Krieg in der Ukraine: Von dem Putin doch nicht

Es sind die allerletzten Tage der Menschheit. Folgendes Gespräch findet in einem mehr oder weniger schattigen Biergarten statt.

Präsident Putin vor Soldaten.

„Ja, was will er denn überhaupt, der Putin, die Drecksau“ Foto: Itar-Tass/imago

Dahamaswieda! Wissen’s, was unsere Kulturstaatsministerin g’sagt hat? Dass sie sich den Anton Tschechow doch nicht von dem Putin wegnehmen lässt.

- Das hab’ ich freilich nicht gewusst, dass der Putin der Claudia Roth den Tschechow wegnehmen hat wollen. Das erklärt natürlich manches.

- S’gibt ja g’nug, was wir uns von diesem Putin nicht wegnehmen lassen dürfen. Auch den Dings, Pastinak oder so ähnlich, der wo diesen schönen Film gemacht hat, mit dem Omar Sharif und dieser schönen Musik. Dää-dä-dää! Das, wo immer zu Weihnachten im Fernsehen kommt.

- Oder den Puschkin. Ich hab’ noch zwei Flaschen im Schrank, wollt ich bis jetzt verstecken. Und jetzt stell ich den auf den Tisch und sag: Ich lass mir doch von einem Putin keinen Puschkin nicht verbieten.

Da sind wir uns total einig. Wir lassen uns von dem Putin, der Drecksau, der wo ein Land überfallen hat, das wo g’rad zu uns hat kommen wollen, von dem lassen wir uns gleich gar nichts wegnehmen.

Schluss mit der Friedenshetzerei

- Das hat er davon, der Putin. Dass wir uns nämlich jetzt alle einig sind. Weil wir g’rad beim Anton sind… Der will ja jetzt auch nur noch schwere Waffen. Mit was anderem fangt er gar nicht mehr an. Nehmen Sie nur mal den Pastor, der sogar einmal Präsident g’wesen sein soll, der hätt’ jetzt gerne selber eine Waffe in die Hand genommen, weil er nämlich sagt, dass wir eine Neubesichtigung unserer Moral bräuchten.

- Genau des, was wir schon immer g’sagt ham – dass jetzt Schluss sein muss mit der Friedenshetzerei.

- Ja, was will er denn überhaupt, der Putin, die Drecksau.

- Einen gesunden völkischen Nationalismus will er. Und die alten Grenzen will er wieder haben. Und die Kirche im Dorf lassen und scheiß auf die Ausländer. Und eine gescheite Söldnertruppe, die nennt sich Wagner. Also wegen unserem Richard; bei dem seiner Musik krieg’ ich auch immer Lust irgendwo einzumarschieren.

- Dahamaswieda. Wir lassen uns doch von dem Putin nicht den Wagner wegnehmen. Hojottohooo! Deswegen fahren alle unsere Politiker auch wieder nach Bayreuth. Damit man sieht, dass uns der Putin den Wagner nicht wegnehmen kann.

Dschänderwahn und Ausländer

- Und sonst? Da ist der Putin gegen die Lügenpresse, und dass die Intellektuellen alle eingesperrt werden sollen, und dass jetzt Schluss mit dem Dschänderwahn ist! Und dass ein anständiges Volk eine starke Führung braucht.

- Genau das, was wir schon immer gesagt haben. Aber bei uns haben’s ja die Intellektuellen und den Dschänderwahn und die Ausländer und alles. Da war der Putin einfach schneller. Das hat der Berlusconi ja auch klar erkannt. Der Putin hat in die Ukraine einmarschieren müssen, weil ihm sonst diese jüdischen Nazis zuvorgekommen wären.

- Wir lassen uns doch von dem Putin den Putin nicht wegnehmen!

- Was? Äh, meinst wahrscheinlich, dass wir einen eigenen Putin haben sollen. Also einen besseren.

- Ja, das mein’ ich. Nicht, dass du glaubst, ich wär’ ein Putinversteher oder so eine Drecksau.

- Ja, nie nicht. Wir kennen halt jetzt keine Langhaarigen und keine Friedensprediger mehr, wir kennen nur noch Deutsche. So einig sind wir uns. In Russland ist ja alles gleichgeschaltet. Bei uns nicht. Bei uns ist man sich halt einfach nur einig.

- Weil, wir haben natürlich eine Freiheit. Und das heißt, dass es auch immer noch diese pfui deifi „Putinversteher“ gibt. Der Verteidigungsminister von der Ukraine, der hat es g’scheit getwittert: „Keine Gnade für den Feind“. Das nenn’ ich einmal ein Wort. Das traut sich bei uns noch niemand.

Richtiger Feminismus

- Das kommt halt auch von zu viel Freiheit. Mit den Frauenverstehern hat es angefangen, und dann sind die Putinversteher gekommen, und wenn es so weiter geht, dann haben wir auch noch Kommunismusversteher.

- Der Putin ist ein Kommunist?

- Dem ist doch alles zuzutrauen. Aber ich mein’ jetzt den Feminismus. Also gegen einen g’scheiten Feminismus haben wir ja gar nix. Im Sport zum Beispiel. Da muss man schauen bei den Frauen wie da die Augen glänzen bei der Nationalhymne! Das ist der richtige Feminismus! Aber dann kommt da so eine Emanze daher, eine Dichterin möcht’s sein, dass ich nicht lach’, und sagt, dass man einen richtigen Feminismus erst in einem Kommunismus haben könnt’.

- Des hamma von unserer Freiheit! Erst verstehen s’ die Frauen, dann verstehen s’ den Putin und am Ende verstehen s’ den Kommunismus.

- Und warum? Weil s’ alle schwul sind. Alle miteinander.

- So was gäb’s beim Hi… äh beim Putin nicht!

- Wie der so mit nacktem Oberkörper aufm Pferd oder ins Eiswasser geht…

- So was, das bräucht’ man halt hier auch, aber eben andersherum.

- Aber stellen Sie sich das doch einmal vor. Boris Johnson. Donald Trump. Marine Le Pen. Mit nacktem Oberkörper,

- Was haben Sie denn im Kopf?

- Ein Deutschland hab ich im Kopf. Wo man noch stolz drauf sein kann. Wehrhaft und treu zum Volk und zur Nation. Wo geführt wird und nicht geredet. Nicht so ein „Unterwerfungspazifismus“, wie es im Stü… äh im Spiegel gestanden ist. Keine Gnade für den Feind. Wenn der Putin einmal weg ist, die Drecksau, dann haben wir hier einen Putinismus, da wird er sich umschauen, der Russe. Dann gibt es wieder ein Gas und keine Irgendwasversteher. Weil dann haben wir eine rechte Zeitenwende und eine moralische Neubesichtigung und wieder einen rechten Glauben. Ohne Dschänderwahn! Und bis dahin kämpfen wir für unsere kulturelle Freiheit! Singt’s alle mit: „Layla“.

Ja, was will er denn überhaupt, der Putin, die Drecksau

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ist freier Autor und hat über 20 Bücher zum Thema Film veröffentlicht. Zuletzt erschien von ihm „Corona­kontrolle. Oder nach der Krise ist vor der Katastrophe“ bei bahoe books.

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▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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