Zuckerrübenbauern wollten Pestizid: Keine Zulassung für Bienenkiller

Der Bund lehnt den Antrag von Zuckerrübenbauern ab, ein von der EU verbotenes Pestizid nutzen zu dürfen. Imker bejubeln das als „Sieg für die Natur“.

Nahaufnahme von zwei Bienen.

Die Bienen und die Im­ke­r*in­nen freuen sich Foto: Soeren Stache/dpa

Berlin taz | Nach Druck von UmweltschützerInnen hat der Bund den Antrag von Zuckerrübenbauern abgelehnt, ein wegen Risiken für Bienen im Freiland verbotenes Pestizid nutzen zu dürfen. „Wir haben die Notfallzulassung abgelehnt“, teilte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) am Freitag der taz mit. Die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker bestätigte, dass das Amt den Antrag des Verbands für die Behandlung von Saatgut mit einem Pestizid aus der Gruppe der Neonikotinoide zurückgewiesen habe.

Dabei handelt es sich um ein Insektizid mit dem Wirkstoff Thiamethoxam. Genau dieses Mittel und sein Abbauprodukt Clothianidin – ebenfalls ein Neonikotinoid – haben sich in Teilen Frankens unkontrolliert ausgebreitet, nachdem mit dem Stoff ummantelte Zuckerrübensamen ausgesät worden waren.

Eigentlich hat die EU 2018 verboten, Thiamethoxam und Clothianidin im Freiland auszubringen. Mehrere Studien hatten gezeigt, dass praxisübliche Mengen dieser Pestizide Bienen schädigen. Neonikotinoide können ExpertInnen zufolge Insekten bereits bei einer niedrigen Dosierung lähmen, töten oder das Lernvermögen und die Orientierungsfähigkeit beeinträchtigen. Das betrifft nicht nur Bienen, sondern auch andere Insekten und Wasserorganismen. Da immer mehr Insektenarten aussterben, wollte die EU das nicht länger hinnehmen.

Doch das Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) unterstellte BVL erteilte mehrere Notfallzulassungen. Die EU-Pestizidverordnung erlaubt solche Ausnahmen, wenn sich eine „Gefahr“ nicht anders abwehren lässt. Die „Gefahr“ war in diesem Fall eine Blattlaus, die durch Saugen die Pflanzen mit verschiedenen Vergilbungsviren infiziert. Die Blätter verfärben sich gelblich, die Photosynthese stockt, und die Rübe verkümmert. Das kann die Ernte erheblich schmälern.

Biobauern benachteiligt

Doch das BVL urteilte nun, die Voraussetzungen für eine Notfallzulassung seien 2022 nicht erfüllt. „Im Gegensatz zum vorigen Jahr zeigen die aktuellen Prognosen der Pflanzenschutzdienste der Länder, dass in der kommenden Saison nicht mit einer Notfallsituation zu rechnen ist“, so die Behörde. 2021 habe es weniger Blattläuse gegeben. Das liege an dem Pestizideinsatz in diesem Jahr, aber vor allem am Wetter. Falls 2022 dennoch an einigen Orten mehr Blattläuse auftreten, könnten Notfallzulassungen „für lokale Spritzanwendungen mit anderen Pflanzenschutzmittelwirkstoffen beantragt werden.“

Die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker klagte dennoch, dass Rübenanbauer „für das kommende Jahr nun über keine wirksame Option zur Bekämpfung von Blattläusen und damit dem Überträger der virösen Vergilbung“ hätten: „Ohne ausreichenden Schutz werden sich hiesige Anbauer in Zukunft gegen die Rübe und damit regional produzierten Zucker aus Deutschland entscheiden.“

Imker Matthias Rühl, der gemeinsam mit MitstreiterInnen gegen die Notfallzulassung die Ausbreitung von Thiamethoxam in Franken nachgewiesen hatte, sagte, der Beschluss des BVL sei ein „Sieg für uns Imker und die ganze Natur“. „Das wird ein Signal an die anderen EU-Länder sein.“ Frankreich etwa könne sich nun nicht mehr auf Deutschlands Notfallzulassung berufen und umgekehrt.

Es sei „Quatsch“, dass die Bauern nichts gegen die Viren unternehmen könnten. Es gebe eine Rübensorte, die die Krankheit besser überstehe. „Wenn die Bauern nicht ständig spritzen würden, würde es mehr Marienkäfer geben, die die Blattläuse fressen“, so Rühl.

Biobauern könnten auch ohne Neonikotinoide Zuckerrüben ernten. Derzeit würden Zuckerraffinerien die Ökos aber zwingen, die Rüben vier bis fünf Wochen vor dem optimalen Zeitpunkt und den konventionellen Betrieben zu ernten. Denn so könnten sich die Fabriken sparen, die Maschinen nach einer Lieferung konventioneller Rüben zu säubern, damit sie nicht Bio-Ware verunreinigen. „Wenn die Rüben länger wachsen könnten, hätten die Biobauern auch einen deutlich höheren Ertrag“, betonte Rühl.

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