch nicht existenziell“. Der Energiekonzern RWE hatte bereits mitgeteilt, er wolle die Umlage nicht nutzen.
Die Politik stecke in einem Dilemma, sagt Stefan Lechtenböhmer, Energiewirtschaftsexperte am Wuppertal Institut: „Im Rückblick betrachtet wäre eine Klausel, wonach nur Firmen unterstützt werden, die durch den Wegfall des russischen Gases in eine existenzgefährdende Lage geraten sind, natürlich sinnvoll gewesen.“ Aber es sei schwer, eine solche Abgrenzung rechtssicher vorzunehmen.
Verbraucherschützerin fordert Aufschub
Als einen „handwerklich schlecht gemachten Schnellschuss“ hatte Ramona Pop vom Verbraucherzentrale Bundesverband die Umlage bereits bezeichnet. Sie forderte, die Einführung müsse um einen Monat auf den 1. November verschoben werden, um offene Fragen zu klären.
Jenen Unternehmen, die „trotz sprudelnder Gewinne von der Umlage profitieren wollen“, müsse der Gesetzgeber diese verweigern. Zur Frage, nach welchen Kriterien die Umlage aus ihrer Sicht ausgezahlt werden solle – ob nur an Firmen, die ansonsten vor der Insolvenz stehen, oder auch an solche, die vorübergehend und nicht existenzgefährdend in die Verlustzone geraten –, war Pop am Freitag nicht erreichbar.
Die Umlage von zunächst rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde wird ab Oktober fällig und soll bis Ende März 2024 gelten. Damit können Gasversorger Kosten an ihre Kunden weitergeben, die ihnen entstehen, weil sie ausbleibende Lieferungen aus Russland mit teurerem Gas ersetzen müssen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Donnerstag angekündigt, die Mehrwertsteuer auf den Gasverbrauch von 19 auf 7 Prozent zu senken – und damit auf die Ablehnung der deutschen Bitte bei der EU reagiert, auf die Gasumlage keine Mehrwertsteuer erheben zu müssen.
Von der Umlage sind auch Kunden betroffen, die über das Gasnetz Biomethan, also aufbereitetes Biogas, beziehen. Das teilte das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage mit. Solche Tarife werden heute von einigen Gasversorgern angeboten, wobei die Belieferung nur bilanziell geschieht – ähnlich, wie bei Stromkunden, wenn diese Ökostrom beziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung