Kleiner Parteitag der Grünen: Geschlossen für Waffen und Frieden

Der Länderrat berät über die Ukraine-Politik. Dissens gibt es kaum. Nur die Grüne Jugend stellt das Sondervermögen für die Bundeswehr in Frage.

Ricarda Lang an einem Pult

Bundesvorsitzende Ricarda Lang spricht beim kleinen Parteitag der Grünen Foto: dpa

BERLIN taz | Die Grünen ringen mit sich, das ist ihnen wichtig. Auf dem Länderrat, dem kleinen Parteitag also, treffen sich am Samstag in Düsseldorf knapp 100 Delegierte. Im Zentrum der Veranstaltung steht der Krieg in der Ukraine – wie könnte es auch anders sein. Und in der Diskussion über den eigenen Kurs fallen einige Verben immer wieder: Die Grünen ringen, sie hadern, sie zweifeln und sie verzweifeln nach eigenem Bekunden über die Frage, wie sie auf den Krieg reagieren sollen.

So sehr aber auch jeder Einzelne mit sich ringt: Am Ende kommen alle zu ähnlichen Schlüssen. Geschlossen treten die Delegierten in Düsseldorf auf. Den Leitantrag des Bundesvorstands, der die Linie der Grünen in der Regierung stützt, erhält eine klare Mehrheit. Der Länderrat steht hinter der Lieferung von schweren Waffen und Investitionen in die Bundeswehr. Auch in der Debatte, die der Abstimmung vorausgeht, offenbart sich wenig Dissens.

Stattdessen skizzieren die Delegierten den Korridor, in dem sich ihre Partei bewegt. Der Ukraine keinen militärischen Beistand zu gewähren, keine Waffen zu liefern, kommt für sie nicht in Frage. Außenministerin Annalena Baerbock sagt in einer Videobotschaft, ein „Diktatfrieden“ nach einem russischen Sieg sei angesichts russischer Kriegsverbrechen „kein Frieden für die Ukrainerinnen und Ukrainer“. Bundestagsfraktionschefin Britta Haßelmann kritisiert Forderungen nach einem Kompromiss zwischen den Kriegsparteien, der die Freiheit der Ukraine „zur Disposition“ stellt.

Eine Absage ist das an Forderungen, wie sie zum Beispiel am Freitag in einem offenen Brief in der Emma erhoben wurden und die auch aus der Friedensbewegung immer wieder zu hören sind: Die Regierung möge Waffenlieferungen unterlassen, da sie das Leid nur verlängerten und den Krieg eskalieren ließen. Bei den Grünen, die 1999 im Streit um den Kosovo-Krieg noch erbitterte Debatten führten, gibt es solche Stimmen 2022 nur noch vereinzelt an der Basis.

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Auf der anderen Seite geben sich die Delegierten in Düsseldorf aber auch Mühe, den Vorwurf des Bellizismus abzuwehren. Der Spiegel bezeichnet die Partei auf seinem aktuellen Titelbild als „Die Olivgrünen“, kleidet ihre Spitze in Camouflage-Muster. Dieses Bild soll sich nicht festsetzen.

Immer noch Friedenspartei?

Die Grünen „sind und bleiben die Partei“, die genau wisse, dass Waffen keinen Frieden schaffen – sondern höchstens in speziellen Situationen die Voraussetzungen dafür, sagt der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. „Wir werden immer Friedenspartei bleiben“, sagt Parteichef Omid Nouripour. Und Claudia Roth beklagt eine „Schieflage in der Debatte“ und Überbietungswettkämpfe bei Forderungen nach schweren Waffen, durch die ernsthafte Debatten „marktschreierisch übertönt“ würden.

Das könnte mal wieder als Kritik an Ex-Fraktionschef Toni Hofreiter zu verstehen sein, der sich in den vergangenen Wochen sehr stark für Waffenlieferungen und ein Energieembargo einsetzte, gepaart mit heftiger Kritik an Kanzler Olaf Scholz. Zum Streben der Grünen nach Harmonie auch im Umgang mit den Koalitionspartnern passte das nicht ganz, mit seinen Auftritten hat Hofreiter daher intern nicht nur Pluspunkte gesammelt.

Kritik am Kanzler bleibt entsprechend auch in Düsseldorf beinahe aus. Am weitesten wagen sich noch Europaabgeordnete aus der Deckung, die in den vergangenen Wochen in Brüssel einige Nachfragen von Kol­le­g*in­nen aus anderen Mitgliedsstaaten zu beantworten hatten. Im Ausland habe man das deutsche Regierungshandeln zuletzt „als zögerlich empfunden“, sagt Michael Bloss. Er wünsche sich, dass Scholz seine Politik auch europaweit „noch besser erklärt und auch zuhört“.

Einer der wenigen Änderungsanträge zum Leitantrag kam dann ebenfalls aus Reihen der Europaabgeordneten, federführend von Rasmus Andresen. Wegen der steigenden Lebenshaltungskosten in Folge des Krieges brauche es auf europäischer Ebene neue Instrumente zur sozialen Entlastung. Der Antrag nannte einen EU-Solidaritätsfonds, die Flexibilisierung der Fiskalregeln und eine Steuer auf Übergewinne von Energiekonzernen.

In einem Kompromiss mit dem Bundesvorstand fallen diese konkreten Punkte, die vor allem gegen FDP-Finanzminister Christian Lindner schwer durchzusetzen wären, wieder raus. Übernommen wird am Ende nur die allgemeine Forderung nach Entlastungen. Den Vorschlag der Übersteuer macht sich später immerhin Parteichefin Ricarda Lang in ihrer Rede zu eigen.

Grüne Jugend gegen Sondervermögen

Ein anderer, noch kontroverserer Änderungsantrag kommt von der Grünen Jugend. Sie wendete sich gegen das geplante Sondervermögen, das Kredite in Höhe von 100 Milliarden Euro für Investitionen in die Bundeswehr vorsieht. Der Kanzler hatte die Grünen damit Ende Februar im Bundestag überrumpelt, in der Regierung tragen sie das Vorhaben jetzt trotzdem mit.

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„Wir müssen anerkennen: Bei der Bundeswehr gibt es Defizite bei den Fähigkeiten und der Ausrüstung“, sagt in Düsseldorf Timon Dzienus, Bundessprecher der Grünen Jugend, der auch gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine keinen Einwände hat. Aber, so der Änderungsantrag: Erst müssten die Probleme im Beschaffungswesen der Bundeswehr behoben werden. Dann könne man über mehr Geld reden.

Natürlich müsse das Beschaffungswesen reformiert, werden sagt Parteichef Nouripour in seiner Gegenrede. Aber die Entscheidung über das Sondervermögen lasse sich nicht lange herausschieben. Warte man erst auf eine vollständige Reform, „reden wir von einem ganz anderen Zeitalter“, sagt er. Die Delegierten folgen ihm. Den Antrag der Grünen Jugend weist der Länderrat mit deutlicher Mehrheit ab.

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